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Clutch – „Book of Bad Decisions“-Tour
12.12.2018 Z7 Konzertfabrik, Pratteln (CH)

Ungefähr auf halbem Weg ihrer Ende November gestarteten und noch bis kurz vor Weihnachten andauernden “Book of Bad Decisions”-Tour durch Europa, war das für seine Live-Stärke bekannte Rock-Quartett Clutch aus Maryland am vergangenen Mittwochabend auch in der Z7 Konzertfabrik im Schweizerischen Pratteln zu erleben. Mit dabei (wie bei nahezu allen Tourterminen) die beiden Support-Acts The Picturebooks und The Inspector Cluzo. Gleich drei kernige Rockbands, also, die den Besuchern netto rund zweieinhalb Stunden energiegeladene Unterhaltung geboten haben…

Das Backdrop mit dem Schriftzug des Bandnamens verriet es schon beim Einlass: The Picturebooks aus Gütersloh waren als Opener eingeplant. Fynn Grabke (Gesang, Gitarre) und Philipp Mirtschink (Schlagzeug) gründeten die Band 2009, ursprünglich gemeinsam mit einem Bassisten. Nach dessen Ausstieg entschloss man sich aber, als Duo weiterzumachen. Und wie mittlerweile hinlänglich bewiesen wurde (nicht zuletzt auch durch die noch folgenden The Inspector Cluzo), kann es auch eine Zweier-Besetzung ordentlich auf der Bühne krachen lassen.
Dazu sind The Picturebooks erfrischend unkonventionell: Während Grabke eigenen Angaben zufolge seine Gitarre eher nach Gefühl spielt, überrascht Mirtschink schon mit einem ungewöhnlichen Aufbau seines Drumkits. Becken sucht man hier vergebens — und auch eine Snare im herkömmlichen Sinne scheint zu fehlen. Stattdessen: eine Glocke und Schellen bzw. ein Glockenstab für die Hochtöne… und ansonsten eben große Trommeln. Deren Felle werden größtenteils mit dicken Klöppeln bearbeitet — wahlweise auch mal mit der flachen Hand, aber Hauptsache mit ordentlich Dampf. Gewisse Ähnlichkeiten zu Animal (Muppets) oder auch Christoph “Tiger” Bartelt (Kadavar) sind in der heftigen Spielweise durchaus zu erkennen.
Nach ein paar Stücken nutze Grabke eine kurze Songpause, um schon einmal die Werbetrommel für das Anfang März erscheinende Album (“The Hands of Time”), die Europatour im April und speziell einen Termin in Zürich zu rühren. Als er mit ostwestfälischem Ton in der Stimme dann erklärte, dass die beiden ihre Hauptaufgabe im Touren sehen und schon auch mal vor zehn Leuten spielen, weil die schließlich für eine “fucking rock and roll show” bezahlt haben und diese auch bekommen sollen, brachte ihnen das spürbar Sympathiepunkte ein. Trotz des starken ungefähr 30-minütigen Auftritts, kam das Publikum aber eher langsam in Stimmung. Viele hatten sich wohl leider auch dazu entschlossen, erst später anzureisen, so dass sich die Halle erst nach und nach weiter füllte.
Dieses erste Set des Abends umfasste hauptsächlich Songs des 2014er-Albums “Imaginary Horse”, aber auch das aktuelle Album “Home is Heartache” (2017) war vertreten: “PCH Diamond”, “Wardance”, “Learn It The Hard Way”, “Need That Oooh”, “The Rabbit And The Wolf” und schließlich “Your Kisses Burn Like Fire” waren gelistet. Bei letzterem hatte Grabke die Leute dann soweit, dass sie den Refrain mitgesungen haben — wenn auch etwas verhalten.

Mehr bei uns zu The Picturebooks:

Vom einen Duo zum nächsten. The Inspector Cluzo war der zweite Support-Act des Abends, und da naturgemäß weniger Material zu bewegen war, war der Umbau auf der Bühne auch schon nach einem Viertelstündchen erledigt. Als Intro ertönte zunächst volkstümliche Musik vom Band. Kurz später traten Laurent Lacrouts (Gesang, Gitarre) und Mathieu Jourdain (Schlagzeug) auf die Bühne und begrüßten das Prattelner Publikum. Immer wieder nur schwer zu glauben: Die beiden betreiben in der südwest-französischen Region Gascogne die traditionelle Ferme “Lou Casse” und stehen deshalb auch regelmäßig auf dem Wochenmarkt in Mont-de-Marsan, um dort ihre Hofprodukte unter die Leute zu bringen (am Merchandising-Stand beschränkte man sich übrigens auf T-Shirts und Alben).
An diesem Abend — genauso wie auf ihren Hunderten von weltweiten Gigs bisher — wollten die “Rockfarmer” aber vor allem zeigen, warum sie das wohl heißeste Rock-Duo Frankreichs sind. “Are you ready? … I know you are!”, schrie es immer wieder aus den Lautsprechern. Aber ob ready oder not… Das Publikum bekam ihren ungehobelten Blues-Rock vor den Latz geknallt. Der wirkte durch Lacrouts’ Gesang zwischen Reibeisen und Falsett zum Teil ein bisschen psychedelisch, kam ein andermal aber auch so hart und schnell daher, dass es schon fast an heftige Club-Nummern erinnerte.
Wie bei The Picturebooks kommt der Sound dabei komplett ohne Bass aus. Während das bei den Güterslohern allerdings eben dem Wegfall des Bassisten geschuldet ist, handelt es sich bei TiC um ein eindeutiges Statement — schließlich haben sie ihr eigenes Label “Fuckthebassplayer Records” genannt, und ein “bass player” ist eben genauso wie der französische Präsident “absolutely useless”. Überhaupt streuen die beiden immer wieder ihre politischen Ansichten ein, für die sie mit ihrer Musik, aber auch als Landwirte, stehen und schlagen schon auch mal Miguel, den Hof-Ziegenbock, der auf dem Backdrop wie auf dem Cover des aktuellen Albums “We The People of the Soil” abgebildet ist, als neuen Präsidenten der Grande Nation vor — schlechter würde der es auch nicht machen, so vermutlich der Gedanke dabei.

Das knapp 45-minütige Set (das am Schluss übrigens Claus Grabke, Manager der Picturebooks, gewidmet wurde) gipfelte in einer sozusagen geordneten Demontage der Bühne: Lacrouts kickt während des letzten Songs ein Hi-Hat samt Ständer in den Graben — zum Schreck in der ersten Reihe. Nachdem die Ordner das Teil wieder zurück auf die Bühne gestellt hatten, wirft es Lacrout mit verständnislosem Blick wieder runter… leichte Ratlosigkeit und Diskussionen bei den Ordnern. Dann stößt Jourdain seine Bassdrum auf die Seite und schlägt sie nun mit den Sticks, was es ermöglicht das Ding ähnlich wie mit einer Doublebass-Maschine zu spielen. Am Ende springt Jourdain auch noch mit beiden Beinen auf das Fell und klopft munter weiter zum ausgelassenen Finale. Eine großartige Show der beiden, die zwar gerne eine Rockband sind, aber eben nicht Teil des Business sein wollen, wie sie sagen.

Mehr bei uns zu The Inpector Cluzo:

Fehlte noch der Hauptact. Diesmal musste schon etwas mehr Equipment auf die Bühne geschafft werden. Eine halbe Stunde verging, bis die Musik vom Band verstummte, das Intro für Clutch abgespielt wurde und die Vier schließlich ihre Positionen bezogen — die Halle war nun bis ans Ende des FOH gut befüllt, dahinter wurde es (mit Ausnahme der höher gelegenden Plätze) schon etwas lichter.
Dan Maines, der einzige Bassist des Abends und Tim Sult, der seine Gitarre praktisch keine Sekunde aus den Augen ließ (und natürlich auch Jean-Paul Gaster am nun geradezu üppig wirkenden Schlagzeug), blieben ziemlich statisch, sorgten aber für einen ordentlich knallenden und astreinen Sound, der übrigens seit der Gründung Anfang der Neunziger zumindest auf den Studioalben immer wieder neu definiert wird.
Das erst im September erschienene “Book of Bad Decisions”, das, nebenbei bemerkt, wie das aktuelle Cluzo-Album von Vance Powell produziert wurde, hat Blues und Hall und lässt mit Piano und Bläsern auch zusätzliche Instrumente hören. Live geht aber irgendwie das ganze Material richtig ab und man setzt eher weniger auf Effekte. Und Neil Fallon (Gesang) machte, wie üblich, das Bewegungsminus der Kollegen mehr als wett. Er sprang und lief von links nach rechts und wieder zurück, fuchtelte und gestikulierte mit den Armen und sang mit markanter Stimme seine Texte, die, wie es heißt, hauptsächlich gut klingen sollen — einen Sinn ergeben sie selbst für ihn oft erst im Nachhinein. Nur selten griff Fallon selbst zur Gitarre und sorgte damit für einen noch satteren Sound.
Nach ca. einer Stunde beendete die Band ihr Hauptprogramm (mit: “Noble Savage”, “The Mob Goes Wild”, “X-Ray Visions”, “Firebirds”, “How To Shake Hands”, “A Good Fire”, “Ghoul Wrangler”, “Emily Dickinson”, “Earth Rocker”, “Promoter (of Earthbound Causes)”, “The Face”, “H.B. Is In Control”, “In Walks Barbarella”, “Burning Beard”, “The Soapmakers”). Kurz später kam sie aber für eine Zugabe von zwei Songs noch einmal zurück: “Electric Worry” (“bang, bang! bang, bang! vamonos, vamonos!”) und “A Shotgun Named Marcus”.

Fazit des Abends: Eine Zusammenstellung, die einfach großartig funktioniert. Zwei Combos, die auf den Bassisten pfeifen und dabei aber, wie die Hauptband natürlich sowieso, das Rock-Herz aufgehen lassen. In einem Youtube-Kommentar zu einem Clutch-Video heißt es: “Clutch makes me want to chop firewood with a unnecessarily large axe while bare-chested”. In dem Fall gilt das für alle drei Bands des Abends. Und Rock-Freunde verstehen das!

Mehr bei uns zu Clutch:

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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