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Tocotronic
04.07.2015 ZMF, Freiburg

Was du auch machst, mach es nicht selbst” – klingt dieser Tage nach einem guten Motto, verursacht es doch wesentlich weniger Schweißperlen auf der Stirn, wenn man keine Bewegung zu viel macht. So einfach wie in ihrem 2010er-Song konnten es sich die vier von Tocotronic am vergangenen Freitagabend aber natürlich nicht machen. Sie griffen im aufgeheizten Zirkuszelt zum Glück höchstpersönlich zu den Instrumenten. Doch aus das Publikum ließ nicht nur für sich arbeiten und machte gut mit.

Das Zelt war leider nur zu rund 40 – 50% gefüllt. Hatte man sich die letzten Jahre doch immer dieses Wetter zum ZMF gewünscht, zeigt sich so aber eben auch die Kehrseite der hohen Termperaturen. Schade fand das Festival-Gründer Alexander Heisler, zumal mit Tocotronic-Frontmann Dirk von Lowtzow ein “ehemaliger Student Freiburgs” zu hören sein würde. Und irgendwie hatte er ja Recht.
Mit kleiner Verspätung kamen Tocotronic jedenfalls kurz nach 20 Uhr zu einem pompösen Einspieler auf die Bühne. Nach einem kurzen Hallo ging es dann gleich los mit dem Programm, das selbstverständlich vor allem die Stücke des aktuellen namenlosen Longplayers (hier unser Review) präsentieren wollte. So startete das Programm wie auf dem “roten Album”, auf dem sich die Texte meist mit dem Thema Liebe beschäftigen: zuerst “Prolog” und dann “Ich öffne mich”, mit in tiefstes Rot getauchtem Bühnenbild vor glitzerndem Vorhang.

Im Anschluss kündigte Frontmann von Lowtzow “ein sehr altes Lied” an, was sogleich erste “Freiburg” fordernde Rufe aus dem Publikum verursachte. “Kommt Zeit, kommt Rat” entgegnete von Lowtzow und stimmte stattdessen das Stück “Du bist ganz schön bedient”, das ebenfalls von Mitte der 90er-Jahre stammt und mit den Worten “und alles was ich sagen will, ist: Danke, Freiburg” endete.
“Mit diesem dritten Stück haben sie mich schon jetzt glücklich gemacht”, dachte ich mir, als ich dann nach zwei Songs im Fotograben schon wieder abziehen musste – zum “Prolog” waren die Fotografen noch nicht zugelassen, aber eine komplett rot gefärbte Bühne ist jetzt auch nicht so der Fotografen-Traum. Glücklich gemacht wurden im weiteren Verlauf wenig überraschend auch viele andere, als von Lowtzow nach einigem Herumgespiele der Band mit Rückkopplungen aller Arten endlich “Ich weiß nicht warum ich euch so hasse, Fahrradfahrer dieser Stadt” sang – den gefühlten Pflichttitel des Auftritts in “dieser Stadt”.

Mit “Zucker”, “Rebel Boy”, “Jungfernfahrt” und “Die Erwachsenen” folgten schließlich noch einige weitere Stücke des “vielleicht schwulsten Albums der Welt”, wie von Lowtzow augenzwinkernd aus einem Review der Zeitung “Die Welt” zitierte. Und nach etwas Zeit zum Warmwerden mit dem Album wirkten die Stücke live wirklich wunderbar. Aber natürlich wurden mit dem historisch nahezu umfassenden Set auch die Fans der übrigen Studioalben bedacht.

Nach rund einer Stunde war der Hauptteil vorbei. Das Applaus-O-Meter schlug trotz des etwas dünn besetzten Zeltes immerhin bis ca. ⅔ der Skala aus. Eine Zugabe war erwartungsgemäß noch drin. Nach “Mein Ruin”, “Let There Be Rock” und “Explosion” verabschiedete sich die Band erneut. Das Licht ging aus.
Mit beachtlich viel Lärm holten die Freiburger das Quartett aber noch ein zweites Mal auf die Bühne zurück. McPhail startete einen Anlauf, das letzte Stück des Abends zu beginnen, scheiterte aber zunächst an der Technik. “Kapitulation von der Technik” würdigte der sich sonst so bedacht ausdrückende von Lowtzow den Dativ. “Kapitulation” folgte.

Kapituliert hat in der Zelthitze weder die Band noch das Publikum. Ein schönes Konzert, dem man höchstens anlasten könnte, dass es etwas routiniert schien. Aber ich denke so wirkt Tocotronic nun mal. Und alles was ich sagen will ist: Danke, Tocotronic!

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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