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Romano – Copyshop

Links und rechts geflochtene Zöpfe wie aus dem Styleguide für junge Oktoberfest-Besucherinnen, ost-europäisch wirkende Gesichtszüge, die an den russischen Präsidenten erinnern und Klamotten und Gesten wie die Kiez-Checker an der Ecke (nur stilsicherer). “Alles nur geklaut?”, könnte man sich fragen. Und doch ist Romano, der den meisten vor allem für seine Po-Klaps-Kultur und seine Metalkutten-Hommage bekannt sein dürfte, wohl über jeden Zweifel erhaben, es könnte ihm an Originalität mangeln.

Für sein zweites Album “Copyshop” schlüpft eben jener originelle Romano ausgerechnet in die Rolle eines zwielichtigen Kopierladen-Mitarbeiters, bei dem es Kopien und Fälschungen von allem und jedem gibt — “Gucci und Prada aus dem Kofferraum vom Lada / vier Streifen Adidas, Edition Antalya”. Passenderweise wurde die rund zehnminütige Mischung aus Kurzfilm und Musik-Video, die das Album schon seit Juni ankündigt, in Hongkong aufgenommen.

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Video zu “Mutti”

Zu minimalen, vom Sound her aber dicken Beats und schrägen Synthie-Sounds wird in elf (plus eins) Songs wieder die Gesellschaft unterhaltsam portraitiert, Szene-Studien aus der Großstadt auf intelligente Art in humorvolle Texte gepackt, oder, wie in “Ja, ich will” (“Ich will euch alle heiraten. Ich würde auch das Kleid tragen.”), der sympathische Gegenentwurf zum verbissen dreinschauenden Rapper mit bösem Image gepflegt.
Da wird die Verklag-mich-doch- und Du-hört-von-meinem-Anwalt-Kultur sarkastisch auseinandergenommen (“Anwalt”: “mein Anwalt kennt Leute im Zuchthaus, war selbst schon im Bau, ausgebrochen als Frau”), überspitzt vor den Touristen-Fallen im dicken B gewarnt (“Tourizocke”: “Die Kids saugen aus dei’m Tank das Benzin / und bau’n damit Mollis — Willkommen in Berlin!”), von den Straßen des Ost-Berlin nach der Wende berichtet (“König der Hunde”; erinnert klanglich etwas an “Sekundenschlaf” von Marteria feat. Peter Fox) und in “Mutti” mit der unkonventionellen Mama angegeben: “Mach die Straße frei, meine Mutti kommt!, 1,62, Bomberjacke, blond” oder “Wen trifft man auf jeder Feier?, wer hat die dicksten Eier?, vamos a la playa, meine meine Mutti!”.
In “Champagner Bar” skizziert Romano seine Vision für das Ruhestands-Alter — “alle Zähne falsch, doch die Rolex ist echt.” Anders als Peter Fox mit seinem Haus am See begnügt sich Romano allerdings mit der Bar im Köpenicker Einkaufszentrum Forum: “Wir trinken Sekt an der Champagner-Bar. Wir sind alle blau wie Avatar.” Von 20 Kindern und 100 Enkeln keine Rede.

So ganz anders als der Rest, ganz ruhig und sanft, klingt “Karl May”: Zusammen mit Gast Maschine (Sänger der Puhdys) erzählt Romano mit Anleihen aus Mays Geschichten aus dem Wilden Westen von seiner Kindheit und Jugendzeit im Osten (“Ich kam mit Zöpfen in die Klasse, alle wollten meinen Skalp.” und “Es liegt immer noch ein Schatz im Müggelsee.”).
Zum Schluss gibt es dann aber noch einmal einmal auf die Ohren — mit einer zweiten Version des Titelsongs, die das Feature des chinesischen MCs MastaMic mit einem erstaunlichen Rap-Part (von dem man allerdings nur “copy & paste” und “in your face” versteht; siehe Film ca. ab 08:05) noch einmal ein gutes Stück aufwertet, auch wenn die beiden Versionen sonst baugleich sind.

Ich liebe alle Menschen”, zitiert der Promo-Text den Künstler — und der hat sich den, by the way, bei all der Ostalgie bestimmt von Erich Mielke abgeguckt. Die Antwort jedenfalls: … Und wir lieben dich! Und dein neues Album ist auch ganz cool. Also: Willst du uns heiraten? Du darfst auch das Kleid tragen!Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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