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Archangel

Mitte der Achtziger Jahre schuf er mit seinem Roman “Neuromancer” die Basis für das, was einmal Cyberpunk genannt werden sollte und prägte gleichzeitig den heute mehr denn je verwendeten Begriff “Cyberspace”. Für viele Science-Fiction-Fans gilt das Buch als Meilenstein. Mit “Archangel” wagt sich der US-Autor William Gibson, zusammen mit Co-Autor Michael St. John Smith, nun das erste Mal an die Erzählform des Comics. Die Sci-Fi-Story ist hauptsächlich in der Zeit angesiedelt, in der der Zweite Weltkrieg gerade zu Ende geht, beginnt aber zunächst in einem dystopischen Jahr 2016:

Der Schuss ging nach hinten los. Was eigentlich für Sicherheit (aus Sicht der USA) sorgen sollte, führte geradewegs in eine globale Katastrophe. Ein Anschlag löste weltweit atomare Explosionen in etlichen Metropolen aus und legte die Erde so in Schutt und Asche. Immerhin aber wurden die USA dadurch zur einzigen verbliebenen Weltmacht. Und als diese kann sie ihre Interessen jetzt ungehindert durchsetzen. Dumm nur, dass alles, was noch steht und was noch lebt, schließlich verstrahlt ist.

© Cross Cult

Mit Hilfe des sogenannten Splitters, einer großen, riesige Energiemengen verschlingenden Anlage, die Duplikate der Welt anfertigen und sogar Menschen und Dinge in diese kopierten Universen transferieren kann, wollen die Machthaber (die Hendersons; Vater und Sohn, die das Präsidentenamt und das des Vize-Präsidenten bekleiden) nun einen neuen, sauberen Ort zum Macht-haben auftreiben — dabei ihre exzellente politische Ausgangssituation aber natürlich nicht aufgeben. Und um den Plan umzusetzen, lässt sich der Junior innerhalb der duplizierten Welt für sein todbringendes Projekt “Archangel” ins Berlin des Jahres 1945 teleportieren. Und eine Widerstandsgruppe, die diese Mission vereiteln will, folgt ihm…

Zeitreisende aus der Zukunft, die den Lauf der Geschichte zu ihren Gunsten, aber auf Kosten der anderen, beeinflussen wollen? Und andere Zeitreisende, die erstere aufhalten wollen? Klingt nach Terminator. Dagegen erinnert das WWII-Thema natürlich ein wenig an Alternate History-Geschichten wie beispielsweise “The Man In The High Castle”.
Tatsächlich hat “Archangel” von beidem etwas — und übrigens sogar gleich zwei tragende Rollen in weiblicher Hand. Es ist trotz der historischen Szenerie Science-Fiction, wirkt aber andererseits wesentlich mehr retro als Terminator. Mit von Kopf bis Fuß tätowierten Widerständlern, High-Tech-Drohnen in Stubenfliegen-Gestalt, Tarnanzügen, die wie Spandex-Ganzkörperkondome aussehen und eben der ungewöhnlichen Zeit (1945, aber irgendwie ja auch 2016) erscheint die Science-Fiction des Comics — wortwörtlich und durchaus positiv — etwas “eigenartig”.

© Cross Cult

Das Buch umfasst alle fünf US-Heftausgaben jeweils als Kapitel, und die Miniserie ist somit direkt abgeschlossen. Allerdings hätte es der Geschichte vermutlich besser getan, wenn die Autoren der Geschichte an der einen oder anderen Stelle etwas mehr Zeit gelassen hätten. So manches wichtiges Detail wird so zu leicht übersehen, und es fällt auch manchmal schwer, die actionreichen Szenen auf Anhieb zu durchblicken. Andererseits kommt durch die zackige Erzählweise natürlich auch eher ein Thriller-Gefühl auf.
Für die optische Umsetzung war gleich ein ganzes Team von Zeichnern, Tuschern und Koloristen verantwortlich. Etwas düster und farblich besonders gut in die historische Zeitschiene passend, ist ihnen die auch durchaus ansprechend gelungen. Von der Arbeit kann man sich im Bonus-Teil neben der Cover-Galerie bei den Informationen und Skizzen zur Charakterentwicklung einen kleinen Eindruck verschaffen.

Das für den Eisner Award 2017 als “Beste abgeschlossene Serie” nominierte (letztendlich aber nicht ausgezeichnete) “Archangel” ist von vorne bis hinten spannend und faszinierend. Allerdings auch etwas kurz und stellenweise nicht direkt zu durchschauen. Es lohnt sich wohl, den Comic gleich noch ein zweites Mal durchzulesen. Für Gibson-Fans (sofern Comics) und allgemein Fans “etwas anderer” Science-Fiction.

Eine Leseprobe mit ein paar Seiten findet ihr wie immer auf der Verlagsseite zum Buch bei Cross Cult.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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