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Bowie – Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume

Mit der Vorstellung von ausgelassenem Tanzen im dichten Gedränge, von der Decke tropfendem Schweiß und biergeschwängertem Gegröle kann man in diesen Wochen sicher so ziemlich jeden in Angst und Schrecken versetzen. An stimmungsvolle Konzerte ist einfach nicht zu denken. Wer dennoch nicht ganz darauf verzichten will, greift zum Stream aus dem Wohnzimmer des Künstlers oder sieht sich Konserven aus besseren Zeiten an.
Als zusätzliche Variante mag der eine oder andere seinen Durst auch mit Büchern mit Musikbezug stillen — womöglich mit einem Vertreter der neunten Kunst, den Comics, die bei uns natürlich wie die Faust aufs Auge passen (und von denen wir hier ja auch schon einige besprochen haben: “Hip Hop Family Tree”, “Der fünfte Beatle: Die Brian Epstein Story”, „Nick Cave: Mercy On Me“ oder “Neil Young: Greendale”, um nur einige zu nennen).

© Cross Cult

Ein schickes Exemplar ist dieser Tage jedenfalls bei Cross Cult erschienen: Ein Biopic in Comic-Format über einen Außerirdischen, der die Welt mit seinen musikalischen Visionen eroberte und den Glam-Rock entscheidend mit prägte. Die Rede ist natürlich von David Bowie, oder, genauer gesagt, von dessen Alter Ego Ziggy Stardust, das ihn Anfang der Siebziger berühmt gemacht hat, und das er nur kurz später sozusagen hat sterben lassen (um in andere Rollen zu schlüpfen).

“Bowie – Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume”, so der deutsche Titel (im englischen Original-Titel “Stardust, Rayguns and Moonage Daydreams” werden die Verweise auf Bowies Werke wohl noch etwas deutlicher), ist also keine Bowie-Biographie, die sich um das Gesamtwerk des exzentrischen Briten kümmert. Stattdessen konzentriert sie sich gezielt auf den schrillen Rock-Missionar aus dem All und beginnt ausgerechnet mit dem Ende: Das Konzert mit seiner Band The Spiders am 3. Juli 1973 in der Londoner Konzerthalle Hammersmith Odeon, bei dem Ziggy sein Ende verkündet hat, bildet den Rahmen des Buches. Noch bevor der geschichtsträchtigen Satz zu Ende gesprochen ist, macht der Comic daher einen Cut und setzt zunächst einmal ganz am Anfang auf.

© Cross Cult

Nämlich eben doch schon etwas vor der Zeit von Ziggy Stardust, und zwar Anfang/Mitte der Sechziger. Schließlich ist diese Zeit nicht uninteressant, um die Entstehung der Bühnen-Figur Ziggy Stardust nachzuvollziehen. Damals hieß David noch ganz bürgerlich Jones mit Nachnamen und versuchte, wie seine Freunde Marc Bolan (T.Rex) und Steve Marriott (Small Faces und Humble Pie), seiner musikalischen Karriere die Initialzündung zu verpassen. Erste Bands und Beziehungen werden genauso thematisiert wie gelegentliche kurze Anekdoten nebenbei, wie zum Beispiel das (irgendwie leider) erfolglose Vorsprechen für die Rollen von Riff Raff und Frank N. Furter (“The Rocky Horror Picture Show”).
Der erste Meilenstein wird schließlich mit “Space Oddity” erreicht — „ground control to Major Tom…„. Der von Kubricks “2001: Odyssee im Weltraum” inspirierte Song, der 1969 schließlich zum Soundtrack zum Medienereignis Mondlandung der Amerikaner — und für Bowie schließlich zum “giant leap”, soll heißen: zum ersten großen Erfolg — wurde.

© Cross Cult

Das Buch stellt praktisch eine chronologische Aneinanderreihung gesammelter Fakten dar. In der Regel wird alle ein, zwei Seiten, wieder eine neue Szene aus einem weiteren Monat oder von einem weiteren speziellen Datum eröffnet. So kommen ziemlich schnell ziemlich viele Informationen zusammen, die einem gerade zu Beginn möglicherweise etwas zu kurz und zu schnell aufeinander folgen mögen. Insgesamt ist das aber schon interessant, faszinierend und unterhaltsam.
Zumindest für denjenigen, der sich bisher eher oberflächlich mit Bowie beschäftigt hat. Ausgewiesene Bowie-Fans werden sicher bemerken, dass hier natürlich keine neuen Insider-Informationen recherchiert, sondern die bekannten zusammengetragen wurden. Etwas anderes werden die Leser hier aber wohl auch kaum erwarten.
Doch selbst wenn einem das Buch keine neuen Erkenntnisse bieten mag, so kann der Comic immer noch auf der optischen Ebene punkten. Besonders die großformatigen Live-Szenen, die teils ikonische Fotografien von Mick Rock in gezeichneter Form zeigen, wirken beeindruckend und lebendig.

Steve Horton und Michael Allred (“iZombie” u.a.), die Autoren dieser “Ziggy-grafie”, sind natürlich selbst große Bowie-Fans. Allred erzählt im Nachwort, dass er Bowie schon seit 1974 zeichnet. Besonders spannend: Seine durch Ziggy Stardust inspirierte Serie “Red Rocket 7” um einen rothaarigen Alien-Klon und den Rock’n’Roll hat Bowie offenbar sogar selbst gelesen und in der Songzeile “see my life in a comic” (im Song “New Killer Star”) gewürdigt. Insofern dürfte es wohl in der Tat keine geeigneteren Autoren für ein solches Buch geben.

“Bowie – Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume” ist ein absolut stimmiges Denkmal in Buchform (übrigens im für Cross Cult nicht ganz üblichen Format von 21x28cm, das Hardcover mit Ziggy Stardust in Spotlack). Für einen der ganz großen des Pops, des (Glam-)Rocks — der Musikgeschichte. Und übrigens auch mit zahlreichen anderen Stars im Umfeld, wie Freddy Mercury, Lou Reed und The Velvet Underground, Iggy Pop und The Stooges, Alice Cooper und vielen mehr.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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