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Das Fleisch der Vielen

Mit der beim Splitter-Verlag erschienenen Graphic Novel “Das Fleisch der Vielen” lässt sich moderner Horror mit Gothic-Rock verbinden. Es handelt sich nämlich um die Adaption einer Kurzgeschichte, und diese war wiederum die Grundlage für das Musikalbum einer deutschen Band aus schwarzen Szene. Die Story des Buches spielt mitten in Leipzig (und ist doch ganz schnell weg von allem Alltäglichen)…

Jana und Tim sind auf einer Demonstration am Willy-Brandt-Platz in Leipzig, wo sich Neonazis und Gegendemonstranten und Antifa gegenüberstehen. Sie sind eigentlich gekommen, um gegen die Rechten auf die Straße zu gehen, doch dann läuft alles aus dem Ruder. Es kommt zu gewaltsamen Aufeinandertreffen, es fliegen Molotowcocktails, und die Polizei setzt Tränengas ein. Die beiden wollen sich Richtung Westen flüchten und werden dabei von einer Gruppe gewaltbereiter Neonazis verfolgt.

© Splitter Verlag

Dann sieht Jana eine offene Tür und eine Lücke im Bretterverschlag am alten Grand Hotel Astoria, das seit zwei Jahrzehnten leer steht und seitdem dem Verfall überlassen ist. Dass hier eine Tür offen steht, besorgt Jana und Tim zwar, schließlich könnte sich wer auch immer im Inneren aufhalten. In dieser Situation ist das aber egal, und die beiden sind einfach nur froh, es unbemerkt hinein geschafft und die schwere Türe hinter sich geschlossen zu haben.
Damit fängt das eigentliche Problem aber erst an. Es ist dunkel und das Smartphone-Licht hält auch nicht ewig. Außerdem gehen die zwei, aus Neugier und auch weil sie eine Gestalt gesehen haben, immer weiter durch die Gänge und die Treppenhäuser und finden bald schon keinen Ausweg mehr. Und bald wird klar, dass sie nicht ganz zufällig hier gelandet sind und dass das Hotel nicht ganz so leblos ist, wie es von außen scheint…

“Das Fleisch der Vielen” wurde ursprünglich von Roman-Autor Kai Meyer (“Das Wolkenvolk” u.a.) als Kurzgeschichte im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit der Frankfurter Gothic-Rock-Band ASP verfasst. Letztendlich diente sie Alexander “Asp” Spreng, Frontmann und Songschreiber der Band, als inspiratorische Grundlage für das “Gothic-Novel-Rock”-Album “Verfallen Folge 1: Astoria” (2015) und wurde bislang auch nur in einer speziellen Buch-Ausgabe des Album veröffentlicht.

© Splitter Verlag

Auf das Comic-Format adaptiert wurde die Geschichte nun vom Düsseldorfer Illustrator Jurek Malottke, der mit diesem Buch seine erste Comic-Verlagsveröffentlichung verzeichnet. Seine Zeichnungen kommen dabei oft mit ziemlich wenigen Strichen aus und wirken manchmal fast etwas abstrakt und skizzenhaft. Vieles, gerade bei den Totalen, bleibt schemenhaft und zum Teil auch nur mit Mühe zu erkennen. Das sorgt aber eben auch dafür, dass man irgendwie näher an den Erlebnissen und der Perspektive der Protagonisten dran ist und sich die beklemmende Ungewissheit auf den Leser überträgt — auch wenn die Geschichte auch viel aus dem Off erzählt wird.
Es ist eine der Geschichten, in der für das Gruseln kein Blut spritzen muss. Die Atmosphäre des verlassenen Hotels inmitten der Leipziger City (Stichwort: urban abandoned places) und die diffuse Bedrohung machen den Spuk aus — und, ohne zu viel verraten zu wollen, etwas so Harmloses wie Haare.
Meyers Kurzgeschichten-Original in Textform ist übrigens, zusätzlich zum üblichen Bonus-Material wie Charakter-Skizzen, Bleistift- und Tuschezeichnungen, Cover-Entwürfe usw., auf den letzten Seiten des Buches auch abgedruckt. Der Comic umfasst dadurch “nur” 64 von den insgesamt 96 Seiten.

Die Comic-Adaption orientiert sich äußerst eng an der Prosa-Vorlage und ist als Kurzgeschichte eben auch ein eher kurzes Lesevergnügen, in dem die bedrückende, beängstigende Atmosphäre aber sehr gut wiedergegeben wird. Der grafische Stil mag manchem zu “einfach” oder zu undeutlich sein und nicht jedem zusagen. Andererseits passt das, wie schon gesagt, gerade in dem Fall ausgesprochen gut.

Eine Leseprobe mit ein paar Seiten findet ihr, wie immer, auf der Verlagsseite zum Buch.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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