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Der Seewolf

Der Seewolf - Tribe Online MagazinVermutlich werden die meisten den Seewolf in Gestalt des deutschen Schauspielers Raimund Harmstorf kennen. Anfang der 1970er-Jahre spielte dieser die Hauptrolle in der vierteiligen Fernsehproduktion des Romans “Der Seewolf” von Jack London. Für viele unvergessen: “die Kartoffelszene”, in der der rauhe Seemann eine rohe Kartoffel in der Hand zerdrückt.
Für den Großteil derer, die mit Freude an die Vorweihnachtszeit mit dieser Geschichte zurückdenken, wird es vermutlich eine Kindheitserinnerung sein. Und vielen wird daher möglicherweise die Tiefe der Erzählung entgangen sein und eher das Abenteuer im Vordergrund gestanden haben. Dabei ging es Jack London viel mehr um Philosophie und Psychologie…

Sausalito, Anfang des 20. Jahrhunderts, in der Zeit von Schaufelraddampfern und Segelschiffen. Der vornehme Literaturkritiker Humphrey van Weyden besteigt als Passagier die Fähre “Martinez”, die ihn über die Bucht nach San Francisco bringen soll. Im dichten Nebel werden sie aber von einem entgegen kommenden Schiff gerammt. “Hump” rettet sich ins Wasser und verliert das Bewusstsein. Als er wieder aufwacht, findet er sich auf dem Segelschiff von Robbenfängern wieder, die gerade auf dem Weg zur Jagd nach Japan (!) sind.
Es dauert nicht lange, bis Hump bemerkt, dass der Kapitän der “Ghost”, Wolf Larsen, seiner Statur und seines Wesens wegen eben auch der Seewolf genannt, ein strenges Regiment führt. Keiner der Crew scheint wirklich freiwillig auf dem Schiff zu sein. Und auch Hump wird nicht einfach so wieder losgelassen. Da durch den Tod des Steuermanns gerade eine Stelle an Bord vakant war, werden kurzerhand ein paar Männer befördert und Hump dafür an die unterste Position in der Hierarchie gesetzt – er wird Küchenjunge.
Wolf Larsen macht auf Hump den Eindruck eines Wilden, eines ungehobelten und gnaden- und gefühlslosen Tieres. Im Gegenzug sieht der Kapitän sein neues Crew-Mitglied als unfähigen Feingeist, der sein lebenlang noch nicht gearbeitet hat und nicht in der Lage ist, auf seinen eigenen Beinen zu stehen.

Der Seewolf - Seite 13 - Tribe Online Magazin

© für die deutsche Ausgabe: Splitter Verlag

Der Seewolf - Seite 12 - Tribe Online Magazin

© für die deutsche Ausgabe: Splitter Verlag

So stellen sich immer mehr die Gegensätzlichkeiten heraus, und das gegenseitige Unverständnis wächst. Als Hump zufällig bemerkt, dass Larsen entgegen seiner Vorstellung sehr belesen ist, werden die Treffen der beiden zu philosophischen Diskussionen, in denen es immer wieder um Glauben und die Unsterblichkeit der Seele geht.

Das Aufeinanderprallen dieser beiden Welten ist letztendlich der Kern der Erzählung. Die beiden sind so weit voneinander entfernt, wie es nur möglich ist. Dazu würde Hump, wenn er könnte, den Tyrannen Larsen am liebsten töten – auch wenn er, wie er später feststellt, dem Seewolf auch etwas zu verdanken hat.

Der Adapteur und Zeichner des Comics, der Franzose Dominique Duprez alias “Riff Reb’s”, stellt in seinem “Le Loup de Mers” den Kapitän fast übermenschlich kräftig dar und erzählt Londons Roman in extrem düsteren Bildern nach. Die Zeichnungen sind in unterschiedliche Töne eingefärbt. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es pro Seite dabei nur eine Farbe, die neben dem üppig vertretenen Schwarz zu sehen ist.

Mit “Der Seewolf” ist dem Autor eine packende Comic-Umsetzung des Klassikers gelungen. Wer Kindheitserinnerungen auffrischen und dabei den tiefgründigen Ansatz Londons womöglich neu entdecken möchte, sollte sich das Buch unbedingt einmal ansehen. Dann aber bitte nicht enttäuscht sein, dass die Kartoffel-Quetsch-Szene in einem Panel ganz beiläufig abgevespert wird!…

Beim Splitter-Verlag gibt es, wie immer, ein paar Seiten als Leseprobe:
http://www.splitter-verlag.eu/der-seewolf.html

(Wir hatten für die Besprechung nur eine elektronische Ausgabe vorliegen. Verkauft wird „Der Seewolf“ als Hardcover-Ausgabe.)Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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