Descender 01: Sterne aus Blech
Wie aus dem Nichts erscheinen eines Tages plötzlich riesige Roboter in den Orbits der neun Hauptplaneten des United Galactic Council. Der Roboter-Experte Dr. Jin Quon wird zwar sofort zu Rate gezogen, aber auch er steht vor einem Rätsel und kann lediglich noch eine größere Datenmenge des Computercodes eines der Riesen herunterladen bevor klar wird, dass die nicht in friedlicher Absicht gekommen sind.
Vernichtende Angriffe folgen also, und genauso plötzlich wie sie erschienen sind, sind die “Harvester” dann auch wieder verschwunden. Die Bevölkerungszahl ist durch die Angriffe auf einen Bruchteil dezimiert. Und weil vor allem Menschen zu den Opfern zählen und die Angreifer schließlich Roboter waren, entsteht unter den Menschen Hass und Misstrauen gegenüber den maschinellen Mitbewohnern. Ein wahrer Roboter-Genozid – ein “Robocaust” – folgt.
Zehn Jahre später wacht auf einem Bergbau-Mond der Roboter-Junge TIM-21 aus einem jahrelangen Schlaf auf. Alle anderen Bewohner der Kolonie sind tot und auch der Zentralcomputer hat einen ordentlichen Knacks abbekommen. Doch bevor sich der Junge versehen kann, ist auch er selbst in großer Gefahr. Denn zum einen werden sogenannte Schrotter auf ihn aufmerksam – eine Bande von Roboter-Kopfgeldjägern. Zum anderen ist auch der UGC hinter ihm her. Denn nachdem der Maschinencode der Harvester zum Teil entschlüsselt wurde, steht fest, dass die TIM-Modelle, die eigentlich als Spielgefährten für Kinder konzipiert wurden, den tödlichen Harvestern verblüffend ähnlich sind…
Dieser kleine Junge, der nicht einmal wirklich ein Mensch ist, ist möglicherweise die menschlichste Figur im ganzen Comic.Jeff Lemire über TIM-21, den Protagonisten seiner Story
Wer sich ganz unbedarft an das Buch heranarbeitet, dürfte zunächst einmal beim Namen Jeff Lemire hängenbleiben, der hierzulande hauptsächlich für die beliebte Reihe “Sweet Tooth”, aber z.B. auch für die an “The Invisible Man” angelehnte Graphic Novel “The Nobody” bekannt ist.
Und tatsächlich verspricht die Story ja auch spannend zu sein: ein “Roboter-Kind”, das nicht nur wie ein Menschenkind aussieht, sondern auch mehr menschliche Züge hat, als das zunächst vorgesehen war. Und gerade der soll innerlich den Killer-Kolossen, deren Angriffe die Welt verändert haben und die Angst, Misstrauen, Hass und Gewalt gesät haben, gleichen?
So steht natürlich die Flucht des Jungen vor seinen Jägern im Vordergrund. Das Ganze wird aber vor einer Kulisse mit politischer Ebene erzählt, und einige Fragen, die im Buch gestellt werden, können auch in unserer Gegenwart zum Denken anregen.
Darüber hinaus bietet die Welt genügend Abwechslung in der Szenerie: neun verschiedene Welten, zu denen neben einem Wüsten- und einem Wasser-Planeten z.B. auch ein Planet gehört, der wie seine Bewohner komplett gasförmig ist (wobei diese Planeten bis hierher im UGC-Atlas auf der letzten Seite des Buchs lediglich beschrieben sind).
Schon auf den ersten Seiten wird aber klar, dass diesmal nicht die Geschichte der Star ist – zumindest soweit sich das nach diesem ersten von vier Bänden vermuten lässt. Besonders stark sind in diesem Fall nämlich die Bilder aus der Feder – oder besser aus dem Pinsel – von Dustin Nguyen.
Dessen Aquarell-Gemälden liegen oft nur wenige Bleistift-Striche zugrunde, und die Wasserfarben sind in der Regel ebenfalls nicht sehr üppig und intensiv eingesetzt. Stattdessen wirkt die Kolorierung sehr akzentuiert und mit eingeschränkter Palette, und Hintergründe bleiben zum Teil schon auch mal weiß.
Und obwohl man so manchmal den Eindruck hat, es handele sich eher um Skizzen denn um fertige Seiten, und obwohl man bei einem Sci-Fi-Titel mit allerlei Robotern wohl eher einen klaren und detaillierten Zeichenstil erwarten könnte, wird “Descender” zweifellos gerade durch diese Optik zum Leckerbissen.
“Descender 01: Sterne aus Blech” wirkt auf verschiedenen Ebenen. Schließlich sind auch die Figuren stark – vor allem natürlich der Roboter-Junge, aber z.B. auch Dr. Quon und TIMs sympathische Begleiter: Robo-Hund “Bandit” (Vgl. R2D2) und “Bohrer”, ein Minenarbeiter-Bot (und “ein echter Killer”).
Großes, ungewöhnliches Sci-Fi-Kino (das übrigens in einem etwas kleineren Buch-Format als bei Splitter üblich erschienen ist)!
Auf der Verlagsseite zum Buch bei Splitter findet ihr ein paar Seiten als Leseprobe.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index…