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Die Insel des Dr. Moreau

“Krieg der Welten” kennt irgendwie jeder. Nicht zuletzt des (immerhin auch schon wieder 15 Jahre alten) Spielberg-Kinofilms mit Tom Cruise in der Hauptrolle wegen, sondern auch wegen der tollen Geschichte mit der Panik stiftenden Hörspielfassung von 1938 und zahlreichen anderen Adaptionen (wir haben hier auch schon zwei Comic-Umsetzungen besprechen dürfen — siehe hier und hier).
Auch von “Der Unsichtbare” (hier unser Review zu Jeff Lemires Adaption „The Nobody“) und natürlich “Die Zeitmaschine” (Review hier), beides ebenfalls “scientific romance”-Romane von Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Feder von H. G. Wells, gab es immer wieder Adaptionen in andere Formate. Dagegen wurde “Die Insel des Dr. Moreau”, der vierte bekannte Klassiker des englischen Sci-Fi-Pioniers, vor allem in der jüngeren Geschichte wesentlich weniger oft und weniger prominent wieder aufgegriffen.

Das haben Ted Adams und Zeichner Gabriel Rodriguez (“Locke & Key”) zum Anlass genommen, die Science-Fiction-/Abenteuer-Geschichte mit Horror-Elementen im Comic-Format neu zu interpretieren. Die deutsche Ausgabe ihres Buches ist bei Panini erschienen.

Deutsche Ausgabe: © Panini Verlags-GmbH

Die Geschichte spielt Ende des 19. Jahrhunderts. Kurz beschrieben, geht es darin um einen Schiffbrüchigen, der auf einer abgelegenen Pazifik-Insel landet und dort auf einen Arzt namens Moreau — wie sich herausstellen wird sozusagen im Exil — trifft.
Nahezu alle der übrigen Inselbewohner machen erst einmal einen seltsamen Eindruck, und eines Tages wird klar, warum: Sie sind die Resultate der blutigen Experimente, die Moreau hinter verschlossenen Türen durchführt. Dort operiert er die wilden Tiere der Insel — Elefanten, Affen, Raubkatzen — einfach alle — in menschenähnliche Kreaturen um. Und nur, weil die aufrecht gehen, sich artikulieren und sich an einfachste “Gesetze” halten können und ihre Körper menschliche Züge bekommen haben, ist ihr tierischer Instinkt natürlich noch lange nicht verschwunden…

Die vorliegende Comic-Adaption hält sich im Großen und Ganzen an die Romanvorlage. Weder wurde die Story in die Gegenwart transferiert noch werden die Horror-Elemente irgendwie effektvoll modernisiert. Dennoch gibt es, auch neben der Tatsache, dass die Handlung natürlich für das Comic-Format auf das Wesentliche eingedampft wurde, Unterschiede: Die Hauptfigur heißt hier nämlich nicht Edward Prendick, sondern Ellie Prendick.
Adams und Rodriguez lassen demnach also eine starke Frau, eine Biologin, auf der Insel der Chimären (Mensch-Tier-Hybride) stranden. Das wirkt natürlich erst einmal modern, soll aber auch einfach einen größeren Kontrast zwischen ihr als Protagonistin zu den männlichen Machtphantasien des Dr. Moreau bieten. Außerdem wird der Comic übrigens, anders als Wells’ Roman, nicht im Stil einer Herausgeberfiktion, also als Erlebnisbericht aus dem Mund des überlebenden Protagonisten selbst, erzählt.

Deutsche Ausgabe: © Panini Verlags-GmbH

Punkten kann der Comic besonders mit den großartigen Bebilderungen von Rodriguez, der seine Zeichnungen ungewöhnlicherweise nahezu ausschließlich auf Doppelseiten präsentiert, auf denen sich zumeist mindestens ein Panel über beide Seiten erstreckt. Das ist beim Lesen zwar erst etwas ungewohnt und der Falz stört dabei etwas, so gibt es aber immer wieder große, breitformatige Panels und dabei viele Details zu bestaunen.

Der Hauptkritikpunkt ist beim Buch selbst zu finden. Zwar sieht das zum Teil mit Spotlack verzierte Hardcover sehr schick aus, das erste Durchblättern ist dann aber trotz der starken Bilder ernüchternd.
Der Grund: Der Comic umfasst eigentlich nur rund 50 Seiten. Auf den übrigen Seiten wurden ein durchaus lesenswertes Selbstinterview mit dem Autoren-Duo (6 Seiten) und die fast obligatorische Cover-Galerie (5 Seiten) aber eben auch die unkolorierten Bleistiftzeichnungen der gesamten (!) Story noch einmal abgedruckt. Das mag zum einen natürlich aufschlussreichen Einblick in die Arbeit des Zeichners geben, ist aber in dem Umfang für den durchschnittlichen Leser einfach too much.

Unter dem Strich also: Eine Story, die in zwei Kapiteln vielleicht ein bisschen zu schnell erzählt bzw. eher kurz wirkt, aber einerseits weitgehend originalgetreu ist und trotzdem etwas andere Aspekte bietet, wirklich großartige Zeichnungen und insgesamt eine sehr schöne Aufmachung. Dazu aber das Gefühl, dass das Buch mit nur drei, vier anstatt der 50 Seiten der blauen Bleistiftzeichnungen hätte sicher einiges günstiger ausfallen können.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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