Joe Hill: Daphne Byrne – Besessen
Mitte des 19. Jahrhunderts machten die Fox-Schwestern in Hydesville, New York, auf sich aufmerksam, als sie behaupteten, dass sie mit Geistern in Verbindung treten könnten und sich diese durch Klopfgeräusche bemerkbar machen würden. Alles Humbug, wie sich später herausstellen sollte. Und doch änderte es nichts daran, dass sie damit den Spiritismus und die dazugehörigen Séancen salonfähig machten und sogar regelrecht eine Welle in Bewegung setzten, die auch bald bis nach Europa schwappte.
Polternde Geräusche, wackelnde oder gar — im wahrsten Sinne des Wortes — “von Geisterhand” schwebende Tische und, ja, gewissermaßen Shortmessages von Verstorbenen aus dem Jenseits direkt auf das diesseitige Witchboard. Die Ausprägungen der Phänomene sind vielfältig und die Liste der Personen, die bei sich ebenfalls die Fähigkeiten eines Mediums entdeckten, lang. Und lange bevor Séancen schließlich zum Grusel-Event auf Teenie-Parties wurden, zog sich der Glaube daran durch alle Schichten der Bevölkerung.
Der neueste “Hillhouse Comics”-Titel “Daphne Byrne – Besessen” greift dieses Thema zwischen Übernatürlichkeit und Schwindel auf und versetzt den Leser dabei in das düstere New York der 1880er-Jahre. Wir haben uns die deutsche Ausgabe des Buches aus dem Hause Panini angesehen:
Im Zentrum der Story stehen das 14-jährige Mädchen Daphne und ihre Mutter, die, seit der geliebte Vater bzw. Ehemann vor Kurzem erst gestorben ist, alleine leben. Während Daphne in tiefe Trauer verfallen ist und sich immer mehr in sich kehrt, sucht ihre Mutter Hilfe bei Mrs. Swarthmore, die als Medium verspricht, Kontakt zu dem Toten herstellen zu können. Das wäre eigentlich genau das, was auch Daphne sich sehnlichst wünscht. Trotzdem ist sie sich sicher, dass Swarthmore eine Betrügerin ist.
Mrs. Byrne lässt sich davon natürlich nicht abbringen und sucht weiterhin Trost in Swarthmores Séancen. Währenddessen bekommt Daphne — zunächst im Traum, dann im Wachzustand — immer wieder Besuch von einem merkwürdigen geistartigen Jungen. Und dessen Einfluss verändert Daphnes Wesen in dramatischer Weise…
Geschrieben wurde die Geschichte von der Amerikanerin Laura Marks, die hiermit ihr Comic-Debüt abliefert. Ansonsten war sie bislang hauptsächlich als Autorin für Theaterstücke oder auch für TV-Drehbücher (u.a. für einzelne Folgen der TV-Serien “The Expanse” und “The Exorist”) aktiv.
Erzählt wird linear und ohne besondere Kniffe. Dafür gelingt es Marks meiner Meinung nach gut, natürlich auch durch die ausdrucksstarke Bebilderung von Zeichner Kelley Jones (“Sandman”, “Batman” uvm.), den Leser in die Szenerie und die Handlung eintauchen zu lassen.
“Daphne Byrne” ist (zumindest was die deutschen Ausgaben angeht) bereits das vierte Buch im Rahmen der von Horror-Thronfolger Joe Hill präsentierten “Hillhouse Comics” (siehe auch “Ein Korb voller Köpfe”, “Das Puppenhaus” und “Im tiefen, tiefen Wald”) — und meiner Meinung nach bislang mit das stärkste (wobei ein Vergleich mit dem schwarzhumorigen und ebenso großartigen “Ein Korb voller Köpfe” von Hill selbst Geschmackssache ist).
Wie bei den anderen Hillhouse Comics spielt auch hier wieder ein weiblicher Charakter die Hauptrolle. Besonders mit ihr — ihrer Stärke, Eigenwilligkeit und Ambivalenz — kann Marks punkten. Zu guter Letzt wirkt das Buch, nicht nur aber vor allem dank der schwarzlastigen Zeichnungen von Jones auch noch ein ganzes Stück düsterer als die bisherigen Titel der Reihe.
Eine Leseprobe findet ihr auf der Verlagsseite zum Buch bei Panini.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index…
Über das besprochene Medium
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Joe Hill: Daphne Byrne – Besessen
Laura Marks, Kelley Jones, Michelle Madsen
Softcover, 164 Seiten (Panini)
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