Lazarus 05: Familienkrieg
In Greg Ruckas beeindruckender Dystopie “Lazarus”, in der die Schere zwischen Arm und Reich bis zum äußersten geöffnet und die Welt unter wenigen mächtigen Familienclans aufgeteilt ist, ist es ausgerechnet die im Reagenzglas entstandene, zur Kampfmaschine herangezogene Forever Carlyle, die in einer Umgebung voller Machtgier, Intrigen und Kriegen am meisten von Moral zu halten scheint.
Nachdem weite Teile des vierten Sammelbandes “Gift” die blutigen Einsätze an der Front des Carlyle/Hock-Krieges thematisiert hatten, begibt sich Band 5 (“Familienkrieg”) nun hauptsächlich wieder zurück zur Ebene der schwierigen Verhältnisse innerhalb der Familie Carlyle.
Ihre Mission im Krieg mit Hock-Truppen in Duluth hatte Forever zwar erfolgreich beendet, allerdings wurde sie dabei extrem schwer verletzt. Dies wiederum dürfte sie sich vor allem selbst zuschreiben können, denn aus dem zunehmendem Misstrauen gegenüber ihrer Familie hatte sie die ihr regelmäßig verabreichten Medikamente heimlich abgesetzt. In äußerst kritischem Zustand wird sie jedenfalls in die Einrichtung auf dem Sequoia-Gelände in der Sierra Nevada gebracht und dort wieder zusammengeflickt.
Als sie wieder einigermaßen auf den Beinen ist, erfährt sie aber nicht nur, dass die Familie ein regelrechtes “Ersatzteile-Lager” für so ziemlich alle ihrer Körperteile betreibt, sondern auch, dass mit “Eight” gleich eine ganz “frische” Lazarus-Nachfolgerin herangezüchtet wird — für den bedauernswerten Fall, dass es mal einen Totalschaden geben sollte…
Rucka hat seine Serie in mehreren Schichten angelegt und bedient sie ungefähr mit jedem Band wechselnd. Zunächst wäre da die sozial-politische Situation, in der sich die Welt befindet, die prekären Lebensumstände der als “Abfall” bezeichneten Masse an Armen. Dann die Auseinandersetzungen und Kriege und Boden und Einfluss zwischen den Familien. Und schließlich, wie hier wieder, die internen Dramen innerhalb der Carlyle-Familie. Die persönliche Situation von Forever kann man darüber hinaus noch als weitere Ebene zählen.
Nachdem Band 4 mit seinen Kriegs-Szenen etwas zäh war, wirkt die Story diesmal wieder weniger grob und inhaltlich interessanter. Die Konflikte (nun auch in Europa; u.a. in Deutschland der Schweiz) schwelen zwar weiter, rücken für einen Moment aber aus dem Zentrum. Forevers aufkommender Argwohn ihrer eigenen Familie gegenüber lässt sie immer mehr wie eine wandelnde Zeitbombe wirken, die irgendwann zu explodieren droht.
Leider kam die gesellschaftskritische Seite der Serie dagegen nun schon längere Zeit etwas zu kurz. Es wäre schön, wenn Rucka hin und wieder auch das Messer in dieser Wunde wenden würde. Nichtsdestotrotz ist und bleibt Lazarus auch nach diesem fünften Band eine der besten dystopischen Serien aktuell.
Eine Leseprobe findet ihr wie immer auf der Verlagsseite zum Buch bei Splitter.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index…