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Mister Hyde vs. Frankenstein

Mister Hyde vs. Frankenstein - Tribe Online MagazinAus dem großen Vorlagen-Fundus des zu Ende gehenden 19. Jahrhunderts hat sich Autor Dobbs zwei weitere Klassiker ausgesucht und diese in einem zwei Bände umfassenden Comic kombiniert. Das neue Splitter-Double (beide Original-Bände in einem Buch) lässt Dr. Jekyll bzw. dessen zweites Ich Mr. Hyde und Frankenstein aufeinandertreffen…

Für die Hausangestellten — Butler Poole und Haushälterin Faustine Clerval — ist es kein einfacher Job. Doktor Henry Jekyll, der Hausherr, schließt sich die meiste Zeit in seinem Labor ein, kümmert sich um seine Forschungen, und wenn man ihn dann mal sieht, kann er sehr launisch sein. Seine Forschungen drehen sich um den “Dualismus des Individuums” — der menschliche Körper beherbergt gleich zwei Persönlichkeiten, so seine Theorie, wegen der er schon belacht und aus der prominenten Royal Society ausgeschlossen wurde.
Außerdem ist die Lage gerade besonders angespannt, denn eine dringend erwartete Chemikalien-Lieferung der Firma Walton lässt schon viel zu lange auf sich warten. Noch nicht einmal ein Lebenszeichen ist aus der Schweiz zu bekommen. Also beschließt Jekyll selbst mit Clerval als Begleitung nach Schaffhausen zu reisen.

Mister Hyde vs. Frankenstein - Vorschau Seite 9 - Tribe Online Magazin

© für die deutsche Ausgabe: Splitter Verlag

Unterwegs und beim Zwischenaufenthalt in Paris wird langsam aber sicher klar, dass Jekyll längst nicht mehr der alte ist. Sein Körper ist um einiges muskulöser geworden, vor allem fällt aber auf, dass er immer wieder zu primitiven Gewaltausbrüchen neigt — zu denen er von herbei haluzinierten, schwarzgekleideten Personen gedrängt wird, wie er später Sigmund Freud berichten wird.

In Schaffhausen angekommen, erzählen die Einheimischen von unheimlichen Geschehnissen auf dem Firmengelände von Walton und von einem “Böggelmann”, der dort sein Unwesen treiben soll. Und tatsächlich: es stellt sich heraus, dass das zusammengebastelte Frankenstein-Monster Waltons Geschäftsgrundlage war und dieses bedingt durch den Stromausfall entkommen konnte…

In der Story von Autor Dobb (“Scotland Yard”) sind natürlich Robert Louis Stevensons Novelle “Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde” aus dem Jahr 1886 und der Roman “Frankenstein oder Der moderne Prometheus” von Mary Shelley aus dem Jahr 1818 vereint. Sie vermengt so die Machenschaften zweier sich irgendwie ähnelnden, zum Wahnsinn tendierenden Forscher — auch wenn die beiden gar nicht in der selben Zeit tüftelten. Gelöst wurde das, indem Jekyll eben nicht auf Viktor Frankenstein selbst, sondern auf dessen “Forschungsergebnis”, seine zum Leben erweckte Kreatur trifft.
Dabei legt es Jekyll geradezu darauf an, sein böses Alter Ego immer weiter zu optimieren. Die Frage ist: welche Möglichkeiten werden sich einem vernarrten Forschergeist wie Dr. Jekyll erst bieten, wenn er Zugriff auf Frankensteins Erkenntnisse erlangt?

Mister Hyde vs. Frankenstein - Vorschau Seite 11 - Tribe Online Magazin

© für die deutsche Ausgabe: Splitter Verlag

Doch die beiden Klassiker bleiben nicht die einzigen Zutaten. Zu Beginn tötet Faustine Clerval in Whitechapel einen gewissen Joseph Merrick, der damals als Elefantenmensch bekannt wurde. Der Ort des Geschehens und die Tatsache, dass der gewalttätige Mr. Hyde im späteren Verlauf ähnliche Deformierungen erleidet, lassen annehmen, dass Dobbs hiermit die (damals tatsächlich aufgekommene) Theorie bedienen wollte, dass Merrick der berüchtigte Serienkiller Jack The Ripper war.

Optisch von Zeichner Antonio Marinetti solide und sehr kontrastreich in Szene gesetzt und anschließend von Virginie Blancher nur leicht koloriert, ist “Mister Hyde vs. Frankenstein” ein sehr intelligent aufgebauter Comic, der aber auch sehr aufmerksam gelesen werden muss, da so manches zum Verständnis wichtige Detail sonst unentdeckt bleibt. Leider sind die Sprünge in der Story hin und wieder etwas abrupt und manche Szene ist nur mühsam zu verstehen.
Eine zweite Leserunde lohnt sich aber in jedem Fall. Dobbs’ klug und unterhaltsam konstruiertes Literatur-Mashup mit einigen Verschachtelungen, einigen Seitenreferenzen ins übrige viktorianische Zeitalter und jeder Menge Geduld für die Entwicklung der Figuren sorgen dafür, dass die genannten Negativpunkte schließlich nicht so sehr ins Gewicht fallen.

Eine Leseprobe mit ein paar Seiten findet ihr auf der Seite zum Buch beim Splitter-Verlag.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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