Nameless
Der riesige Asteroid “Xibalbá” rast mit ebenso riesiger Geschwindigkeit direkt auf die Erde zu. 22km lang, 10km breit, 80.000km/h schnell — Kollisionskurs! Anders als im 1998er-Kinofilm “Armageddon” soll hier nun ein privates Unternehmen den Brocken allerdings auf gleiche Art und Weise an der Erde vorbei lenken: mit einer per bemannter Mission angebrachten Sprengladung. Was für den Leser zunächst wie das eigentliche Problem aussieht, wird aber schnell zur Nebensache. Das wirkliche Interesse des Unternehmens, und der Grund warum überhaupt der Okkultismus-Experte Nameless in das Experten-Team geholt wird, liegt mehr in einer Mission zur Erforschung des steinigen Geschosses. Denn auf dem Asteroiden ist eine fünf mal ein Kilometer große Glyphe gezeichnet: “Das Tor von Az”.
Das kann einem jetzt ein Begriff sein, oder eben auch nicht — wahrscheinlich letzteres. Bei Nameless schrillen jedenfalls sofort die Alarmglocken. Denn das Zeichen stammt aus der Maya-Kultur und bedeutet “Tür zum Anti-Universum” und steht nach dem Glauben der Maya für den Eingang zur Unterwelt (Xibalbá). Nur kurz später findet sich der irgendwie neugierig gewordene Nameless zunächst auf dem Weg zu einer Mond-Basis und von dort zu einer Erkundungsmission zum Asteroiden.
Dass dabei nicht alles so verläuft wie es soll und so ist wie es erscheint, versteht sich natürlich von selbst…
So viel zum Gerüst der Story, an der man sich als Leser förmlich festzuklammern versucht und doch immer wieder scheitert. Denn der zeitlich (natürlich) nicht linear erzählte Comic lässt die Realität mit albtraumartigen Szenen verschmelzen und den Leser immer wieder ratlos staunen und rätseln, was da eigentlich gerade passiert. Soll heißen: Es geht um mehr als um Indiana Jones im schicken Astronauten-Anzug. Nur lässt sich das alles kaum in Worte fassen… ein wilder, creepy LSD-Trip, irgendwie. Maya-Mythologie meets lovecraft’schen Horror meets das schon erwähnte “Armageddon”. Oder wie es eine der Figuren im Buch ausdrückt: “Das ist echt ‘ne Mischung aus ‘Der Exorzist’ und ‘Apollo 13’!”.
Den größten Verdienst an der Trip-artigen Fieber-Traum-Wirkung haben natürlich die von Burnham unkonventionell wie stark umgesetzten Zeichnungen. Das umfangreiche Buch, übrigens mit schickem Präge-Cover (die Glyphen sind etwas hervorgehoben), umfasst sechs Kapitel — entsprechend der Stück für Stück erschienenen US-Originalausgaben, deren Cover und Variant-Cover im Bonus-Teil auch gezeigt werden. Dort findet sich außerdem noch ein umfangreicher Text von Morrison, der ein paar Hintergründe zu den Geschehnissen erläutert. Aber selbst mit diesen “Schlüsseln zum Abgrund in Nameless” ist es nicht gerade so, dass sich plötzlich alle Fragezeichen im Hirn des Lesers auflösen. Interessant aber allemal. Außerdem erläutert Kolorist Nathan Fairbain noch die Arbeitsschritte an Hand eines der Covers und und von Zeichner Burnham werden ein paar Roh-Materialien gezeigt.
“Wir wollten etwas schaffen, das mehr wie ein Gedicht oder Musik wirkte als wie ein Film oder eine TV-Serie.”, so die Erklärung der Autoren. Aus dem interessanten Ansatz ist durchaus etwas extrem Wirkungsvolles entstanden. Man muss sich allerdings davon freimachen, alles bis ins Detail verstehen zu wollen.
Empfohlenes Lesealter (lt. Buchrücken): 16+. Eine Leseprobe findet ihr auf der Verlagsseite zum Buch bei Cross Cult.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index…