Neil Young: Greendale
Mal ehrlich… Welche Art Graphic Novel könnte für ein Review bei uns passender sein als eine wie diese?! “Greendale” war 2003 zunächst ein Konzeptalbum von Neil Young, das zusammen mit seiner Band Crazy Horse eingespielt wurde. Darauf folgte nach einer gleichnamigen Tour auch ein Buch mit Lyrics, Bildern und Informationen und schließlich sogar ein Film.
2010 brachte der DC-Ableger Vertigo dann die Originalfassung der Graphic Novel in die Regale. Bei uns gibt es nun über Panini die deutsche Ausgabe davon.
Genau wie die auf zehn Songs angelegte “Rock-Oper” dreht es sich im Comic “Greendale” um ein gleichnamiges, fiktives Städtchen in Nordkalifornien und dessen Bürger. In der Art einer Parabel wird aus dem alltäglichen Leben einiger Einwohner erzählt, vor allem aber von der jungen Sun Green, ihrer großen Familie und ihrer besonderen und fabelhaften Naturverbundenheit. Letztere haben alle Green-Frauen gemein, weshalb sie auch alle entsprechende Vornamen bekommen haben. Suns früh verstorbene Schwester hieß beispielsweise Luna (Mond). Auf dem in den Buchdeckeln abgedruckten Stammbaum finden sich aber u.a. auch noch Ciela (wohl an span. “cielo” = “Himmel” angelehnt), Sky, Misty und Sea.
Es ist der Tag vor dem Angriff der USA auf Bagdad. Sun lebt eigentlich ein recht normales Leben einer Achtzehnjährigen. Sie geht zur Schule und besucht danach gerne ihren demenzkranken Opa. In ihrer Freizeit versucht sie sich als Anti-Kriegs-Aktivistin und beginnt gerne mal Diskussionen über unnötigen Fleischgenuss. Allerdings sind da auch ihre seltsamen Träume und die besondere Beziehung zu Pflanzen und Tieren, deren Bedeutung Sun nicht so recht einzuordnen weiß.
Als Sun plötzlich dem Teufel in Person eines Hut tragenden, Mundharmonika spielenden, dunklen Typen begegnet – es fällt sofort eine gewisse Ähnlichkeit mit Neil Young auf – gerät die ganze Kleinstadtidylle aus den Fugen. Suns Cousin Jed, kommt bei einer Fahrt als Drogenkurier in eine Polizeikontrolle, fällt in einem genauso ausweglosen wie unüberlegten Moment den falschen Entschluss und bringt dadurch so einiges durcheinander…
Über das Album wurde viel diskutiert. Einige hielten es für musikalisch wenig originell und Neil Young nicht würdig. Andere feierten es als das komplette Gegenteil. Genauso polarisierte auch die dahintersteckende, einfache Erzählung, deren Naivität und Idealismus so manchem „zu viel des Guten“ war.
Das wird natürlich bei dieser Graphic Novel nicht anders sein. Und ein Stück weit kann ich diese Vorbehalte schon auch teilen. Andererseits werden das einfache Kleinstadtleben, die ganzen Abhängigkeiten der Geschehnisse und Ursache und weitreichende Wirkung spannend und kurzweilig erzählt. Nur vom Ende hätte ich mir etwas mehr erwartet.
Mit Chiang hat Neil Young außerdem einen Zeichner gefunden, der seine Story adäquat in Bilder zu fassen wusste. Wie dieser in einem Interview verriet, hatte er auch die Idee, kleine, nebensächliche Referenzen in die Zeichnungen einzubauen, die wohl nur den eingefleischtesten Young- bzw. Greendale-Fans auffallen dürften – ob es nun eine in einem Stück erwähnte, schwarze Katze ist, eine Band, die in der Kneipe auftritt oder ein Buick Roadmaster, den Neil Young als erstes Auto fuhr.
Darüber hinaus erzeugen die größtenteils blassen und wenig kontrastreichen Farben von Dave Stuart fast den Eindruck, man würde ein etwas in die Jahre gekommenes Familienalbum aus den 70ern durchblättern. Ein Effekt, der perfekt passt.
Unter dem Strich ist schwer zu sagen, für wen “Neil Young: Greendale” zu empfehlen ist. Für Fans des “Godfather of Grunge” sowieso – sofern sie mit dem Album keine Probleme hatten. Ansonsten muss man schon etwas abgehärtet sein, was naive Hippie-Romantik angeht. Sagen wir es so: wenn ihr ein bisschen neugierig geworden seid, dann solltet ihr mal einen Blick ins Buch werfen. Mir hat es, wie gesagt, gut gefallen.
Eine Online-Leseprobe mit den ersten Seiten findet ihr hier bei mycomics.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index…