Revival 03: Ein ferner Ort
Zunächst hatte man den Erweckungstag in Wausau, Wisconsin, als eine Art Geschenk Gottes gesehen. Als etwas Positives jedenfalls, denn wenn verstorbene Verwandte und Freunde plötzlich wieder auftauchen, und das scheinbar so, als wäre nie etwas passiert, dann ist das meist schon ein Grund zur Freude.
Das mit der Freude hatte sich aber schnell gelegt – und wir sind mittlerweile beim dritten Band der düsteren Comic-Reihe angelangt (an dieser Stelle der Verweis auf die anderen beiden Vorgänger):
Die ländliche Kleinstadt steht nun schon seit einiger Zeit unter Quarantäne. Immer wieder gibt es neue Arbeit für die Polizei, und immer mehr Bürger spüren, dass die Erweckten eben doch nicht mehr ganz die Alten sind.
Jordan, das kleine Mädchen, fühlt sich zu den Lichtgestalten hingezogen und schneidet sich zum Schrecken der Eltern, scheinbar nichts spürend, plötzlich die Augenlieder aus dem Gesicht, um Gott sehen zu können. Schließlich landet sie in einem Internierungslager für Erweckte. Die Journalistin May Tao versucht währenddessen, etwas über den Verbleib der Check-Brüder herauszubekommen, die zuletzt mit Leichenteilen gehandelt hatten – als Leser kennt man deren Schicksal ja bereits. Und Dana ermittelt immer noch, wer für den Tod ihrer erweckten Schwester Martha verantwortlich gewesen sein könnte.
In der Zwischenzeit haben die Behörden eine Theorie, wie zu den merkwürdigen Geschehnissen gekommen sein könnte. Viel interessanter ist aber das, was man von Martha über die Lichtwesen erfährt – und was diese wohl mit den Erweckten zu tun haben…
Antworten auf die drängenden Fragen? Man könnte es meinen! Man könnte meinen, man bekäme langsam eine Idee. Und trotzdem bleibt eigentlich alles unklar…
Die Reihe punktet nach wie vor mit einer ungeheuren Vielschichtigkeit und Vielseitigkeit und der Erzählweise, die immer einige Geschehnisse parallel erzählt. Hin und wieder blitzt in den Bildern von Mike Norton purer Horror hervor, und mit den herumschwirrenden Geistern auch ein Hauch Mystery. Hauptsächlich bewegt sich die Story aber zwischen Krimi und Drama.
Beide diese Teile vereint vor allem die ursprünglich zentrale Figur Dana Cypress. Immer wieder geht es um ihre persönlichen und familiären Beziehungen zu Ex-Mann Derrick, Vater Wayne, Freund Ibrahaim, Sohn Coop und zur Schwester Martha, genannt “Em”.
Em hat sich aber mittlerweile zum interessanteren Charakter – eigentlich hin zur Hauptfigur – gewandelt. Vor allem, weil sie cooler wirkt, ihre Rolle mehr Tiefe zeigt und man an ihr als Erweckte eine schleichende Veränderung feststellt. Rückblickend scheint diese Entwicklung hin zum Mittelpunkt nur logisch, ist “Em” doch schließlich auf allen bisherigen Covers zu sehen.
Ein nette Sache ist auch die Musikverbundenheit der Reihe. Im Review zum ersten Band habe ich schon auf den Soundtrack von Sono Morti verwiesen. Aber auch sonst sind immer wieder Referenzen zu finden. Zum Beispiel ein Zitat aus einem Biohazard-Song in Band 2 oder ein Konzertbesuch bei der interessanten Hip-Hop-Truppe Doomtree aus Minneapolis, der in diesem dritten Band eingebaut ist. Wer Freund des Genres ist, dürfte übrigens an dem in dieser Konzert-Szene verbauten, unverbraucht klingenden Stück “Beacon” (siehe eingebetteter Player unten) und dem Album “No Kings” Spaß haben.
Schon der erste Band der Reihe war überzeugend. Trotzdem: “Revival” entwickelt sich immer mehr und wurde bisher mit jedem Band interessanter! Da man seit diesem dritten Buch mittlerweile das Gefühl hat, die Bedeutung der Lichtwesen etwas verstanden zu haben und man sich daraus auch ein paar Theorien um die Erweckungen spinnen kann, wir es spannend sein, wie Tim Seeley die Story mit der vierten Ausgabe (“Flucht aus Wisconsin” ab August 2015 bei Cross Cult) weiterführen wird.
Eine Leseprobe mit ein paar Seiten bekommt ihr, wie immer, bei Cross Cult auf der Verlagsseite zum Buch.