Silas Corey 01: Der Aquila-Ring
Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ist der erste Weltkrieg und damit der Kampf an der Front zwischen Frankreich und Deutschland in vollem Gange. Die Armee Frankreichs allerdings ist stark geschwächt. Während in Paris der amtierende Premierminister Joseph Caillaux den Frieden im Sinn hat, sägt sein größter Widersacher Georges Clemenceau an dessen Stuhl. Dazu beschäftigt der Inhaber der Zeitung “L’Homme Enchaîné” eigens investigative Journalisten wie z.B. Hector Casella, die die notwendigen Leichen im Keller Caillaux’ aufdecken sollen.
Als Casella während einer Recherche-Arbeit verschwindet, schaltet Clemenceau einen alten Bekannten, den ehemaligen Journalisten und Ex-Soldaten (“Blei-Allergie”) Silas Corey ein, der sich mittlerweile als Detektiv selbständig gemacht hat. Clemenceau geht es aber in erster Linie natürlich nicht darum, Casella zu finden. Viel mehr liegt sein Interesse auf einer Postkarte, die Casella kurz vor seinem Verschwinden aus einem öffentlichen Briefkasten entwendet hatte. Diese nämlich könnte tatsächlich zum Fallstrick für Caillaux werden.
In seiner smarten aber etwas hochnäsigen Art hat Corey zwar einige Ähnlichkeiten mit Sherlock Holmes. Er macht seinen Job allerdings eher des Geldes wegen. Und das mit ziemlicher Abgebrühtheit: Zuerst leiert er Clemenceau eine üppige Bezahlung aus dem Kreuz, dann lässt sich nur wenig später auch noch vom Geheimdienstchef Colonel Ledoux und der Industriellen Madame Zarkoff, eine Waffenhändlerin, die mit allen Kriegparteien Geschäfte macht, einspannen — ebenfalls gegen ein gutes Gehalt versteht sich. Und beide haben nicht gerade vor, mit Clemenceau an einem Strang zu ziehen.
Bei den Ermittlungen wird Corey schnell klar, dass das Objekt der Begierde nicht die Postkarte an sich ist, sondern die geheimnisvolle Briefmarke mit der sie frankiert wurde. Und, dass Corey vor allem einen Gegenspieler hat: den deutschen Spion Aquila, der mit seinem mächtigen Netzwerk auf brutale Art und Weise ebenfalls versucht, diese Briefmarke an sich zu reißen und zu an ihren Bestimmungsort zu bringen…
Nury hat die Geschichte mit zum Teil realen Personen und Ereignissen intelligent und herrlich verstrickt aufgebaut und legt den Fokus mal auf kleine Ermittlungs-Details und mal auf das große politische Ganze in der Zeit des Krieges. Zudem ist auch immer wieder rasante Action geboten — einer der Höhepunkte sicher die heikle Übergabe in einem pariser Nobelkaufhaus, bei der so ziemlich alle aufeinandertreffen.
Grafisch wurde der Comic, zumindest was die Charaktere angeht, leicht karikaturistisch umgesetzt. Ähnlich wie die Story selbst, bewegen sich die Zeichnungen daher immer zwischen Ernsthaftigkeit und einem gewissen Humor. Zumindest was die Geschichte angeht, würde ich allerdings meinen, dass die Ernsthaftigkeit insgesamt überwiegt.
Im Übrigen ist auch der Charakter des Protagonisten nicht unbedingt ein in allen Belangen ganz sympathischer. Die Figur ist wesentlich interessanter, als das zunächst erscheint und hat definitiv mehr zu bieten als den pfiffigen Dandy mit guter Spürnase. Aber auch sein Handlanger, der Vietnamese Nam sorgt mal für ein Schmunzeln und ist gleichzeitig aber ein knallharter Haudrauf für’s Grobe.
“Silas Corey 01: Der Aquila-Ring” würde so, wie das Nury und Alary hier zeigen, sicher auch gut als Film oder als Serie funktionieren. Großes Kino, sozusagen. Die große Anzahl der beteiligten Personen in diesem Spiel verwirrt möglicherweise zunächst ein bisschen und man muss schon sehr aufmerksam und möglichst zusammenhängend lesen, um nicht den Faden zu verlieren. Bei der klugen und runden Story lohnt sich das aber natürlich allemal.
Als Splitter Double enthält das Buch beide zusammenhängende Kapitel der französischen Originalausgabe. Etwas besonders ist bei diesem Double, dass es eine ganze Reihe an Corey-Doubles geben wird. Das zweite Buch (mit Band 3 und 4 des Originals) wird bereits im Juni im Hause Splitter erscheinen.
Eine Leseprobe mit ein paar Seiten findet ihr wie immer auf der Seite zum Buch bei Splitter.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index…