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Trees 01 – Ein Feind

Sind wir alleine oder gibt es andere intelligente Lebensformen in den Weiten des Universums? Nun gut… Die einen sagen so, die anderen so. Möglicherweise muss die eigentliche Frage ja aber auch lauten: Diese anderen Lebensformen… halten die uns denn auch für intelligent?
Die britische Comic-Größe Warren Ellis (“Transmetropolitan” uvm.) lässt in seiner neuen Serie “Trees” Außerirdische auf der Erde landen, die uns scheinbar für ziemlich uninteressant halten. Jedenfalls legen diese “Bäume”, riesige Stämme, die weit in den Himmel ragen, schon seitdem sie vor zehn Jahren in den Erdboden gerammt sind so gar keinen Wert auf Kommunikation. Kein “Wir kommen in Frieden!”. Keine Offensive à la “Mars Attacks!”. Einfach nichts! Haben die wirklich kein Bedürfnis, sich mit uns zu beschäftigen oder vielleicht einfach nur ein ganz anderes Verständnis von Zeit?
Die Menschheit ist jedenfalls zum Zuschauen verdammt. Denn man hat es durchaus in Erwägung gezogen, sich der Invasoren zu entledigen, musste aber feststellen, dass atomare und biologische Waffen in der Umgebung der Bäume wirkungslos werden.

© Cross Cult

In diesem Setting und in vielen kurzen Szenen im Schatten der Bäume spinnt Ellis einige Handlungsstränge an vielen Schauplätzen rund um die Erde: Rio, New York City, Mogadischu, China, Sizilien und Spitzbergen.
Der Präsident von Somalia will den Baum militärisch nutzen, um Druck auf Puntland auszuüben. Im sizilianischen Cefalù hat der Baum ein Machtvakuum erzeugt, was den Einfluss der Mafia-Organisationen angeht. Das will eine Faschisten-Gang nutzen, merkt aber nicht, dass die Freundin des Anführers sich als mehr als nur als Zierde definiert. Währenddessen zieht in China ein Landei (“aus dem Dorf Schweinescheiße in der malerischen Provinz Inzest”) in die wilde Künstler-Großstadt “Shu City”, die als abgeschottete Sonderkulturzone um den dortigen Baum herum entstanden ist.

Wenn es aber so etwas wie einen Hauptstrang gibt, dann es ist wohl der in Spitzbergen. In der “Blindhailstation” findet der Forscher Marsh zufällig schwarze Mohn-ähnliche Blumen, die sogar in Metall und im Permafrost Wurzeln schlagen. Da seiner Meinung nach ausgeschlossen ist, dass die Blumen auf anderem Weg an diesen abgelegenen Ort gekommen sind, geht er davon aus, dass sie mit dem Baum in Verbindung stehen. Die anderen Forscher halten ihn deswegen für einen nervigen Spinner, aber… Sind die Bäume demnach vielleicht doch nicht so inaktiv wie es scheint?

© Cross Cult

Mit den vielen verschiedenen Orten, an denen sich verschiedenste Geschichten um verschiedene Figuren entwickeln hat “Trees” ein bisschen etwas von “Sense8” — auch wenn inhaltlich absolut nicht vergleichbar. Dazu ist aber auch die Erzählgeschwindigkeit ähnlich gemächlich. So gemächlich, dass man sich am Ende fragt, was denn nun eigentlich wirklich für das große Ganze Relevantes passiert ist.
Es ist aber so, dass all das wirklich sehr, sehr gut erzählt wird. Irgendwie schafft es Ellis, auch ohne spektakuläre Action, und ohne viel über die Zielrichtung zu verraten, den Leser freudig am Blättern zu halten. Und schließlich hat man doch das Gefühl, dass sich die Spannung langsam immer mehr steigert.

Gute Science-Fiction ist immer Social-Fiction, in der die Zukunft ein Mittel ist, die Gegenwart zu untersuchen”, schrieb Warren Ellis im Vorwort zum Comic “Lazarus” von Greg Rucka. Und das setzt er hier selbst um. Bis hierher steht schließlich nicht der Konflikt mit den Aliens im Mittelpunkt. Es geht hier wohl ebenso sehr auch darum, wie die Präsenz der Bäume die Lebenswirklichkeiten der Menschen rund um den Globus langsam verändert hat und noch verändert. Darin verarbeitet Ellis, mal mehr mal weniger offensichtlich, Themen wie Polizeistaat, Homosexualität und Transgender, Ungleichheit und Feminismus.

Bisher lässt sich das Ganze wirklich schwer einordnen, und trotzdem — oder vielleicht auch ein Stück weit deswegen — hat es seinen Reiz. Wer auf große Action steht, oder klar erkennen möchte wohin die Geschichte führen will, wird aber vermutlich enttäuscht sein. Alle anderen dürfen gespannt sein, wie sich die Story — oder besser: die Stories mit dem zweiten Band (“Zwei Wälder”) entwickeln werden. Der ist schon für März angekündigt.

Eine Leseprobe der ersten paar Seiten findet ihr auf der Verlagsseite zum Buch bei Cross Cult.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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