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Marc-Uwe Kling – QualityLand

Persönliche, digitale Assistenten, die sich praktischer Weise direkt im Ohr einnisten, ein Bezahlsystem, das mit einem Kuss auf den Bildschirm des eigenen Tablets Zahlungen autorisiert, ein allwissender Shop, der den Kunden unaufgefordert das liefert, was sie brauchen, eine Partnervermittlung, die weiter denkt und die Beziehung notfalls mit neuen Partnern optimiert. Dazu ein gesellschaftliches Punktesystem, das Privilegien und Gängelung nach Punktestand vergibt. Das ist QualityLand. Das beste, was die Zukunft zu bieten hat.

Es läuft nicht so toll für Peter Arbeitsloser. Sein Gebrauchtwarenladen mit Schrottpresse stagniert auf niedrigem Niveau, und da er auch mit der Selbstoptimierung nicht gerade übertreibt balanciert seine Existenz auf dem schmalen Grat zwischen leistungsschwach und nutzlos. Das kostet ihn seine Beziehung zu Sandra Admin, die auch nicht gerade von Leidenschaft geprägt ist.

Als Betreiber einer Schrottpresse ist der weichherzige Peter denkbar ungeeignet und versammelt deshalb eine recht illustre Schar an KI-gesteuerten Elektrogeräten mit Defekten: Den Kampfroboter Mickey, der unter einem Kriegstrauma leidet, die Drohne Carry mit Flugangst, das eigensinne QualityPad Pink und ein Sex-Androide mit Erektionsstörung. Als die E-Poetin Kalliope 7.3, eine androide Romanautorin mit Schreibblockade, die Runde komplettiert und Peter von TheShop mit einem nach seinen Begriffen unpassenden Delfinvibrator überrascht wird ist für ihn klar, dass in seinem Leben etwas gewaltig falsch läuft. Es beginnt ein Kampf gegen die Windmühlen von Algorithmen, den allgemeinen, bedingungslosen Konsum und die Anpassung an ein System, in der alles menschliche ein unberechenbarer Störfaktor ist, letztendlich aber doch auch Fehler produziert. Hier geht es schließlich nicht um eine Falschlieferung, es geht ums Prinzip (eine gängige Begründung für Pyrrhusssiege).

Peter Arbeitsloser ist in QualityLand so etwas wie der Dude in The Big Lebowski: Antriebslos und doch mit Verstand und Haltung, ein sympathischer Antiheld, der bei allem Slackertum erstaunlich viel Energie freisetzt, um zu seinem Recht zu kommen.

Das Szenario von Qualityland ist sehr eindrucksvoll beschrieben. Zufälle existieren nicht mehr. Alles wird berechnet. Der Mensch konsumiert die auf seine Interessen zugeschnitten Nachrichten, liest Romane, die sich seinen Bedürfnissen anpassen, bekommt Restaurants empfohlen, die seinem Verdienst und seinem gesellschaftlichen Stand entsprechen. Jeder Einwohner von Qualityland befindet sich in der eigenen Filterblase, beziehungsweise ist das Produkt derselben.

QualityLand skizziert einen Orwell-Staat, der die düsteren Visionen von 1984 übertrifft, Story und Dialoge bleiben aber skurril und komisch. Leider sind viele Ideen aber gar nicht so weit hergeholt, beim Gedanken an die Vorschläge des eigenen Amazon-Kontos, der Suchmaschinen oder der Facebook-Timeline, an Rabatt- oder Bewertungssystemen bleibt einem das Lachen oftmals im Halse stecken.

QualityLand ist toll beobachtet, vielschichtig und durchdacht, ist Dystopie, Satire und Comedy. Mit den Werbeeinblendungen und Forum-Kommentaren ist eine schlüssige, unterhaltsame  Technofabel gelungen.

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Über den Autor des Beitrags

Chris

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