Festivalbericht/Fotos: Baden in Blut 2017
Der rote Abendhimmel brennt, geht in Flammen auf und untermalt die Show der Bay Area Thrasher DEATH ANGEL als wäre dies im Vorhinein abgesprochen worden. Überall krebsrot gebrannte Nacken, die sowohl der Brutalität der Double-Bass-Salven, als auch der Schonungslosigkeit der tiefstehenden Sonne zum Opfer fallen. Was nach Leiden im Fegefeuer klingt, ist in Wahrheit pures Glück. Man spürt in jeder Sekunde worum es hier geht: Die seltenen Orte zu wahren, an denen man voll und ganz Fan sein kann. Das Baden in Blut ist so ein Ort – von Fans für Fans, unkommerziell und familiär. Sogar Seife gibt es hier. Ein echtes 5-Sterne Festival!
Etwa 9 Stunden vorher ist dieses aufgeregte Spektakel noch nicht zu erahnen. Eine explosive Bassrückkopplung der PA löst die Alarmanlage eines Combis aus. Mit tobendem Gelächter wird dies durch das rar gesäte Publikum als bisheriges Highlight des Festivals honoriert. Diese Situation deutet leider auch den Fluch des Openerslots voraus: Firtan haben nämlich zu Beginn mit enormen Soundproblemen zu kämpfen. Dennoch, der vermeintliche „Local Act“ (nach den zahlreichen europaweiten Festivalauftritten der letzten Zeit darf man die Lörracher wohl nicht mehr so bezeichnen) reagiert souverän, professionell und mit Humor. Die Band bedankt sich mit der Uraufführung des brandneuen Songs „Uferlos“ für einen warmen Empfang. Man darf auf mehr gespannt sein. Starkes Set.
Galerie: Firtan
Nahtlos verläuft der Festivalmittag über eine kompromisslose Show des schwäbischen oldschool Death-Metal-Geheimtipps Revel In Flesh hin zu den Lieblingen eines jeden Albumkritikers Harakiri For The Sky. Die Melancholiker aus Österreich sind keine Band des großen Entertainments und das ist gut so. Introvertiert und authentisch liefert das Selbstmordkommando eine Darbietung für Musikliebhaber und sorgt für kollektives Kopfnicken.
Galerie: Revel In Flesh
Galerie: Harakiri For The Sky
Bei dem Umbau für Mantar entstehen dann aber größere Verzögerungen, für die sich die beiden Doom-Punk-Chaoten allerdings sympathisch entschuldigen und als Dank – auch für eine unglaublich energetische Performance – den ersten Mosh-Pit des Festivaltages ernten. Ein Blick auf die Running-Order zeigt, dass nach Mantar ein 40-minütiger Zeitrückstand vorliegt. Auf diesen Umstand reagiert die ehrenamtliche Festivalorganisation äußerst souverän – straffe Umbauzeiten und gleichermaßen fair gekürzte Sets gewähren einen reibungslosen Ablauf, von dem sich so manches größere Festival ein Scheibchen abschneiden könnte.
Galerie: Mantar
Wenn 500 Menschen „AHU, AHU, AHU!“ schreien ist heutzutage nicht mehr Krieg, sondern HHhhhHeidevolk spielen ihren Song „Vulgaris Magistralis“. Das Festivalgelände füllt sich immer mehr – was für eine spaßige Party.
Galerie: Heidevolk
Für Spaß hat Krisiun Frontmann Alex Camargo allerdings wenig übrig und läutet die Great Execution ein. Diesen wunderbaren exotischen Charme werden die Brasilianer auch nach 25 Jahren einfach nicht los: „We play Metal and we play it fast!“
Galerie: Krisiun
Schnell spielen? Das machen Moonspell bekanntlich nicht. Dennoch entgleisen so manchem Besucher schnell die Gesichtszüge, als Fernando Ribeiro seine Laserhandschuhe auspackt. Ein sehr fragwürdiges Showelement steht im Gegensatz zu einer absolut nicht fragwürdigen tollen Show. Der einbrechende Sonnenuntergang begleitet nun den inoffiziellen Headliner des Festivals. Die Bierbänke außerhalb des Bühnenbereiches sind nur noch halb gefüllt und das Festivalgelände wird von einem Meer aus Pommesgabeln gesprengt.
Galerie: Moonspell
Death Angel überzeugen so heftig, dass man sich fast flehend vor dem Mischpult positionieren möchte, um den amerikanischen Tonmann um eine massive Lautstärkenanpassung zu bitten. Mutig hier: Die Thrasher haben old-school Status und spielen als finalen Song ausgerechnet eines ihrer allerneusten Werke „The Moth“. Unglaublich, dass das bei einem Publikum funktioniert, das sonst eher unaufgeschlossen gegenüber Neuerscheinungen im Metal reagiert.
Galerie: Death Angel
Genau dieses Publikum wird der modernen Metalcore-Formation Caliban nämlich zum Verhängnis. Vereinzelte „Emos!“-Sprechgöre und nahezu unheimliche Ruhe zwischen den Songs sorgen für eine leicht unbehagliche Atmosphäre – und das auch noch beim Headliner des Festivals. Die Band um Mastermind Marc Görtz kann die Situation allerdings einschätzen und geht sympathisch selbstironisch damit um, sodass zumindest die ersten zehn bis fünfzehn Reihen eines etwas geräumten Festivalgeländes komplett durchdrehen. Trotz der kontroversen Reaktionen gebührt Caliban somit der Preis für den größten Pit und die meisten sich in der Luft befindlichen Körper als Reaktion auf die engagierten Animationen durch Sänger Andreas Dörner. Das Stürmen der Bühne zu „Nothing Is Forever“ durch feierwütige Fans bereitet dann aber doch einen versöhnlichen und emotionalen Abschluss eines wunderschönen Festivaltages.
Galerie: Caliban
Während viele große Festivals immer schlechter werden, wird das Baden in Blut immer besser. Einzig bei der etwas unglücklichen Wahl des Headliners besteht Bedarf zur Kritik. Ansonsten brilliert das Festival in Weil am Rhein mit einer unkomplizierten Organisation: Kostenloses Parken, gute Preise für Bier und Verpflegung, ausreichend sanitäre Anlagen und ein insgesamt tolles Billing – mehr braucht ein Metalhead nicht. Nächstes Jahr wieder!
Fotos:Raphaela / Bericht:Murphy
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