Blind Guardian | Z7 Pratteln 04.09.2022

Es gibt so Bands, die scheinen über jeden Zweifel erhaben zu sein. Bands, die schon eine solch lange Geschichte haben, dass ihre Alben zu musikalischen Oldtimern werden. Bands, die schon länger musizieren, als der Autor überhaupt auf dieser Welt wandelt. Eine dieser Bands ist „Blind Guardian“. Seit 1984 musizieren die Krefelder zusammen, da steht also bald das nächste Jubiläum an. Dieses Mal gibt es allerdings den dreißigsten Geburtstag des legendären Albums „Somewhere far beyond“ zu zelebrieren. Ein Album welches von vielen als das weichenstellende Album für „Blind Guardian“ betitelt wird.
Disclaimer:
Der Autor ist selbst gebürtiger Krefelder und könnte dadurch etwas voreingenommen sein.
Das Z7 ist ausverkauft, so stand es schon einige Tage vorher auf allen Plattformen, auch an der Kasse ist es nochmal angeschlagen. Ein paar Tickets wechseln noch unter den Wartenden ihre Besitzer, bevor sich um 19 Uhr die Tore zur heiligen Halle öffnen. Die Schlange ist bereits lang, denn das sich überwiegend im gesetzteren Altern befindende Publikum erscheint überpünktlich, gilt es doch keine Minute zu verpassen. Doch in der knappen Stunde Wartezeit bis zum Beginn der Show mischen sich immer mehr jüngere Gäste unter. „Blind Guardian“ hat keine Fangemeinde, welche sich nur durch eine Altersgruppe zieht. Diese Tatsache festigt den Legendenstatus nur noch mehr.
Pünktlich nach der Tagesschau flammt auf dem weißen Vorhang vor der Bühne ein Video auf. In 15 Minuten werden Szenen aus den jungen Jahren der Krefelder gezeigt, ob im Studio, auf Tour oder teilweise auch im privaten Umfeld. Sie sind kurzweilig geschnitten und unter anderem vertont mit den Bonustracks der „Somewhere far beyond“. So schallt schon jetzt der typische Guardian-Sound durch das zum Bersten gefüllte Z7. Die Zuschauer genießen die ungewohnten Einblicke in das Bandleben. Normalerweise sind die Herren nämlich eher zurückhaltend.
Das merkt man auch direkt, als der Vorhang fällt und die Sechs rund um Frontmann Hansi Kürsch in, wie immer schlichter Garderobe, auf der Bühne stehen. Hansi im schwarzen T-Shirt genießt die Jubelschreie die parallel zu den ersten Tönen von „Time what ist Time“ erklingen. Das Publikum gibt sich textsicher und singt jedes einzelne Wort mit. Die Stimmung ist ohne jede Aufforderung schon am Kochen. Das schlägt sich auch an der Raumtemperatur nieder. Denn trotz geöffneter Hallentore ist es in den ersten Reihen jetzt schon unerträglich heiß.
Hansi betont in der Ersten Ansage, wie sehr er sich freut endlich wieder in Pratteln zu sein, spricht aber auch eines der „größten Probleme der Schweiz“ an. Die drei Hauptsprachen, Deutsch, Französisch und Italienisch beherrscht er leider nicht. Daher wird es nur Ansagen auf dem ihm angeborenen Niederrheinisch geben. Den Autor freuts, der bekommt direkt wieder Heimatgefühle.
Die beiden Gitarristen André Olbrich und Markus Siepen hauen wieder in die Saiten und führen uns melodisch tiefer in dieses Meisterwerk eines Albums. „Black Chamber“ und „Theater of Pain“ sind immer noch unverkennbar und prägend für den Sound der letzten dreißig Jahre.
Stiller wird es wie immer bei „Bard’s Song“. Nicht dass das Publikum keine Lust hätte mitzusingen. Schon auf der ersten Hälfte der „Somewhere far Beyond“, kommt das sonst eher etwas zurückhaltende Publikum im Z7 voll auf Touren. Es wird gesungen, gesprungen, gelauscht und gegrölt. Was auch immer die Kehle her gibt, muss raus. Doch bei diesem einen Song wird es besinnlich. Frontmann Hansi singt die ersten Wörter an, während nur die Akustik Gitarre den Chor aus 1600 Mündern begleitet. Wer die „Guardians“ schon live gesehen hat, kennt das Spiel. So lässt Hansi auch dieses Mal so lange weiter singen, bis der Chor keine Lust mehr hat. Und das dauert!
Die Stimmung hält sich auf diesem Niveau. Auch die Ankündigung, dass man nun durch seit mit dem Album, bremst sie nicht. Die Sechs vom Niederrhein haben natürlich auch noch einiges aus den anderen 37 Jahren Bandgeschichte mitgebracht. Das Potpourri aus Hits wirkt zwar sehr komprimiert, aber liefert genau das, was die Gäste noch hören wollen.
Zu „Lord of the Rings“ wird der Backdrop mit Bildern des einen Rings, Flammen und weiteren zum Thema passenden Projektionen bestrahlt. „Nightfall“ wird vom ersten bis zum letzten Ton mitgeklatscht, und bei „Lost in the Twilight Hall“ die Bühne einmal komplett unter Nebel gesetzt. Die Lightshow ist typisch für „Blind Guardian“ eher dezent, leider ist auch der Sound teilweise nicht so brillant, wie man es von den Krefeldern gewohnt ist. Macht aber nichts, denn wer „Guardian“ bestellt, bekommt sie auch. Den Status, den sich die Band auf eine angenehm zurückhaltende Art erarbeitet hat, lässt das Publikum und den Autor solch kleine Patzer schnell vergessen. Es geht hier immer noch um Musik, die berührt und bewegt. Um Texte und Melodien, die im Ohr bleiben und noch tagelang versonnen gesummt werden.
Den Endspurt läutet „Violent Shadows“, vom einen Tag zuvor erschienenen Album „The God Machine“, ein. Dieses Album könnte ähnlich wegweisend für die weitere Zukunft von „Blind Guardian“ sein, wie das zuvor komplett durchgespielte „Somewhere far Beyond“. Dieses Album definiert wieder einen anderen Stil als die letzten 30 Jahre. Härter, etwas schneller, aber immer noch diese unglaublichen Melodien und Songstrukturen. Man darf gespannt sein, was da noch kommt. Den Prattelner Gästen jedenfalls gefällt es.
„And the Story ends“ markiert, wie der Titel schon impliziert das Ende des normalen Sets. Die Sechs Männer nehmen sich eine kurze Auszeit, sind ja auch nicht mehr die Jüngsten. Dann kehren sie zu den Zugaben zurück, welche auf keinem Konzert fehlen dürfen. Den Anfang macht „Sacred Worlds“ zu dessen Intro sich die Bühne wieder füllt. „Valhalla“ bietet vermutlich einen der besten Refrains zum Mitsingen, welcher außerhalb des Genres der Malle-Schlager jemals geschrieben wurde. Hansi weiß darum und spornt das Publikum immer wieder zu Höchstleistungen an. So kommt es, dass der Refrain in Pratteln auch 5 Minuten nach eigentlichem Ende des Songs noch nicht verhallt ist.
Mit „Mirror Mirror“ erreichen wir nach guten zwei Stunden wirklich das Ende der Show. Langanhaltender Applaus erfüllt das Z7, die Temperatur in der Halle ist locker nochmal um fünf Grad geklettert. Würde man den einen Ring in die Luft werfen, er würde augenblicklich verglühen. Auf der Bühne stehen sechs Herren und Grinsen, allen voran der Frontmann Hansi, welcher auch am heutigen Tag wieder mit kryptischen Botschaften in seinen Ansagen aufwartete. Aber auch das gehört irgendwie dazu, wenn man zu einem „Blind Guardian“ Konzert geht.
Es sind nicht nur die Musiker, die das Lächeln nicht mehr aus den Backen bekommen. Auf dem Weg zum Parkplatz sieht man ausschließlich glückliche Gesichter, egal ob Jung oder Alt. Wenn man genau hinhört, kann man auch hier und dort gesummte Töne vom „Bard’s Song“ oder „Valhalla“ aufschnappen. Die Krefelder haben die Sprachbarriere durchbrochen und einfach mit Ihrer Musik kommuniziert. Von der Bühne ins Herz des Publikums. So geht ein Abend zu Ende, der vielleicht nicht viel Neues aber dafür sehr viel gute Laune gebracht hat.
Setlist:
Time What Is Time
Journey Through the Dark
Black Chamber
Theatre of Pain
The Quest for Tanelorn
Ashes to Ashes
The Bard’s Song (In the Forest)
The Bard’s Song (The Hobbit)
The Piper’s Calling
Somewhere Far Beyond
Lord of the Rings
Nightfall
Lost in the Twilight Hall
Violent Shadows
Time stands Still
And the Story ends
Sacred Worlds (Zugabe)
Valhalla (Zugabe)
Mirror Mirror (Zugabe)