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East Cameron Folkcore
19.07.2016 ZMF, Freiburg

Gestern Aachen, heute Freiburg, morgen Leipzig — da haben East Cameron Folkcore aktuell einige Kilometer zu machen. Für US-Amerikaner, so sagt man, seien das ja aber auch keine Entfernungen. Außerdem ist es ja genau das, was das Kollektiv aus dem texanischen Austin will: am liebsten jeden Tag irgendwo ein Publikum bespielen. Und dass das seit 2013 durch Zusammenarbeit mit Grand Hotel van Cleef auch hierzulande bzw. in Europa möglich ist, dürfte natürlich umso spannender sein. Obendrein wurde die Truppe zu ihrem Gig an diesem Dienstag (19.07.2016) in Freiburg, quasi dem Austin im Texas Deutschlands, auch noch mit feinstem Sommerwetter empfangen.

Zwar lockten die Ü30-Temperaturen und der strahlend blaue Himmel an diesem Abend dann auch viele Besucher auf das Festgelände, den Weg ins Spiegelzelt fanden aber dagegen leider nur wenige. Die Band wartete noch etwas ab, startete etwas später; möglicherweise in der Hoffnung, es würden noch ein paar Gäste kommen, die sich bloß nicht zu früh ins warme Zelt begeben wollten. Irgendwann beschloss man dann doch, mit dem Konzert zu beginnen und die gekommenen Musikfans bestmöglich zu unterhalten.
Wie gewohnt kam zunächst Alexander Heisler auf die Bühne und brachte sein Bedauern darüber zum Ausdruck, dass eine solch großartige Band, wie es East Cameron Folkcore sei, derart wenig Zuspruch in Form gekaufter Tickets bekommt. Es hätte ja aber schon so manches tolle Konzert mit wenig Publikum gegeben, das dann mit fünf Zugaben geendet hätte, fügte Heisler noch an, um damit wohl Band und Publikum gleichermaßen Mut zu machen.

Dann kamen die Musiker auf die mit Instrumenten richtiggehend zugestellte Bühne. Die Band tourt in unterschiedlichen Besetzungen, mal sind “nur” sechs Mitglieder dabei, mal zwei, drei mehr und möglicherweise sogar mal alle zwölf — oder wie viele es auch immer insgesamt sind.
Auf der ja nicht allzu große Spiegelzelt-Bühne platzierten sich schließlich sieben: Jesse Moore, der musikalische Kopf der Band, spielte Gitarre, umrahmt von Phil Patterson (Mandoline, Gitarre) und einer jungen Dame am Keyboard auf der einen Seite und Blake Bernstein (Posaune, Gitarre, Trompete) und Mary Beth Widhalm (Cello) auf der anderen. Der hintere Bereich war für die Rhythmus-Fraktion bestehend aus Eric Lopez am Bass und einem Drummer, den ich, wie die Keyboarderin, namentlich nicht zuordnen konnte [Nachtrag: es dürften James Taylor und April Perez-Moore gewesen sein], reserviert.

Ihre Stücke drehen sich um politische Themen — soziale Ungerechtigkeit, Polizei-Willkür, Überwachungsstaat, Ausbeutung der Natur, … Sie seien aus Wut und Frustration entstanden, liest man im Promo-Text über die Band. Und Jesse Moore wird darin folgendermaßen zitiert: “Es ist nicht so, dass ich keine positiven Gefühle kennen würde. Sie spielten nur keine Rolle. Darüber wollte ich nicht singen.
Dass nun das Freiburger Publikum die Texte sprachlich verstanden hat, darf wohl eher bezweifelt werden. Dazu würde sich natürlich eher anbieten, sich das aktuelle Album “Kingdom of Fear” einmal näher anzugucken. Zu hören war diese Wut und Energie aber definitiv. In die umfangreiche, unkonventionelle und ungeschliffen klingende Verschmelzung von Rock, Folk, Blues und Country mischte sich im weitesten Sinne hier und da auch etwas Punk. Der Gesang, der übrigens hauptsächlich von Bernstein und Moore, aber auch von allen übrigen Akteuren in der vorderen Reihe kam, wurde immer wieder mal richtig bissig und aufrüttelnd.
Dazu passte auch das offensichtlich leidenschaftliche Spielen der Musiker, besonders von Moore und Bernstein, vor allem aber auch von Widhalm, die trotz am Cello sitzender Position herzlich headbangte und mit ganzer Seele mitsang. Ansagen zwischen den Songs oder Erläuterungen dazu gab es dagegen selten, ebenso wenig Interaktion mit dem Publikum. Man bedankte sich mal für’s Kommen, besonders an diesem heißen Tag und streckte zu einem deutschen “Prost!” mal das Bier in die Höhe.

Schließlich nutzte auch Heislers Heraufbeschwörung eines legendären Konzertabends nichts, und die Band beendete ihr Konzert nicht nach fünf Zugaben, sondern nach einer — und nach nur rund 75 Minuten. Ein “magischer Abend” wurde es also leider nicht. East Cameron Folkcore (der Name rührt übrigens von ihrer Nachbarschaft östlich der East Cameron Road in Austin) hatte an diesem heißen Tag und mit starker Konkurrenz (BAP im ausverkauften Zirkuszelt) trotz des fairen Eintrittspreises von unter 20€ einfach einen schweren Stand.
Die Anwesenden haben aber trotzdem ein leidenschaftlich gespieltes Konzert mit — im besten Sinne des Wortes — ganz eigenartiger Musik geboten bekommen.

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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