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Greenville Festival
26.-28.07.2013, Paaren im Glien

Betrachtet man das Line Up, könnte man meinen, beim Greenville Festival handele es sich um eine etablierte, große Nummer. Bei Acts wie Nick Cave & The Bad Seeds, Wu-Tang Clan und die Bloodhound Gang erwartet man doch irgendwie eine riesige, maßlos feiernde Meute. Tatsächlich war es eher so, dass das Gelände locker die doppelte oder gar dreifache Menge an Besuchern vertragen hätte. Und das, obwohl es aus einem eher traurigen Ereignis einen spontanen Zuwachs an Gästen gab. Das am selben Wochenende geplante ostfriesische Omas Teich Festival wurde kurzfristig abgesagt. So kam es, dass Omas Gäste mit ihren Tickets stattdessen das Greenville Festival besuchen durften und so für ein größeres Publikum sorgten.

Zwar war bei den Headlinern der Platz vor den Bühnen einigermaßen ausgelastet, bei den übrigen Acts mussten die Musiker allerdings ungewohnt viel leere Fläche vor sich erblicken. Immerhin, das Festival feierte dieses Jahr gerade mal seinen zweiten Geburtstag. Der Bekanntheitsgrad dürfte daher noch relativ gering sein. Genau das machte dann aber die angenehme, familiäre Atmosphäre aus und das Festival so sympathisch. Fast keine Promo-Stände, die ihre coolen und hippen Produkte unter das junge Volk bringen wollten. Wenn überhaupt Promo, dann waren es überwiegend wohltätige Organisationen.

Organisatorisch war das Festival gut durchdacht. Da es kaum schattige Plätze gab, war man der großen Hitze, die an diesem Wochenende herrschte, gnadenlos ausgesetzt. Dennoch wurden die Temperaturen gut ertragen, was wohl hauptsächlich an den aufgestellten Rasensprengern und den aus Euro-Paletten und Plastikplanen gebastelten Pools lag, die für reichlich Spaß und Abkühlung sorgten. Hin und wieder zeigten sich zwar kleine organisatorische Schwächen. Insbesondere sorgte das Bus-Unternehmen, das den Shuttle-Service richtung Stadt stellte, für großen Unmut, als der Preis plötzlich anstatt wie angekündigt einem plötzlich vier Euro betrug. Alles in Allem konnte man die drei Tage jedoch entspannt genießen. Die beiden größeren Bühnen wurden im Wechsel bespielt, so dass man grundsätzlich keine Kompromisse schließen musste. Einen etwas undankbaren Job hatten jedoch die Bands auf der kleinen Bühne, die die handvoll Zuschauer in der nahezu leeren Halle bespaßen mussten.

Freitag
Den Startschuss zum Festival gab die Berliner Indie-Hip-Hop Band The Love Bülow vor noch sehr kleinem Publikum, gefolgt von Rapper SAM und der Hip-Hop Combo 257ers. Gegen Abend wurde es dann allmählich vor der kleineren Bühne etwas voller, als die Ohrbooten ihre Mischung aus Reggae, Ragga und Hip-Hop zum Besten gaben. Deutschen Rock gab´s danach auf der Hauptbühne von Thees Uhlmann, dem man in der Lederjacke die gefühlten 45 Grad im Schatten definitiv nicht ansah. Gerade erst (Anfang des Jahres) wiedervereinigt standen danach Fall Out Boy auf der Bühne und beglückten das überwiegend junge Publikum.

Während in der Halle die Cyberpunks von Atari Teenage Riot rockten, wurde das Niveau auf der großen Bühne von der Bloodhound Gang schön auf absolutes Tiefstmaß gebracht. Etwas in die Jahre gekommen sind sie ja, aber sie wissen immer noch, wie sie Stimmung erzeugen. Und das sogar diesmal ohne große Ferkeleien. Über die auf den Backdrop projizierten Sprüche wurde man während des Konzerts noch über allerlei interessante Facts informiert. So wissen wir nun, dass sich Evil Jered bei Bettina Wulff Herpes geholt hat, bei Hertha mehr Muschis als in der deutschen Frauen-Nationalmannschaft spielen, und dass das neue Album herauskommt, sobald der Berliner Flughafen fertig ist. Nebenbei erzählte Evil Jered noch aus seinem Leben, z.B. von seiner drei-Jährigen Tochter, die schon süchtig nach Jägermeister ist („I´m the worst dad in the world“).

Bevor Westbam die Nacht einläutete, aktivierten La Brass Banda mit ihrem Bayrischen „Blasmusik-Techno“ noch die letzten Reserven selbst der müdesten Beine.

Samstag
Die Affenhitze machte vielen zu schaffen. So schien Gentleman dann doch sehr dankbar, als ein Stagehand mit einem Ventilator auf die Bühne rannte, nachdem er (scherzhaft) fünf davon um sich herum aufgestellt haben wollte. Neben den bei vielen Bands üblichen Ich-bring-das-Publikum-jetzt-zum-lautstarken-Jubeln-Sprüchen a la „Ihr seid das schönste Publikum, das es je gab“ nahm der gut gelaunte Mann lieber spontanen Bezug auf das aktuelle Weltgeschehen, als er die lustige fliegende Fernsehkamera über dem Publikum entdeckte. „Drohnen! Der ganze Himmel ist voller Drohnen! 2013 ist das Drohnenjahr!“

Für weitere gute Laune sorgten die norwegischen Mädels von Katzenjammer, die neben ihren weiblichen Reizen auch Talent an den ständig wechselnden Instrumenten bewiesen. Während die Pop-Rocker von Jupiter Jones ihre Songs zum Besten gaben, konnte man immer mehr kritische Blicke gen Himmel beobachten. Zog doch kurz vor dem Headliner des Tages ein Gewitter auf. Die Sorge war zum Glück nur von kurzer Dauer. Das Gewitter zog knapp am Festival-Gelände vorbei.

Also freie Bahn für den Wu-Tang Clan. Leider gab es hier Probleme mit dem Sound – sowohl auf, als auch vor der Bühne. Klar, der Bass hat natürlich eine Massage-Funktion, aber wenn der Sound bei einer so gut dimensionierten Anlage nur noch zerrt, dann war´s doch zu viel des Guten! Auch von den Herren Wu-Tang gab´s eine Beschwerde Richtung Mischpult. Zum Ausklang des Abends spielten Bonaparte mit ihrer dezenten Neigung zur Kostümierung ihre freakige und wirklich sehenswerte Show.

Sonntag
Wie die anderen Tage begann auch der Sonntag sehr gemäßigt. Erwähnte ich schon die heißen Temperaturen an dem Wochenende? Der Auftritt von Sophie Hunger passte sehr gut zum Sonntagnachmittag. Ein bisschen Zuhören, wenig bewegen, genau richtig. Von wenig-bewegen hielten Tocotronic allerdings nichts und rockten der Hitze trotzend über die Bühne. Langsam wurden die Festival-Besucher wieder aktiver und kamen bei den Kaiser Chiefs mehr und mehr in Bewegung. Weiter ging´s mit Frauenchor und Songs von Rammstein bis Radiohead. Scala & Kolacny Brothers ließen das Festival langsam ausklingen, bevor der letzte Headliner aber noch einmal richtig Gas gab.

Nick Cave beglückte mit den Bad Seeds das plötzlich aus drei Generationen bestehende Publikum. Die Atmosphäre wurde perfekt, als pünktlich zu den ersten Klängen ein gewaltiger Sturm aufzog, der nicht besser die dramatische Musik hätte untermalen können. Teils ruhige Klänge, die aus dem Nichts heraus in gewaltige Sound- und Lichtspektakel eskalierten, ließen niemanden mehr unbeeindruckt dastehen. Nick Cave suchte oft körperlichen Kontakt zu seinen Fans, was ihm letztendlich zum Verhängnis wurde. Immer wieder stützte er sich auf die eine oder andere glückliche Hand der Fans, bis ihn eine nicht mehr loslassen wollte. Befreiungsversuche wie Ziehen oder Fingeraufbiegen blieben erfolglos. So musste er dann singend mehrere Minuten verharren, was für allgemeine Belustigung sorgte. Auch Nick nahm´s mit Humor und baute die Situation spontan in den Songtext ein. Pünktlich zur Zugabe machte das Wetter dann dem Lichttechniker Konkurrenz. Als wäre es Teil der Show zuckten unzählige Blitze über den nächtlichen Himmel.

Sofort nach dem (ohnehin letzten) Konzert wurde das gesamte Gelände wegen Unwetterwarnungen geräumt. Nur eine Stunde später war das Gelände wie leer gefegt, nur die einsam dastehenden Bühnen erinnerten noch daran, dass hier gerade drei Tage lang eine schöne, entspannte Sause stattgefunden hat.

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Über den Autor des Beitrags

Gunnar

Würde gern Gitarre spielen wie Angus oder Slash.

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26.-28.07.2013, Paaren im Glien”

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