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Grossstadtgeflüster | Zelt Musik Festival Freiburg 29.07.2022

Kurz vor Ende des Zelt-Musik-Festivals stattete das Berliner Trio Grossstadtgeflüster unserer Badenmetropole – wohl das erst Mal überhaupt, wie sich herausstellen sollte – dort einen Besuch ab. Okay, man hatte schonmal in „Freiburg in Basel“ und „Freiburg in Karlsruhe“ gespielt, wie sich später im Dialog mit dem Publikum herausstellen sollte, aber in Freiburg City oder gar auf dem Freiburger Mundenhof, auf dem das ZMF jährlich stattfindet, nicht.
Mit im Gepäck jedenfalls hatten die drei vor allem ihr aktuelles Album „Trips & Ticks“, das allerdings schon aus dem Jahr 2019 stammt. Aber schließlich war der Termin ja auch – wie viele andere dieser Tage – ein Ersatztermin coronabedingten abgesagten ZMF-Ausgaben in 2020 und 2021.

Zum Konzertbeginn um 20:30 Uhr war das Spiegelzelt gut gefüllt – kein Wunder, denn Karten gab es keine mehr zu erwerben. Das Publikum war, wie eigentlich fast immer auf dem ZMF, bunt gemischt. Da waren sowohl die ausgewiesenen Fans, die sich (zum Teil mit Diadem auf dem Kopf) gleich bei Einlass die begehrten Plätze direkt vor der Bühne sicherten. Da waren die anderen, die es vorzogen, erst einmal die Sitzgelegenheiten am Rand zu nutzen, um sich das Spektakel dann aus etwas Entfernung anzusehen. Und da waren die vielen dazwischen, die im Verlauf des Abends locker mehrere Hemden beim Tanzen hätten durchschwitzen können. Aber der Reihe nach…

Galerie #1:

Bevor Jennifer „Jen“ Bender (Gesang), Raphael „Raphi“ Schalz (Gesang und Synths) und Chriz Falk (Schlagzeug) ihre Arbeitsplätze betraten, startete erst einmal ein dramatisch klingender Countdown vom Band. Drei, zwei, eins… Ach was – ich muss gar nix!, dachte der sich wohl. Und so lief der Countdown zur Erheiterung der gespannten Meute wieder langsam zurück bis elf oder zwölf, bevor es dann richtig losging…

… und zwar mit „Auf alles“ („… und dann scheiß ich auf alles“) und „Meine Couch“ („Ich liebe meine Couch, weil ich weiß sie liebt mich auch“) vom aktuelle Album sowie „Ende Gelände“ vom 2013er Album „Oh, ein Reh!“, zu dem das Freiburger Publikum – so ganz und gar nicht „geistig insolvent“ – es sogar hinbekommen hat, im Flamenco-Takt mit zu klatschen („Das ist wie ZDF-Fernsehgarten. Nur vier Mal so schnell!“) und immer wieder lauthals mitzugrölen: „ICH HAB KEINEN BOCK MEHR!“.

Ein paar weitere Songs und ein technisches Problemchen später (Raphi bekam ein Keyboard nicht auf den Ohrstöpsel. „Aber das ist ja nicht so schlimm. Ich weiß ja grob was ich spiele.“) kam es dann nach einem denkwürdigen Tastendruck zum ersten Highlight: „Das nächste Lied beginnt mit dieser Taste. Soll ich diese Taste drücken?“ – die Menge eskaliert. „Okay, aber dann müsst ihr jetzt mal die Klappe halten!“ – Raphi drückt die Taste, und die Menge eskaliert noch eskalierender. „Feierabend“ lief an, das die Freiburger – wie sowieso so ziemlich alles – sehr textsicher mit gesungen haben: „Jetzt ist Feierabend! Ich kann jetzt nicht mehr das elende Geseier haben…“ und natürlich den an feuchtfröhliche Fußball-Abende erinnernde „döööö-dö-dö-döö-dö-dööööö“-Part. „Scheiße, meine Fresse!“, das Ganze war längst zu einer bunten Party, mit satten Beats, Konfetti, Ballons und jeder Menge alltagsphilosophischen Texten zwischen Scheißegal-Attitüde und notorischem Zynismus geworden.

Moment ich bin noch beim Ende… Das ist Kunst. Habt Respekt vor der Kunst!… so jetzt ist‘s vorbei.
– Raphi bestimmt, wann „Wo ist die Party?“ zu Ende ist

Leider haben die Grossstadtflüsterer die Chance verpasst, die eine oder andere Zeile von „Skalitzer Straße“ an Freiburger Verhältnisse anzupassen, *zwinkerzwonker*. „Ich bin zwar tot, aber ich hatte Vorfahrt“, heißt es da zu den Cowboys auf der Skalitzer in Berlin. Dabei wissen die Hauptstädter wohl nicht was Schmerzen sind und müssten sich mal mit dem angespannten Verhältnis zwischen Auto- und Radfahrern in Downtown Freiburg beschäftigen.
Zum nächsten Höhepunkt kam diese Party jedenfalls mit „Hallus“, einem Song über Gefühle der Hommage an die Raver-Jugendzeit, zu der Jen in ein passendes Kostüm wechselte: Warnweste und Fischerhut mit Hanfblatt-Muster. „Ich sehe was, was du nicht siehst und das sind meine Hallus.“ – herrlich!

Der Siedepunkt war dann endgültig mit „Fickt-Euch-Allee“ erreicht („Ich bin in meinem Wochenendhäuschen in der Fickt-Euch-Allee, wo ich auf der Veranda meine Eier schaukleeeee…„), wobei schon die ersten Bruchteile einer Sekunde des dazugehörigen Beats ausreichten, um die Menge zum Ausrasten zu bringen. Und natürlich wurde das wohl beliebteste Stück auch einiges gestreckt und für einige Mitsing-Aktionen („Jetzt alle, die im Anschluss eine Käsewurst essen!“) genutzt.

Galerie #2:

Zum Abschluss stand noch „Ich muss gar nix“ („NEIN, MUSS ICH NICHT!“) auf dem Hauptmenü der „Speisekarte“. Dann verabschiedete sich die Band erst einmal von der Bühne. Aber noch nicht endgültig, denn es sollte natürlich noch ein Dessert serviert werden.
Zunächst kam Raphi für „So viele Talente“ („Ich hab so viele Talente – kein Mensch erkennt‘se. Bevor ich sie verschwende, da mach ich lieber nix.“) mit Glitzerumhang und Helium-Effekt auf dem Mikro zurück. Als Bonus gab‘s von ihm noch „I will always love you“ (sorry, Whitney! ;) ) dazu.

Beim nächsten Song „geht es um etwas sehr Wichtiges. Es geht nämlich um mich.“, leitete Jen zum wirklich allerletzten Lied über. Spätestens als sie sich dann noch ein Accessoire, nämlich ein glitzerndes Diadem, bringen ließ, war klar, dass „Diadem“ (der zickige Refrain so: „Ich will jetzt mein Diadem!“) folgen sollte. Danach wurde das glücklich durchgeschwitzte Publikum in die warme Sommernacht und für noch einen Absacker auf das Festivalgelände entlassen.
Alles gut, gerne wieder, liebe Leute von Grossstadtgeflüster! Plant doch zwischen Karlsruhe und Basel bitte wieder einmal einen Stopp ein – auch ohne Fototapete hinten an der Bühne, passt schon…

Setlist Speisekarte:

  1. Auf alles
  2. Meine Couch
  3. Ende Gelände
  4. Wie man Feuer macht
  5. Ich boykottiere dich
  6. Blaues Wunder
  7. Weil das morgen noch so ist
  8. Feierabend
  9. Wo ist die Party?
  10. Skalitzer Strasse
  11. Hallus
  12. Ich rollator mit meim Besten
  13. Fickt-Euch-Allee
  14. Ich muss gar nixZugabe Dessert:
  15. So viele Talente
  16. Diadem

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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