Konzertbericht | Behemoth (Support: Gaerea & Vended) | Z7 Pratteln 13.06.2023
Wir nähern uns der kürzesten Nacht des Jahres, doch an diesem Tag erwartet uns die schwärzeste Nacht. Die Z7-Summer-Nights eröffnen mit dem düstersten Act der diesjährigen Ausgabe. Mit den Death-Metal-Legenden „Behemoth“ startet die prattelner Eventlocation in die Sommer Saison. Bei den Summer Nights bleiben die Hallentore traditionell offen, zusätzlich gibt es für einige ausgewählte Events eine Open Air-Bühne auf dem Freigelände vor der Halle.
Dieser Montagabend, nur eine Woche vor der Sommersonnenwende ist der, an dem es musikalisch am schwärzesten wird. Nicht nur, dass mit Behemoth über 30 Jahre Black-Metal-Tradition auf der Bühne stehen, mit „Gaerea“ und „Vended“ hat man auch noch vielversprechende Newcomer des Genres, als Unterstützung dabei.
Gaerea
Die Gäste dieses Black-Metal-Festes sind bereits ausreichend mit Bier und Pommes versorgt, da erscheinen Punkt 20 Uhr „Gaerea“ auf der Bühne. Die 2016 gegründete Black-Metal-Band aus Portugal lässt vom ersten Ton keine Zweifel aufkommen, wie ihr Set ablaufen wird. Druck- und kraftvoll hämmern die Musiker in die Saiten und auf die Felle des Schlagzeugs ein. Sänger Guilherme Henriques brüllt dem Publikum seine tiefen, aber präzisen Growls entgegen.
Die Songs überzeugen durch einen komplexen technischen Aufbau, reißen einen aber auch durch die stampfenden Rhythmen in eine Trance, der man sich nur schwer entziehen kann. Gaerea haben, ungewöhnlich für eine Vorgruppe, noch eigenes Licht mitgebracht, welches die Bühne in ein blitzendes Inferno verwandelt. Durch die Masken aller Musiker sieht man keinerlei Mimik, die generell eng geschnittene Bühnenkleidung versteckt allerdings auch keinen Teil der Gestik. Diese ist insbesondere beim Frontmann sehr ausgeprägt. Seine Bewegungen stehen im harten Kontrast zu den harten, aber sauber abgemischten Tönen. Sein Black-Metal-Ballett zieht einen immer tieferen in Bann, welchen die Band als Gesamtkunstwerk erscheinen lässt.
Dem Publikum jedenfalls gefällt, was die Portugiesen in dieser Nacht auf die Bühne des Z7 zaubern. Nach 30 sehr kurzweiligen Minuten werden sie unter frenetischen Jubel verabschiedet. Dass sich gerade einmal 600-700 Leute in der Halle befinden merkt man nicht. Die noch junge Band „Gaerea“ hat an diesem Tag viele neue Fans gefunden.
Vended
Gerade einmal 15 Minuten Umbaupause wird der Bühnencrew zugestanden, dann stehen schon die nächsten auf der Bühne. „Vended“ aus Iowa sind der Inbegriff eines Newcomers. 2018 gegründet gab es nicht viel Raum für Spielpraxis, dennoch können sich die Fünf bereits einige ordentliche Support und Festival-Slots sichern. Eventuell spielt aber auch der Name einiger Bandmitglieder eine Rolle. Die Nachnamen Crahan und Taylor sind in der Metal-Szene dicht beschriebene Blätter, haben es doch Corey Taylor und Shawn Crahan mit „Slipknot“ zum Legendstatus gebracht.
Nun geht also der Staffelstab an ihre Söhne Griffin Taylor und Simon Crahan über, welche jetzt versuchen sich mit „Vended“ einen eigenen Namen zu machen. Im Z7 will der Funke zuerst nicht so richtig überspringen. Typisch amerikanisch werden dem Publikum viele „Fucks“ entgegen gebrüllt, die Aufforderung zu einem „fucking huge circle pit“ läuft ins Leere. Generell hat sich das Publikum ein bisschen geteilt. Etwa ein Drittel der Gäste hat sich in den Außenbereich zurückgezogen, stärkt sich bei Bier und Bratwurst für den kommenden Headliner. In den ersten Reihen der Halle finden sich jedoch die ersten Fans der Band, welche sich erstaunlich textsicher geben. Stilistisch sind „Vended“ irgendwo zwischen Extreme-Metal und Hardcore angesiedelt, machen ordentlich Krawall, dies oft aber nicht harmonisch. Sänger Griffin gibt alles, zieht über die 40 Minuten immer mehr Kleidung aus, und steht nachher Oberkörperfrei und durchgeschwitzt auf der Bühne. Vielleicht liegt es daran, dass er selbst kein Wasser mehr abbekommen hat, denn die Flaschen auf der Bühne fliegen nach wenigen Schlucken in Publikum, wo sie teilweise gefangen werden, oft aber einfach auf dem Boden einschlagen und liegen bleiben.
Insgesamt bleibt das 40 Minuten Set eher durchwachsen mit einigem Ausbaupotential. Die noch junge Band muss ihren Stil noch finden und festigen. Zudem sollten sie sich ein wenig auf das europäische Publikum einstellen, welches mit Schimpfwortsalven in der Regel nicht viel anfangen kann. Beim letzten Song der Amerikaner öffnet sich nach Aufforderung zumindest noch ein kleiner Pit, bis „Vended“ mit einem Anstandsapplaus verabschiedet werden.
Behemoth
„Vended“ und „Gaerea“ mussten auf einer stark verkleinerten Bühne spielen. Sehr viel der Fläche war abgehangen und ließen durchblicken, dass „Behemoth“ viel Equipment mitgebracht hatte. Dazu passte der passend zur „The Deathless Summer 2023“-Tour folierte LKW, welcher gut sichtbar vor dem Z7 parkte. Daher viel die Umbaupause auch etwas großzügiger aus, vor neugierigen Augen allerdings durch einen Vorhang geschützt.
Letzterer fiel dann um exakt 21 Uhr, nachdem die Gäste durch ein paar Schattenspiele auf die Ankunft der polnischen Genre-Legenden aufmerksam wurden. Unter großzügigen Einsatz von Flammenwerfern auf der Bühne, sowie lautem Gejubel davor, legte das Quartett mit „Ora Pro Nobis Lucifer“ schonmal die Marschrichtung für den Abend vor. Die Bassdrum von Drummer Zbigniew Robert „Inferno“ Promiński drückt mächtig in den Raum, während sich die anderen Drei hinter einem Feuerinferno in Stellung bringen.
„Behemoth“ prägen seit nunmehr dreißig Jahren den Death-Metal und lassen immer wieder die Grenzen zum Black-Metal schmelzen. Dazu passend erzählt Frontmann, Gitarrist und Sänger Adam Michał „Nergal“ Darski davon, dass sie bereits 1997 zum ersten Mal zu Gast im Z7 Pratteln waren. Auf die Abfrage, wer im Publikum da noch nicht geboren war, erheben sich einige Hände. Eine Dame in Front-Row konnte ihre jedoch mit Bestimmtheit unten lassen. Frenetisch feiert sie die Polen, als wären es ihre eigenen Kinder. Könnten sie auch sein, denn mit ihren knapp 80 Jahren markiert sie das älteste Ende der ersten Reihe. An dieser Stelle möchte ich meinen höchsten Respekt für die zollen, denn welcher Metal-Fan wünscht es sich nicht, noch bis ins hohe Alter mit seinen Lieblingsbands zu feiern.
Kommen wir zurück zum Konzert. Das zur Hälfte gefüllte Z7 hängt gebannt an den Lippen von „Nergal“, ist textsicher und singt sich selbst in eine Trance, welche von den eingewebten Melodien der Gitarren ausgelöst wird. Der gutturale Gesang des Frontmannes lässt die Trommelfelle vibrieren und verbreitet eine fast schon hypnotische Wirkung. Immer wieder positionieren sich die Musiker auf den riesigen Emporen, welche links und rechts der Bühne hochgezogen wurden. Von dort aus heizen sie der Menge, unterstützt von weiteren Flammenwerfern, ordentlich ein.
Beim Intro von „Versvs Christvs“ steht „Nergal“ in Priesterkostümierung auf der linken Empore und schwenkt ein Weihrauchgefäß. Dessen Duft vermischt sich mit dem süßlichen Duft, welchen die „Zigaretten“ einiger Zuschauer ausstoßen. Diese Mischung trägt zu einer weiteren Vertiefung des Publikums in die Klangwelten der vier Polen bei. Mit „No Sympathy for Fools“ reißen uns die schnellen Riffs von Patryk Dominik „Seth“ Sztyber sowie Tomasz „Orion“ Wróblewski wieder zurück ins hier und jetzt. „Orion“ rennt noch samt seines Basses auf die Absperrung zur ersten Reihe und lässt sich vom Publikum feiern. Dieses drängt immer mehr zur Bühne, allerdings reichen die etwa 750 Leute zu diesem Zeitpunkt nicht aus, Beklemmungsgefühle zu bekommen.
Den letzten Song des Abends bildet „O Father O Satan O Sun!“ zu welchem Sänger „Nergal“ in kompletten Schwarzen Ornat erscheint. Die Zuschauer folgen seinen Handgesten und erbieten der Band ihre Ehre. Bis zum letzten Ton ist die Stimmung aufgeheizt, aber entspannt. Keine Spur von Aggression oder Missgunst. Jeder im Publikum schwebt in den Klangwelten, welche „Behemoth“ aufmacht. Nach gerade einmal 75 Minuten ist die dunkle Messe dann schon gelesen. Fans der Band wissen, dass der Wunsch nach Zugaben unerhört bleibt. So ziehen sie glücklich und zufrieden von dannen, ohne eine solche zu fordern.
„Behemoth“ beweisen mit ihrer „The Deathless Summer“ Tour, dass sie zu Recht auf dem unheiligen Stuhl des Death-Metal sitzen. Ob hart und treibend, oder melodisch und träumend zeigen die vier Polen einzigartige Kompositionen und eine über mehrere Jahrzehnte gewonnene Souveränität. Diese jedoch vollkommen ohne Allüren oder Überheblichkeit, sondern mit einer engen Bindung und Dankbarkeit für ihr Publikum.