Konzertbericht: Eisheilige Nacht – Z7 Pratteln
Wenn „Subway to Sally“ zur „Eisheiligen Nacht“ nach Pratteln ruft, kann man immer davon ausgehen, dass eine hochkarätige Besetzung einem die Weihnachtstage versüßt. Das Z7 steht seit 2012 mit einem festen Platz im Tourguide. Wenn dann auch noch die zehnte Ausgabe ist und die Running Order mit Hochkarätern wie „Versengold“ und „Russkaja“, welche zuletzt noch die Main-Stage von Wacken bespielen durften, gespickt ist, kann man schon mit hohen Erwartungen in einen solchen Abend gehen.
Die Celtic Folk-Punker von „Paddy and the Rats“ eröffneten um 18.15 Uhr den noch sehr frühen Abend, und es schien dem allgemeinen Weihnachtsstress geschuldet zu sein, dass das Z7 gerade zu einem Drittel gefüllt war. Die 2008 in Ungarn gegründete Combo mühte sich redlich ab, und Sänger Paddy O’Reilly nutzte jede Gelegenheit, um das Publikum zu animieren. Die doch zahlreich vertretenen Folk-Fans mit ihren Schiebermützen honorierten dies mit guter Stimmung und ausschweifenden Tänzen, für die es zu dieser Zeit ja noch genug Raum gab. Zum Ende des Sets wurde das Spieltempo nochmals angezogen, sodass die knapp 30 Minuten Spielzeit schnell vorüber waren. Für einige Fans anscheinend zu schnell.
Nach einer kurzen Umbaupause übernahmen die Russenrocker von „Russkaja“ für ihr 45-minütiges Set. Normalerweise immer für eine riesige Party bekannt, begann das Set sehr getragen und schwermütig. Fast könnte man meinen, die eigentlich aus Wien stammende Band wollte den Spirit des sibirischen Winters zur „Eisheiligen Nacht“ bringen. Als Sänger Georgij sich dann auf den Bühnenboden setzte, um einen sehr ruhigen Song aus dem kommenden Album zum Besten zu geben, welcher sich mit der aktuellen Flüchtlingsthematik befasst, wurde zumindest der politische Teil des Abends abgehandelt. Die Stimmung blieb aber aus. Versuche diese mit dem anmoderierten Circle-Pit zu „Traktor“ wieder nach oben zu bringen, schlugen eher fehl, zumal es dann direkt wieder zu ruhig weiter ging. Das Publikum ging zwar ein wenig mit, aber obwohl die Heizung bollerte und die Halle mittlerweile gut gefüllt war, wollte sich keine aktive Stimmung einstellen.
Mit dem Cover von „Wake Me Up“, welches nach dem Tot des schwedischen Star-DJs permanent ins Repertoire aufgenommen scheint, versuchten die Bläserbrüder Hans-Georg und Rainer nochmal alle Trägheit aus den Zuschauern rauszupusten, und die siebenköpfige Truppe nahm endlich Fahrt auf. Nicht nur Band, sondern auch die Metalheads vor der Bühne tauten langsam auf und forderten nach dem letzten Song schlussendlich doch noch mehr — vermutlich auch, um nicht direkt wieder in die frostige Grundstimmung zurück zu fallen. Als zweiter Akt des Abends und zur Anreisezeit der meisten Besucher kam Russkaja an diesem Abend eine besondere Anheizer-Rolle zu, welche sie leider nicht erfüllen konnten. Die ganz große Party blieb aus, was zu großen Teilen auch an der Auswahl des Sets und der doch zurückhaltenden Spielfreude geschuldet war. Es bleibt zu hoffen, dass die Truppe für die restliche Tour noch auftaut.
Nun lag es also an der Nummer drei auf der Running-Order, wieder Stimmung ins jetzt endgültig volle Z7 zu bringen. Die sechs Jungs von „Versengold“ aus der Nähe von Bremen legten mit viel Spaß und deftigen Irish-Folk-Melodien ein ordentliches Tempo an den Tag, was das Publikum sofort wieder in wildes Springen und Tanzen ausbrechen ließ. Eingänge Texte und sympathische Moderationen sorgten für hitzige Stimmung, und als bereits zu Anfang des Sets Geiger Florian auf einem Flight-Case durch das Publikum geschoben wurde, gab es endgültig kein Halten mehr. Die Stimmung näherte sich schnell dem Höhepunkt des gesamten Abends, was für eine herrliche Symbiose zwischen Bühne und Zuschauerraum sorgte. Man merkte jedem Beteiligten an, dass es nun endlich soweit war, alle Hemmungen fallen zu lassen.
So ließ sich Leadsänger und Kopf der Band Malte Hoyer zu einer kleinen Geschichte über den Hausberg ihrer Heimatgemeinde Osterholz-Scharmbeck hinreisen, welcher mit immerhin 37 Metern Höhe ganz schön anstrengend zu erklimmen sei. Vielleicht war dies auch als kleiner Wink an die fröhlichen Gäste gedacht, die nach dem Konzert auf dem Weg zum Parkplatz mehr Höhenunterschied überwinden mussten. Aber die meist aus der Schweiz und dem naheliegenden Baden angereisten Gäste sind, was das angeht, ja hart im Nehmen. Auch das Teufelsmoor aus ihrer Heimat barg genug Stoff für einen weiteren Mitgröhlsong, sodass man sich kurz vor Ende der ihnen zugestandenen 45 Minuten nun auch dem interaktiven Teil des Sets widmen konnte. Beim Gassenhauer „Wem? Uns!“, der vielleicht grammatikalisch fragwürdig, aber definitiv Spaß bringend ist, wurde die immer lauter werdende Publikumsabfrage „UNS!“ in jedem Chorus mit einer kleinen Tanzeinlage von Bassist Eike quittiert und sorgte für ordentlich Gelächter, wenn er im Moonwalk oder Brian Johnson Jump-Move über die Bühne hüpfte. Am Ende des kurzweiligen Sets gingen alle Beteiligten mit einem seeligen Grinsen entweder in den Backstagebereich oder zur Theke, um sich auf das vermeintliche Highlight des Abends vorzubereiten.
Scheinbar eine böse Vorahnung habend ging aber schon ein ordentlicher Teil der Besucher an den Theken vorbei direkt zum Ausgang und so kam es, dass als der Gastgeber „Subway to Sally“ um 22:00 Uhr die Bühne betrat schon ein gutes Drittel der Besucher auf dem Heimweg war. Mit dröhnenden aber unpassenden Dubstep-Beats im Intro marschierten die wie üblich martialisch gekleideten Spielleute auf die Bühne und Frontmann Eric Fish versteckte sich unter einer tiefen Kapuze. Nachdem die Metalheads von den Folk-Fans die ersten Reihen übernommen hatten reckten sich zu den harten Riffs der Potsdamer nun auch endlich ein paar Metalfäuste und Pommesgabeln rhythmisch in die Luft. Die von „Versengold“ im Publikum aufgebaute Energie verpuffte jedoch relativ schnell durch die steife und leidenschaftslose Spielweise der sieben Recken, und die mit außergewöhnlich viel Pathos gespickte Darbietung von Eric färbte auch schnell aufs Publikum ab.
Der Versuch, einen neuen Lautstärke-Rekord mit dem Ausruf des bald erscheinenden Albums „Hey“ zu erreichen, schlug dementsprechend fehl. Dass der angepeilte Schalldruck von 113dB nicht mal annähernd erreicht wurde, sondern bei 107,4dB stagnierte, lag wohl auch daran, dass das ja doch recht hohe Z7 zu diesem Zeitpunkt gerade mal noch etwas mehr als zur Hälfte gefüllt war. Dass bei einem Tourauftakt die Setlist meist noch nicht ganz rund ist, kennt man ja schon. Die Auswahl und Reihenfolge der Songs wirkte dieses Mal doch schon sehr unrund und auch die Moderationen wirkten eher fahrig. Fasst könnt man meinen, dass die gerade erst abgeschlossene Produktion der neuen Scheibe deutliche Spuren in der Band hinterlassen und allen voran das eigentliche Gesicht der Band Eric Fish deutlich gezeichnet hat.
Nach nur 55 Minuten verließen die Organisatoren die Bühne zum ersten Mal, um kurz Luft zu holen und zum großen Finale zu blasen. Diese Pause nutzten allerdings schon weitere Besucher, um sich auf den Heimweg zu machen und so konnte das mit Musikern von „Versengold“ und „Russkaja“ verstärkte Finale nur noch vor gut einem Drittel der ehemaligen Zuschauer dargeboten werden, die zudem auch noch sehr locker verteilt in der weitläufigen Halle standen. Ob für Gastmusiker von „Paddy and the Rats“ keine Kanäle auf dem Mischpult mehr frei waren oder die Celtic-Folker bereits beim Whiskey im Tourbus saßen, bleibt der Spekulation überlassen, verwundert allerdings schon, da auf den bisherigen Ausgaben der „Eisheiligen Nacht“ sich doch sonst immer aus allen mitreisenden Bands Personal zum Finale auf der Bühne eingefunden hatte.
Die zweite und letzte Zugabe, der Mitsing-Klassiker „Julia und die Räuber“ (Blut, Blut, Räuber saufen Blut) wurde nach lautstarker Anforderung der verbliebenen Gäste dann noch ohne Verstärkung zum Besten gegeben, sodass um 23.15 Uhr der letzte Ton verhallte und der Abbau beginnen konnte.
Alles in allem bleibt zu sagen, dass der diesjährige Auftakt der „Eisheiligen Nacht“ doch hinter den Erwartungen zurück blieb. Dies mag zum einen an einer unterdurchschnittlichen Performance der Gastgeber gelegen haben, zum anderen aber auch an dem vielleicht etwas zu sehr am klassischen Folk ausgerichtete Line-Up, welches Freunde der härteren Gangart vom Kartenkauf abgehalten hat. Es bleibt allen Beteiligten zu wünschen, dass sie im Verlauf der kurzen aber intensiven Tour ihre Spielfreude wiedererlangen und vielleicht noch ein wenig an den Setlists schrauben, um die „Eisheilige Nacht“ wieder zu dem zu machen, was man aus den letzten Ausgaben kennt. Eine wundervolle Weihnachts-Metal-Party die eine willkommene Abwechslung zu den sonst eher besinnlichen Tönen beschert.