Konzertbericht: Elif | ZMF 02.08
Die Berliner Sängerin mit türkischen Wurzeln startete im frühen Alter mit 16 Jahren und arbeitet seither sehr zielstrebig an ihrer Karriere.
Dabei fällt auf, dass sie immer wieder auch in unzähligen Projekten mit anderen Künstler*innen zusammen gearbeitet hat, sowohl im Studio, als auch bei Live-Events, z.B. 2013 ein gemeinsames Gedenkkonzert in Berlin mit Seeed, Glasperlenspiel und Andreas Bourani, 2016 ein gemeinsam mit Max Giesinger aufgenommener Song, oder 2017 der gemeinsamen Studio-Session mit Niedecken, Grönemeyer und Silbermond im Rahmen des Projektes „Mehr bewegen“.
2013 erschien ihr erstes Album „Unter meiner Haut“ und machte sie national bekannt. Inzwischen sind es vier Alben, wobei sie die Zusammenarbeit mit anderen Sänger*innen nach wie vor sucht und regelmäßig Singles in Kooperation produziert, z.B. mit Rapperin Katja Krasavice, Rapper Samra oder jüngst auch viel mit dem Musiker Fayan, der beim ZMF auch gleich als Support mit dabei ist.
ELIF ist eine starke, selbstbewusste junge Frau, die sich gerade auch vor ihrem eigenen kulturellen Hintergrund sehr für Unabhängigkeit und Selbstbestimmung von Frauen stark macht. Das ist besonders bemerkenswert, da sie gerade aus dem familiären bzw. persönlichen Umfeld keinerlei Unterstützung, wenn nicht gar gehörigen Gegenwind bekam. Stets selbstreflektiert bot sie allen Widrigkeiten die Stirn und setzt sich heute u.a. stark gegen Gewalt gegen Frauen und für die LGBTQ-Szene und Frauenrechte in der Türkei ein.
Letztendlich hat sich ELIF durch die vielen negativen Erfahrungen selbst stark gemacht und in gewisser Weise auch selbst befreit, was sich auch im Titel ihres aktuellen Albums „Endlich tut es wieder weh“ von 2023 widerspiegelt: Schmerzen, die man annimmt und mit denen man gelernt hat umzugehen. „Schmerzen, von denen man sich nicht mehr verletzen lässt, mit denen wir alle klar kommen müssen. Ich wünsche mir, dass das Album die Menschen inspiriert, tiefer zu gehen und sich mit ihren eigenen Emotionen oder Schmerzen auseinandersetzen“ beschreibt ELIF selbst ihre Motivation zum Album.
Auf ihrer kleinen Tour mit gerade mal 10 Auftritten macht die Künstlerin auch zum ersten Mal in Freiburg halt. Im gut gefüllten, aber lange nicht ausverkauften Spiegelzelt sind erwartungsgemäß vor allem junge Frauen im Publikum, aber überraschender Weise sind doch alle Generationen vertreten – ein Indiz dafür, dass ELIF Texte schreibt die alle berühren, nicht nur die jüngere Generation.
Zum Intro-Einspieler kommt die dreiköpfige Band auf die Bühne um dann in den ersten Song „Schwarz“ einzustimmen und einen gleich ein weiteres Mal überrascht: Mit brachialen Gitarrenriffs, einem druckvoller Bass und einem knalligen Schlagzeug mit betonten Vierteln auf dem China-Becken wird ein Soundteppich gelegt, der mehr nach Linkin Park klingt und gar nicht so nach dem eher elektronisch produzierten Originaltitel.
Das Gleiche gilt dann für die Folgesongs „Bomberjacke“, „Alaska“ und „Ein letztes Mal“. Erstaunlich wie gut die Songs auch als heftige Rocksongs funktionieren und sich ELIF mit ihrer Stimme bestens einfügt. Für die nächsten Songs „Warum lügst du mich an“ und „Freunde“ geht die Band etwas vom Gas, gleichzeitig werden die Songs mit mehr Keyboardeinspielungen unterlegt.
Beim Song „Nur Mir“ erzählt ELIF von ihrer toxischen Beziehung und einer für sie schweren Zeit, in der sie sich einsam und betrogen fühlte, um daraus gestärkt hervorzugehen und gleich symbolisch mit dem Publikum die Botschaft gemeinsam singt: „Ich gehör nur mir!“. Mit „Beifahrersitz“ kommen dann zu Keyboard noch klassische Drum-Beat-Einspielungen dazu und zum erstem Mal klingt ein Song fast so elektronisch wie vom Album, nur um gleich danach wieder mit einem brachialen Instrumental-Teil der Band in coole heftige Soundkollagen weggetragen zu werden.
Beim folgenden Akustik-Part lässt sich ELIF für zwei Songs nur mit Akustikgitarre begleiten. Dabei erklärt sie „Babe“ als einen ihrer geheimen Lieblingssongs, den sie inzwischen sehr zu schätzen weiß und nicht mehr im Liveprogramm missen möchte, zu recht, denn „Babe“ bietet eine kontroverse Mischung aus südamerikanischer, musikalischer Leichtigkeit und einem Text mit emotionalem Offenbarungseid – aber ELIF bringt diesen Song auch live sehr überzeugend. Sicher einer der Höhepunkte des Konzertes.
Nach „Ich denk an dich“ kommt die Band wieder dazu um erneut heftig zu rocken und mit „Endlich tut es wieder weh“ ein geniales Live-Arrangement abzuliefern.
Bei „Weil du mich nicht geliebt hast“ kommt auch eines der zwei Gitarrensolos des Abends vor – natürlich sind die Songs, wenn auch teils sehr rockig vorgetragen, immer dem Gesang von ELIF untergeordnet. Aber die Mischung funktioniert und das Publikum singt bei fast alle Songs begeistert mit. Nach nicht ganz 90 Minuten und 20 Songs ist dann Schluss. Als Zugaben kommen noch „Alles Helal“ (vom Album Nacht 2020) und „Unter meiner Haut“, der als ELIFs erster veröffentlichter Song aus ihrem Debut-Album für sie eine ganz besondere Bedeutung hat.
Natürlich wieder super als Rocksong aufbereitet und „mitgröhltauglich“ präsentiert – ein schöner Abschluss und ebenfalls ein Song, den ELIF als festen Bestandteil ihres Live-Programms erklärt. Alles in allem ein überraschend rockiges Konzert, das aber gerade dadurch sehr überzeugt und die ELIF als wandelbare, vielseitige Künstlerin mit Talent, Herz und Seele präsentiert.
Setlist:
1 Intro
2 Schwarz
3 Bomberjacke
4 Alaska
5 Ein letztes Mal
6 Warum lügst du mich an
7 Freunde
8 Nur Mir
9 Beifahrersitz
10 Instrumental
11 Mein Babe (Akustik-Set)
12 Ich denk an Dich (Akustik-Set)
13 Endlich tut es wieder weh
14 Aber wo bist du
15 Weil du mich nicht geliebt hast
16 Augen zu
17 Roses
18 Erinnern (Duett mit Fayan)
19 Coversong (englisch)
20 Wenn ich sterbe
Zugaben
21 Alles Helal
22 Unter Meiner Haut