Massive Attack (Support: Denis Jones)
22.07.2016 Stimmen-Festival, Lörrach
Die Kastanienbäume rechts der mächtigen OpenAir-Bühne auf dem Lörracher Marktplatz haben schon so einige Top Acts der internationalen Musikszene kommen und gehen sehen. Bob Dylan, Neil Young, Elton John; die Liste fortzuführen wäre müßig. Frank Turner & The Sleeping Souls am Tage zuvor und dann Massive Attack auf dem Marktplatz Lörrach – dass das Stimmen-Festivals Lörrach mit seiner Planung für die Premium Location auf Nummer Sicher geht kann man den Organisatoren dieses Jahr nun wirklich nicht vorwerfen.
Nachdem nachmittags noch ein langanhaltender Schauer über den Veranstaltungsort hinweggegangen ist war gegen 19:00 Uhr, als der Marktplatz für das Konzertereignis evakuiert wurde, eitel Sonnenschein. Die mit Planen abgedeckten Instrumente und ein schwarzer Bühnenhintergrund verrieten noch nicht allzu viel über das, was folgen sollte. Pünktlich um 20 Uhr eröffnete Support Denis Jones den Konzertabend. Kein Unbekannter, war der Klangtüftler und Samplejongleur doch schon 2013 und 2015 mit seiner One-Man-Band bei den Aftershow-Partys im Burghof vertreten.
Bewaffnet mit Synthie, Sampler, Looper, Gitarre, Stimme und einem Vollbart präsentiert Jones einen mitunter tanzbaren Mix aus Folk, reduzierter Elektronik und allen möglichen Samples. Es quäken die Bläser, die Beats knacken, die analogen Synthies wälzen sich behäbig im Gehörgang herum. Die Klangunikate entstehen also vor den Augen der schon zu relativ früher Stunde zahlreich angerückten Zuschauer. Leider vermochte es der hinter seiner Techno-Burg verbogene Musiker nicht, die Massen auf seine Seite zu bekommen. Das lag zum einen am für den Support zu knapp bemessenen Schalldruck, zum anderen aber auch daran, dass die zugegeben sehr spezielle Art der Klangerzeugung an den meisten Besuchern abprallte. Eine knappe halbe Stunde später räumte Denis Jones den ohnehin geringfügig beanspruchten Platz auf der Bühne für Massive Attack. Die (Umbau-)Pause zog sich bis 21:30 Uhr hin.
Man durfte gespannt sein, in welcher Konstellation die Band um die Core-Member Robert Del Naja und Grant Marshall anrückt. Vereinzelt gab es Auftritte mit Young Fathers und Tricky. Für ‚Hymn Of The Big Wheel‘ humpelte der von seiner Unfallverletzung wieder halbwegs genesene Sänger Horace Hinds an Krücken auf die Bühne, der Gesangsleistung tat dies aber keinen Abbruch. Zur weiteren Besetzung gehörten Deborah Miller sowie Azekel Adesuyi, Gitarrist Angelo Bruschini, Bassist Winston Blissett sowie gleich zwei Drummer, Julien Brown und John Tonks. Gerade letztere sorgten für einen enorm dichten, percussiven Sound, der ‚Inertia Creeps‘ voll zur Geltung brachte. Szenenapplaus gab es für die herausragende Stimme von Deborah Miller bei der Zugabe ‚Unfinished Sympathy‘.
Mit dem fordernden Art-/Krautrock von ‚United Snakes‘, einem eher ungewöhnlichen, treibenden Song vom Album ‚Heligoland‘, begann das 90-minütige Set der Briten, unterstützt von einem gigantischen LED-Bildschirm im Rücken. In schneller Abfolge huschten Staatsflaggen und Parteisymbole über den Schirm. Was die Menschen eint und was sie trennt liegt oft gar nicht so weit auseinander. Die Thematik wechselte mit jedem dargebotenen Stück. Von reinem Eye-Candy wie der digitalen Nullen-und-Einsen-Folge von ‚Future Proof‘ über eine Aufstellung von zerstörten Kulturdenkmälern bis hin zu den bewegenden Bildern von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer von Photograph Giles Duley. Auf emotionale Weise wurden politische Themen in Schlagwörtern aufgegriffen, Phrasen ebenso wie Statements.
Von der aktuellen EP ‚Ritual Spirit‘ bis zum Debüt ‚Blue Lines‘ wurden alle Veröffentlichungen der Band in der Setlist berücksichtigt. ‚Eurochild‘, der einzige dargebotene Song vom Album ‚Protection‘ fungierte sozusagen als Requiem zum Brexit. Es waren aber gerade die Songs der ersten drei Alben, die das Publikum hörbar am meisten in Verzückung versetzten. So bekamen die Zuschauer des wohl nicht ganz ausverkauften Marktplatz neben den bereits erwähnten Stücken Hits wie ‚Angel‘, ‚Safe From Harm‘ oder auch ‚Risingson‘ kredenzt, effektvoll unterlegt von den Visuals. Die Band selbst wirkte an diesem Abend eher statisch, auch bei der Interaktion mit dem Publikum blieb man recht sparsam. Mit der Zugabe ‚Unfinished Sympathy‘ erreichte die Show ihren Höhepunkt, endete der Abend mit der gelösten Stimmung des Klassikers.
Setlist Massive Attack: |
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Fotos: Gerald Backmeister