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Muse, The Libertines, Bad Religion u.v.m.
Rock am See Konstanz, 20.08.2016

30 Jahre Rock am See. Was 1985 mit Herbert Grönemeyer und Nina Hagen begann, hat sich zu einem international besetzten Musikfestival entwickelt, das schon Bands wie Metallica, Nine Inch Nails, Rammstein, Marilyn Manson, Placebo, Nickelback etc. an den Bodensee holte.

Fotogalerie: We Were Promised Jetpacks

So richtig gutes Konzertwetter war für den 20.08.2016 in Konstanz ja nicht angekündigt. Dementsprechend ausgestattet mit Regenjacke und Wechselklamotten statt Sonnencreme und Strohhut, waren die unverdrossenen Festivalgänger bereits am Stadtrand von Konstanz, beim festivaleigenen Campingplatz am Flugfeld auszumachen. Muse-Shirts dominierten die Strecke bis zum Bodenseestadion, die zudem von Shuttlebussen von diversen Sammelparkplätzen bedient wurden. Die Abfertigung am Einlass erfolgte zügig, ein enormes Aufkommen an Ordnern, teilweise ausgestattet mit Megaphonen, sicherten die Zugangswege zum Stadion, die Besucherzonen, den Innenraum mit Getränke- und Speiseständen sowie die beiden Ränge vor der Bühne. Zu Beginn etwas restriktiv gehandhabt, war nur der vordere Bühnenbereich freigegeben, für die Fans bedeutet das Zugang rechts, Ausgang links, weite Laufwege schon fast wie bei den Fussballspielen, die normalerweise im Bodenseestadion stattfinden. Dies besserte sich mit der Freigabe des hinteren Bühnenbereichs.

Festivaltypisch wurden die Besucher mit Getränken aus Hartplastikbechern und Speisen vom Fastfood bis zu Crossover-Kreationen wie Asia-Schupfnudeln versorgt. Das Festivalerlebnis konnte aber auch mit einem neuen Piercing und -Schmuck abgerundet werden, oder eben mit Band- und Festival-Fan-Shirts, je nach Geschmack.

Fotogalerie: Mad Caddies

Medienpartner SWR3, der ansonsten die musikalischen Veröffentlichungen der meisten auftretenden Bands wohl kaum mit der Beißzange anfassen würde, stellte eine Moderatorin für die Bandankündigungen ab. Pünktlich 13:00 Uhr eröffnete Daniela Hilpp den langen Konzerttag und begrüßte die Festivalbesucher erst einmal bei ‚Rock am Ring‘. Nunja, es war für Rock-Verhältnisse früh am Tag. Sie zog sich allerdings charmant aus der Affäre und überließ den Schotten We Were Promised Jetpacks die Bühne. Der Titel ‚Bester Bandname des Festivals‘ ist also schon von Beginn an vergeben. Die Schulfreunde aus Edinburgh, die ihre Band 2003 aus der Taufe hoben, spielte mit einem eher aus sphärischen Songs bestehenden Set gegen den mäßigen Nieselregen an. Eine passende Stimmung zu den Gitarrenbrisen und Böen.

Mad Caddies aus Solvang, Kalifornien brachten danach den Sommer zurück ins verregnte Bodenseestadion, zumindest musikalisch. Der sonnige Mix aus Reggae, Ska und Punkrock, veredelt von einer lautstarken Bläserfraktion, brachte die noch beschauliche Menge vor der Bühne mit Ohrwurmmelodien, die so manche Haken schlagen und dem zackigen, hawaiibehemdeten Gebläse zum Tanzen und Feiern. Für das Septett bedeutete der Gig die Rückkehr an den Bodenseestadion, 2001 spielte man hier zum ersten mal mit Marilyn Manson und Die Ärzte auf.

Fotogalerie: Twin Atlantic

Die Buchstaben ‚GLA‘ zierten das Banner von Twin Atlantic, der zweiten schottischen Band an diesem Nachmittag. Madame Hilpp wusste, dass so das neue, im September erscheinende Album heißen wird, der Flughofencode für Glasgow ist und dass zum Release dann auch noch einmal eine Tour ansteht. Eingängige Melodien und kraftvolle Gitarren, für die ein ganzes Arsenal bereitstand; Sänger und Gitarrist Sam McTrusty, Gitarrist Barry McKenna, Bassist Ross McNae und Schlagzeuger Craig Kneale machen Musik für die Stadien, breitbeinig und forsch sind sie hierzlande schon mal bei der 25.000er Kapazität angelangt, wenn auch im Vorprogramm und nicht ausverkauft. Aber da geht noch was. Die Ränge füllten sich zusehends und das Wetter hielt.

Fotogalerie: Enter Shikari

Mittlerweile war auch der zweite, hintere Bühnenbereich freigegeben und es herrschte reger Andrang für Enter Shikari. Sänger und Keyboarder Roughton Reynolds, der rein optisch kein Wässerchen zu trüben vermochte, stellte die Band als ‚Enter Shikari from Planet Earth‘ vor. Nachdem der Frontmann aber gleich zu Beginn das Keyboard in die Luft schleuderte und im Verlauf Gitarren und Boxen physikalisch malträtierte, war man sich als Augenzeuge nicht mehr so sicher. Gemäß dem Motto ‚Anything Can Happen In The Next Half Hour‘. Hardcore-Riffs, Shouts, Gesang, Effekte, Dub Step- und Trance-Elemente, die Briten haben zu einem ganz eigenen Sound gefunden. Das Publikum war ein brodelnder Hexenkessel und dankte die energische Show der Schotten mit einem Circle Pit. Mit einem Live-Remix beendeten Enter Shikari ihr Set, nicht ohne dass Reynolds noch ein wenig die Szenerie zerlegte und den bühneneigenen Feuerlöscher zum Gegenstück einer Pyro-Show missbrauchte.

Fotogalerie: Bad Religion

Nach diesem Abriss schalteten Bad Religion in Sachen Aggression einen Gang runter, dafür kamen aber wieder die eingängigen Melodien stärker zum Vorschein. Und an Energie haben die 1980 gegründeten Punkrocker um den Sänger Greg Graffin mit dem mittlerweile sehr übersichtlich vorhandenen Haupthaar nichts eingebüßt. 60 Minuten Stagetime, das sind in etwa 30 Bad Religion Songs, in der Tat werden es nur ein paar weniger gewesen sein. Doch begannen die verbliebenen Gründungsmitglieder Graffin, Gitarrist Brett Gurewitz und Basser Jay Bentley, der sich genug Sporen in der Punkrockszene verdient hat, um bei diesem Auftritt eine weiße Hose zu tragen, direkt mit ’21 Century Digital Boy‘. Ein Hit, und ein Sack voll weiterer Hits für die Ü30-, sicher aber für die Ü40-Fraktion. Kalifornische Folklore, mit ‚Against The Grain‘, ‚Los Angeles Is Burning‘, ‚Generator‘, ‚American Jesus‘ oder ‚Sorrow‘. Stress hatten hier nur die Fotografen bei der 3-Song-Regelung im Fotograben, der Rest im Pit feierten alte, aber auch  neuere Songs wie ‚Fuck You‘ mit Stagediving und so mancher bekam eine Bierdusche ab.

Fotogalerie: The Libertines

Very british: Nach dem Intro ‚All You Need Is Love‘ hatten The Libertines, die Band mit der Doppelspitze Pete Doherty und Carl Barat, keine Schwierigkeiten, das dank Regen mittlerweile qietschbunt gekleidete Publikum zu übernehmen. Zugeknöpft zu Beginn und rätselhafter Weise mit Fernglas ausgestattet enterte Doherty gefolgt vom Rest der Truppe die Bühne. Mit Mut zu schrägen Tönen machte das Quartett Stimmung. Voller Einsatz kam vom wie wild werkelnden Schlagzeuger Gary Powell, Doherty und Barat teilten sich dazu gerne öfter das Gesangsmikro, während Bassist John Hassall etwas abseitig stand. Skandalnudel hin, Publikumsliebling her, die zahlreichen Fans feierten die Band, da brauchte es von Seiten der Libertines gar nicht mehr so viel. Mit ‚Don’t Look Back Into The Sun‘, ‚Can’t Stand Me Now‘ oder ‚Heart Of The Matter‘ hatten The Libertines genug Argumente, um sich und dem Publikum bestens zu genügen. Nach dem Gig konnte man in sehr viele verzückte und zufriedene Gesichter sehen. Stimmungsmäßig ausgelassen ein Höhepunkt des Abends.

Fotogalerie: Muse

Warnen, mahnen und verzaubern: Muse sind für eine spektakuläre Live-Show bekannt und vorweggenommen: Ein Headliner nach Maß. Viertel nach Neun war es soweit. Mit dem Drill-Sergeant von ‚Psycho‘ ging  das britische Trio, Sänger und Gitarrist Matt Mellamy, Bassist Christopher Wolstenholme und Schlagzeuger Dominic Howard, unterstützt von einem weiteren Gitarrist und Keyboarder, gleich in die Vollen. Zu genau diesem Zeitpunkt öffnete aber auch der Himmel seine Schleusen, und so ergoss sich ein anhaltender, ergiebiger Schauer über das nun dicht an dicht stehende Publikum. Doch reichte es nicht zum Showstopper, zu eindrucksvoll war das, was auf der Bühne vor und auf den  LED-Bildschirmen passierte. Bei ‚The Handler‘ etwa erschienen Bellamy und Wolstenholme als Marionetten, deren Fäden von einem fremden Wesen gezogen wurden.  Die ebenso beeindruckenden wie beklemmenden Filmprojektionen bei ‚The Globalist‘ oder die Materialschlacht mit Luftschlangen- und Konfettikanone bei ‚Mercy‘, visuelle Effekte, die die Songs der Briten. Hits wie ‚Plug In Baby‘, ‚Hysteria‘, ‚Supermassive Black Hole‘, ‚Uprising‘, ‚Starlight‘, ‚Madness‘ oder ‚Starlight‘ ihre Wirkung nicht verfehlen lassen. Der schon grotesk verzerrte Bass von Christopher Wolstenholme ging durch Mark und Bein. Ebenso wuchtig die Drums von Dominic Howard. Den Rest erledigte Bellamy mit seinem Gesang und seinem schon genielen Gitarrenspiel auf seiner Siebensaiter. Mit der direkt ohne Pause gespielten Zugabe – wohl aus Rücksicht auf die Zuschauer im Regen –  endete das gut 90-minütige Set mit dem live gespielten Intro ‚Man with Harmonice‘ vom Soundtrack ‚Spiel mir das Lied vom Tod‘ und ‚Knights Of Cydonia‘.

Der ausdauernde Regen trieb die Massen daraufhin förmlich aus dem Stadion, noch ein Stück begleitet von der Stimme des Megafon-Manns, der immer noch darauf bestand, die Treppe freizuhalten. 15 000 Besucher, friedlicher Verlauf, tolle Bands. Einzig das Wetter wollte nicht mitmachen.

Fotogalerie: Atmosphäre

Fotos: Gerald Backmeister

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Über den Autor des Beitrags

Chris

Hört gerne Musik und redet/schreibt darüber.

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