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Russkaja (+Stray Colors)
04.04.2019 Substage, Karlsruhe

Mit Pauken und Trompeten, Geige und Gebrüll, Härte und Gefühl kündigen sich Russkaja für ihre neue Tour an. Nach dem Release ihrer neuen Platte „No one is illegal“, sind die sieben österreichischen Russen rund um Sänger Georgij auf großer Europatour. Die letzte Kurztour gab es zusammen mit „Subway to Sally“ auf der „Eisheiligen Nacht“. Das damalige Set wollte nicht so recht überzeugen (hier nachzulesen), deswegen gab es dieses Mal in Karlsruhe einiges aufzuholen. Die Erwartung an die Gruppe aus Wien war also hoch, denn einen Ruf als absolute Stimmungsband haben sie sich eigentlich schon erarbeitet.

Zuerst durfte die kleine Bühne des noch recht leeren Substage aber der Support-Act betreten. „Stray Colors“ aus München hatten erst vor wenigen Tagen von ihrem Glück erfahren, hier den Abend eröffnen zu dürfen. Einige der Bandmitglieder wirkten auch noch sichtlich nervös. Der Sound des ersten Songs rangiert irgendwo zwischen der Melodie von „Just a Gigolo“ und der alten Thomy-Mayonnaise-Werbung mit dem Leuchtturmwärter – jeder, der älter als die Band ist, kennt den Song noch.

Obwohl einige der Musiker wirken, als wären sie gerade erst der Band der örtlichen Realschule entsprungen, wirkt die Band äußert harmonisch und gut eingespielt. Ein Stil, der irgendwo zwischen Balkan-Folk, Indie und Retro-Pop rangiert, animiert die ersten Reihen zum Tanzen und falls möglich auch zum Mitsingen, oder zumindest dazu, so zu tun, als würde man den Text kennen. Die Reaktionen sind so ehrlich wie die Musik der fünf Nachwuchsmusiker. Am Ende des knapp 40-minütigen Sets geht auch noch die eine oder andere Ausgabe ihrer aktuellen Platte „Atomic Bombs & Pirouettes“ über den Tresen des Merch-Standes.

Um 21 Uhr betreten dann endlich die Gastgeber den Saal. Leider konnten Russkaja nur knapp die Hälfte der maximal möglichen Gäste nach Karlsruhe locken. Da aber auf einen Wellenbrecher vor der Bühne verzichtet wurde, entstand eine wunderbar gemütliche Club-Atmosphäre, die sich so manche großen Bands gerne wieder zurück wünschen. So kam es dann auch, dass ein paar Biere direkt auf dem Bühnenrand abgestellt wurden, während direkt in den ersten Reihen ein kleiner Moshpit tobte.

Vielleicht haben die Frühlingstemperaturen der letzten Tage die Band wieder aufgetaut. Sie wirkt gänzlich anders als noch vor vier Monaten. Nichts ist zu spüren von vermeintlich russischer Schwermütigkeit, keine gedrückte Stimmung. Stattdessen packen die sieben in die erste Viertelstunde so viele Party-Evergreens wie möglich, und bringen das Substage zum Kochen. Wie so oft sind die Pfand-Spenden-Sammler von „Viva con Aqua“ vor Ort. Frontmann Georgij bindet sie auch direkt mit ein. Zum bereits bekannten und beliebten Circle Pit bei „Psycho Traktor“, bilden die beiden Damen inklusive ihrer gut sichtbaren Fahne den Mittelpunkt, um den die euphorische Menge rennt.

Die Stimmung ist zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Siedepunkt. Das Publikum hängt der Band an den Lippen, nimmt jede Animation mit auf, und selbst die extrem entspannte Security muss neidlos anerkennen, dass die Combo ihr Publikum im Griff hat. Leider versinkt die Geige von Ulrike Möllner teilweise in der Abmischung. Hier zeigen sich dann doch die Schwächen des kleinen Clubs und seiner Anlage. Am FOH wird allerdings fieberhaft dagegen gearbeitet, sodass doch immer wieder die Präsenz zurückkommt.

Der Titelsong zum aktuellen Album wird ausgiebig anmoderiert, „No one is illegal“ greift ein immer noch aktuelles Thema auf, welches auch in der Heimat der Band sehr kontrovers diskutiert wird. Auch „Love Revolution“ markiert einen Weg der Band, weg von reinen Partymusik, hin zum Transportieren von Inhalten. Das gelingt auch deutlich besser also noch vor einigen Monaten, denn das Zusammenspiel aus Ernsthaftigkeit und guter Laune wirkt deutlich weniger gekünstelt.

Ungewohnt bringen die Sieben ihr Avicii-Cover von „Wake me up“ nicht als Zugabe, sondern als den letzten Song vor der kurzen Bühnenpause. Das verwirrt durchaus einige im Publikum und veranlasst leider auch schon ein paar, vorzeitig zu gehen. Dabei nimmt Georgij sich für die Anmoderation von „Otets“ extra viel Zeit, und widmet diesen Song allen Vätern. Dass ein guter Freund von mir nur wenige Stunden vor dem Konzert Vater geworden ist, und seine Tochter nach der Zaren-Tochter Katharina benannte, nehme ich mal als glücklichen Zufall hin.

Ansonsten werden noch „Pray for freedom“ und „Energija“ als Zugaben zu diesem abwechslungsreichen Set hinzugefügt. Nach 90 Minuten endet dieses und hinterlässt ein glückliches Grinsen in den Gesichtern der Zuschauer, aber auch der Band. Russkaja schafft auf ihrer eigenen Tour einen Spagat zwischen Kunst und Chaos, das noch viel Raum für die weitere Entwicklung lässt. Fakt ist, dass die Entwicklung weg von der reinen Partyband durchaus gut tut. Die Variabilität hat zugenommen, und das Publikum versteht auch in den russischen Texten die Emotionen, die transportiert werden sollen. Oder aber, um es mit den Worten des Frontmanns zu sagen: „Niemand muss Russisch sprechen, um uns zu verstehen“. Diesen Spruch hat er sich übrigens bei einem Inkasso-Unternehmen geklaut.

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Über den Autor des Beitrags

Eightrocks

Hört am liebsten Symphonic- sowie Powermetal, kann sich aber auch für Pagan und Metalcore begeistern. Wenn er gerade einmal nicht mit Achterbahnen spielt, ist die Kamera im Anschlag.

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