Steven Wilson
27.07.2016 ZMF, Freiburg
Bevor es mit der “Hand. Cannot. Erase.”-Tour dann erst im Herbst und zwar am anderen Ende der Welt — in Australien und Neuseeland — weitergeht, war Steven Wilson am vergangenen Mittwoch Abend im Zirkuszelt des Zelt-Musik-Festivals in Freiburg zu Gast. Ein Termin, der überhaupt nur zustande kam, weil die ursprünglich für diesen Tag angekündigte französische Chanson-Sängerin Juliette Greco dem ZMF-Publikum leider aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. Stattdessen dürften sich Rockfreunde den Tag schon vor einigen Wochen in großer Vorfreude dick und fett im Kalender angestrichen haben.
Steven Wilson ist als genialer “Multi-Instrumentalist” und vor allem für sein Bandprojekt Porcupine Tree bekannt. Aber auch unter seinem eigenen Namen hat er bislang ein paar Alben herausgebracht — zuletzt eben “Hand. Cannot. Erase.” und die EP bzw. das Übergangs-Album “4 ½”, das die Hörerschaft zum fünften Studioalbum führen soll. Wer allerdings die “complete discography” auf seiner Website herunterlädt (ein 13MB großes PDF-Dokument), der wird feststellen, dass Wilson darüber hinaus als Mixer, Produzent und Gastmusiker schon für unzählige Musiker (Anathema, Dream Theater, …) und Alben arbeitete.
Ein besonderes Rock-Konzert durfte man also erwarten, auch weil die Tour-Band ebenfalls aus sehr erfahrenen Musiker zusammengesetzt war: Bassist Nicholas “Nick” Beggs (Kajagoogoo), Gitarrist David Kilminster (war schon mit Keith Emerson und Roger Waters auf Tour), David Kilmister am Keyboard (u.a. Miles Davis) und Craig Blundell am Schlagzeug.
Bis es soweit war, lief im Zelt aber nicht etwa irgend eine Musik von der Platte, sondern man wurde mit tiefen, düsteren Geräuschen und einer blau leuchtenden Bühnenszenerie eingestimmt, auf das was da kommen mochte.
Das Konzert begann dann wie geplant schon um 19:30 Uhr. Vermutlich etwas früher als gewöhnlich, damit die ellenlangen Kompositionen auch in ausreichender Zahl auf der Setlist Platz finden konnten. Wilson, muss man wissen, schafft es schließlich, Songs mit über 17 Minuten Länge auf einem Album unterzubringen. Fünfminüter gehören da eher zu den kurzen Stücken.
Zum Showbeginn kam Wilson für den zehnminütigen Opener “Ancestral” barfüßig und mit schwarzem T-Shirt mit der vielsagenden Rückenaufschrift “Art Is Truth” auf die Bühne, verschwand dann aber erst einmal hinter einem Tischchen, das mit dem heutzutage obligatorischen Mac-Book und allerlei sonstigem technischen Kram ausgestattet war. Im weiteren Verlauf spielte er allerdings meist Gitarre, auch mal Bass, sang natürlich und fuchtelte immer wieder mit Händen und Fingern durch die Luft, als würde er sein Orchester dirigieren.
Die musikalische Darbietung wurde über die formatfüllende LED-Wand auf der Bühnenrückseite begleitet — dort liefen allerdings meist keine speziellen Tour-Sequenzen sondern “nur” die (sehr gut gemachten) Musik-Videos zu den Stücken. Zum teils wirren “Vermillioncore” huschten recht psychedelische Visuals über die Anzeige.
Gleich zwei Mal erinnerte Steven Wilson an die jüngst verstorbenen Helden der 70er- und 80er-Jahre — gemeint waren David Bowie und Prince. Beide Male widmete der “eighties boy” einen Song dem Erstgenannten, dem 70er-Helden. Zunächst sein eigenes Porcupine Tree-Stück “Lazarus” — das, weil Bowie 2016 eine gleichnamige, allerletzte Single veröffentlicht hatte, die irgendwie als Abschied an die Fans interpretiert wurde. Dann, später, in der Zugabe den weltbekannten Bowie-Song “Space Oddity”, zu dem das Publikum Handklatsch-Percussion beisteuern durfte (“ihr wisst was zu tun ist, wenn es soweit ist!”).
Am Ende waren es rund zwei Stunden feinstes Rockprogramm. Poppige Abschnitte (“Hand. Cannot. Erase.”) wechselten sich mit virtuosen Gitarren- und Keyboard-Soli ab, mit atmosphärischen, verträumten Klanglandschaften und wurden immer wieder von heftigen Gitarren-Strobo-Gewittern durchschnitten. Alles nur kein “Milky Cheese” (Insider… — 258 Millionen Views, WTF?!).
Mit dem schon angesprochenen “Lazarus”, “Sleep Together” und dem abschließenden “Sound Of Muzak” wurden zudem auch die Porcupine Tree-Fans ausreichend bedacht. Großartige Musiker, großartiges Konzert!
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