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The Waterboys
19.11.2019 E-Werk, Köln

Die bereits Anfang der 80er-Jahre von dem charismatischen Sänger und Gitarristen Mike Scott gegründete Formation The Waterboys ist musikalisch nicht leicht einzuordnen. Zu einer Zeit, in der bestimmte Instrumente in der Rockmusik eher Tabu waren, setzen The Waterboys Trompete, Mandoline, Harp, Geige und Bouzouka regelmäßig in ihrem Soundgefüge ein. Mit Anleihen aus traditioneller schottischer Musik, Irish Folk und Post Punk haben The Waterboys es früh geschafft, einen ganz eigenen Rocksound zu kreieren, der spätestens mit Einstieg des ebenfalls brillanten Musikers und Songschreibers Karl Wallinger auch zu internationaler Beachtung führte. Mit dem herausragenden dritten Album „This Is The Sea“ (1985) landeten sie sogar in den USA-Charts. Aber wie so oft wird bei zwei genialen Köpfen in einer Band aus Kreativität schnell auch Konkurrenz, und es bilden sich Differenzen über musikalische Ausrichtungen, weshalb Wallinger recht schnell wieder ausstieg und bereits 1986 das nicht minder erfolgreiche Projekt „World Party“ gründete.

The Waterboys blieben sich ihrem groben Soundbild treu, auch wenn immer öfters Einflüsse aus anderen Genres wie Country, Funk und Rock´n´Roll aufblitzten und kein Album wie ein anders klang. War bereits „Modern Blues“ aus dem Jahr 2015 mehr im klassischen Rocksound, setzt das aktuelle, inzwischen schon 13. Studioalbum „Where The Action Is“ diesen musikalischen Umbruch konsequent weiter um: The Waterboys werden zur Rock´n´Roll-Band und bedienen sich mehr denn je klassischer Rock´n´Roll-Riffs. Allein die markante Stimme Mike Scotts schlägt die Brücke zum Sound der alten Waterboys-Songs.

Die aktuelle Tournee zu „Where The Action Is“ bringt The Waterboys in vier deutsche Städte, nur leider nicht nach Süddeutschland. Also auf ins E-Werk nach Köln, wo gleich der erste Schock kommt: Wie, bestuhlt? Naja, zum Glück hat das schmucke E-Werk eine Galerie auf der es sich gut fotografieren und tanzen lässt, ohne jemanden zu stören.
Der Abend beginnt mit zwei Songs des legendären „Fisherman´s Blues“-Album, bevor mit „Where The Action Is“ ein erster neuer Song gespielt wird. Insgesamt werden an diesem Abend vier Songs aus dem aktuellen Album performt.
Mike Scott ist jetzt nicht der leidenschaftliche Entertainer – zu seinen Songs erzählt er so gut wie gar nichts – aber er scheut sich nicht vor spontanen Reaktionen, wenn etwa nach dem fünften Song „Old England“ aus dem Publikum die ersten Songwünsche gerufen werden: „Es ändert zwar nichts am Programm, aber bitte, fühlt euch frei…
Und die zwei, drei Anekdoten die er am Abend erzählt, haben auch alle mit Musik zu tun: Etwa als er anmerkt wie viel Platz trotz der Bestuhlung alle im E-Werk haben und er sich erinnert, wie er in New Yorker unbedingt Ray Charles sehen wollte, aber in dem völlig überfüllten, angesagten Club nur noch einen Platz mit dem Rücken zur Bühne bekam.

Nach neun Songs kommt dann der zweite Schock des Abends: „We are back in 25 minutes“ – Rockkonzert mit Pause? Für die nur mühsam aufkommende Stimmung im Publikum ist diese Unterbrechung nicht hilfreich, was aber weniger an den Waterboys, sondern an der Bestuhlung liegt. Denn das Konzert ist musikalisch absolut klasse, sehr kraftvoll drückend und teilweise mit einer überraschenden Dynamik, die man eher von Van Morrison kennt. Auch die beiden Background-Sängerinnen tragen ihren Teil dazu bei und ergeben mit Keyboarder Paul Brown und dem Geiger Steve Wickham oftmals ein füllendes, breit arrangiertes Soundbild.
Seit 2011 ist der von Mike Scott als „Lead-Drummer“ vorgestellte Ralph Salmins bei den Waterboys am Schlagzeug. Und auch er unterstützt das Soundbild aktiv und wechselt im Konzert zweimal seine Snare von fast schon „pappigem“ Retro-Sound auf eher scharf knallig und zurück. Und zuletzt ist natürlich auch Mike Scotts zwölf-saitige Akustikgitarre zu erwähnen (auf heutigen Bühnen leider eher selten zu hören), die ebenfalls für sich alleine schon sehr rund und füllend klingt. Die meisten Songs spielt Scott aber auf einer türkisfarbenen Gibson, die mit fettem Sound auch sehr gut zu den Rocknummern passt. Farblich hingegen beißt sich die Gitarre etwas mit Scotts hellblauem Jeansanzug mit Schlaghose und Stickereien. Scotts ganzes Outfit mit Cowboystiefeln und Hut bekundet denn auch optisch Scott´s Liebe zu Amerika und amerikanischer Kultur und den musikalischen Pfaden von Country und Rock´n´Roll. Was ihn natürlich nicht daran hindert eine kurze, abfällige Bemerkung über den „orangefarbigen“ Mann im Weißen Haus zu machen, der an allen Enden der Welt zündelt.

Das zweite Set beginnt mit einer 30-sekündigen James Brown Funk-Anleihe, die etwas rüde abgewürgt wird und nur als Gag gedacht ist. Eine kleine Recherche ergibt, dass Mike Scott gerne beim Soundcheck mit seiner Band alte Klassiker aus verschiedensten Genres covert – irgendwie sympathisch, aber im Konzert dann doch eher irritierend. „This is The Sea“ ist dann der erste richtige Song, der das zweite Set eröffnet. Der sehr geniale, energiereiche Originalsong wurde für diese Tour in eine brave, unmotivierte Ballade umarrangiert: Der einzige Song des Abends, der nicht überzeugen konnte. Eine kurze aber gelungene Schlagzeugeinlage, genannt „Blues For Baker“, soll an den verstorbenen Ginger Baker erinnern und begeistert durch Salmins´ Mix aus typischen Baker-Rhythmik und eigenen Groove-Patterns.

Das ganze Konzert besteht aus insgesamt 21 Songs und geht – ohne Pause – dann doch deutlich länger als zwei Stunden, wobei sich Mike Scott ausschließlich mit Songs aus den Alben „Where The Action Is“, „Fisherman´s Blues“, „Modern Blues“ „Out Of All This Blue“ und natürlich „This Is The Sea“ bedient. Bei den deutlich in die Länge gezogenen Zugaben „We Will Not Be Lovers“ und natürlich „Whole In The Moon“ konnte ich leider aufgrund der Pause nicht mehr dabei sein, da ich bereits wieder im Zug nach Freiburg saß, aber ein nettes Paar aus Nordeutschland berichtete mir nachträglich, dass am Ende dann doch fast ein Drittel des Publikums stand und ausgelassen tanzte! So gesehen trafen wir uns aus Süd- und Norddeutschland etwa in der Mitte, um eines der wenigen Konzerten von The Waterboys in Deutschland erleben zu dürfen und waren uns einig darin, ein tolles Konzert erlebt zu haben, für das sich die lange Anfahrt absolut gelohnt hatte.

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Über den Autor des Beitrags

Tilo Fierravanti

Schlagzeuger mit zwei eigenen Bands, ist in vielen Musikrichtungen zuhause, vor allem aber in Sachen musikalischer Nachwuchsförderung im Raum Freiburg unterwegs und immer wieder auch in Jurys tätig (u.a. Play Live / Rampe).

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