Backslide – Anderthalb Dekaden Punkrock
„A Dark And Blackened Night“, so heißt das neue, dritte Album der Freiburger Band Backslide. Mit Besetzungswechsel – Marsen Angler kam 2004 für Jojo (Tora Bora) – existiert die Band nun 15 Jahre. Satte 10 Jahre sind seit der letzten Veröffentlichung “Terror Age” vergangen. Doch bereits letztes Jahr kam wieder richtig Bewegung in die Band, so meldete man sich auf den Bühnen mit Auftritten zurück, man befand sich bei den Albumaufnahmen im Sportstudio von Philipp Rauenbusch (Ex-Reamonn), für das dann Christoph Brandes (Common Grave/Surrealist/Dimorph) den Endmix besorgte.
Musikalisch hat sich das Quartett gelinde gesagt etwas umorientiert. So geht es zwar mit geballter Gitarrenkraft voraus, gesangstechnisch hat man aber weit mehr zugelegt, so dominieren hier vor allem die Melodien, mit meist tollen, mehrstimmigen Refrains, weg vom rauen Charme hin zu einer sehr poppigen Mixtur aus Punk- und Glamrock.
Über das neue Album „A Dark And Blackened Night“, die Entstehungsbedingungen und über das Selbstverständnis der Band gaben Sänger und Gitarrist Freddy Marrone und Schlagzeuger Lupus bereitwillig Auskunft.
Seit 2012 seid Ihr wieder live unterwegs. Wissen die Leute noch wer Ihr seid?
Naja, wir fangen vielleicht nicht gerade wieder bei Null an, aber ziemlich nah dran. Unsere Fans von damals sind mittlerweile halt auch etwas gealtert. Viele von denen gehen nicht mehr unbedingt auf Konzerte und bekommen nur bedingt mit, was all die Bands da draußen so treiben. Schlussendlich machen oft junge Leute den großen Teil eines Bandpublikums aus – die kennen uns eben nicht mehr bzw. noch nicht.
Nachdem Ihr 2005 eine Pause auf unbestimmte Zeit eingelegt habt wart Ihr in verschiedenen Bands und Projekten aktiv. Inwieweit war Backslide überhaupt noch relevant?
Wir haben nie eine offizielle Pause gemacht oder uns gar aufgelöst. Lediglich auf der Bühne waren wir in den letzten Jahren eher weniger zu sehen, was aber nicht bedeutet, dass wir untätig waren. Zum einen gab es – wie du schon erwähnt hast – diverse Nebenprojekte, zum andern haben wir uns intensiv ins Songwriting gestürzt. Dass es definitiv ein neues Backslide Album geben würde, war damals schon klar. Darüber hinaus hatten wir auch mit einigen Rückschlägen in Form von Besetzungswechseln und Krankheit zu kämpfen. Wir haben uns in dieser Zeit daher kaum aktiv um Konzerte gekümmert. Vielleicht waren wir obendrein auch schlicht und einfach etwas faul. Backslide war und ist aber ein großer Teil unseres Lebens und bedeutet uns sehr viel!
Ein neues Album war zu diesem Zeitpunkt geplant. Haben es Stücke aus dieser Zeit auf das neue Album geschafft oder entstand „A Dark And Blackened Night“ komplett neu?
Gute Frage. So genau kann wohl keiner mehr sagen, wann genau welcher Song entstanden ist. Da haben wir ehrlich gesagt etwas den Überblick verloren. In der ganzen Zeit haben wir um die 40 Songs und endlos viele Ideen fabriziert, wovon viele sofort, einige erst Jahre später wieder verworfen wurden. Unter anderem gab es bereits 2007 eine Vorproduktion von der es im Endeffekt aber kein einziger Song auf das Album geschafft hat. Einige Fragmente aus der Anfangsphase sind aber sicher auf dem Album gelandet; beispielsweise ist der C-Part bei Cannonball eins dieser Urgesteine. Andere Songs wiederum sind fast komplett – mehr oder weniger unter Zeitdruck – im Studio entstanden.
Nach der Rückkehr 2012 klingen Backslide anders als zu Beginn. Ist der neue Sound ein Konsens zwischen allen Musikern?
Wohl eher der Nonsens zwischen allen Musikern! In einer Band mit vier komplett unterschiedlichen Charakteren wirst du es immer schwer haben, die gemeinsame Richtung zu finden. Genau darin lag für uns aber auch die Herausforderung. Es ging zwar eine gefühlte Ewigkeit und war manchmal auch ziemlich zermürbend, aber im Endeffekt hat es sich für uns gelohnt! Die Band hat sich noch nie so gut angefühlt.
War es klar, dass Ihr Euch in eine neue Richtung entwickeln würdet?
Überhaupt nicht. Wir waren irgendwann einfach an dem Punkt angelangt, an dem uns die Erwartungshaltung der Leute nicht mehr wirklich interessierte. Ab diesem Zeitpunkt konnten wir im Prinzip machen, was wir wollten. Als Musiker ist das eine ziemlich befreiende Erfahrung.
Überspitzt gefragt: Vom Streetpunk zum Rock – sind Backslide altersmilde geworden?
Für uns war es immer wichtig, authentisch zu bleiben und wir haben uns eben persönlich verändert. Mittlerweile haben wir Familie und gehen geregelten Jobs nach. Da wäre es doch mehr als peinlich, sich vor dem Auftritt noch geschwind die Haare hochzustellen, einen auf harten Streetpunker zu machen und zum Straßenkampf aufzurufen. So waren wir mal, sind es aber nicht mehr. Was nicht heißen soll, dass wir uns für unsere Vergangenheit in irgendeiner Form schämen und mittlerweile gänzlich brav geworden sind. Aber wir laufen heutzutage eben nicht mehr besoffen und pöpelnd durch die Innenstadt und machen die Sachen von anderen Leuten kaputt. Das war damals so und ist ein Teil unsere Jugend. Gewisse Dinge sollte man den Teenagern überlassen – die können manches einfach besser! Aber viele der alten Songs spielen wir trotzdem noch live, weil sie einfach Spaß machen. Andere hingegen spielen wir bewusst nicht mehr, weil wir die Textaussagen nicht mehr passend finden. Um authentischen und auch aggressiven Streetpunk zu spielen, musst du so eine andauernde „Grundunzufriedenheit“ in dir tragen, und die haben wir offenbar nicht mehr. Wenn man das altersmilde nennen mag, von mir aus.
Mit Sicherheit werdet Ihr mit „A Dark And Blackened Night“ andere Leute erreichen als mit Beispielsweise „Terror Age“.
Ja, das haben wir bei den letzten Shows auch vermehrt festgestellt, aber in keiner Weise negativ. Wobei uns das auch von vorne herein klar war. Das Publikum hat sich verändert, aber die Resonanz ist durchweg positiv. Von daher können wir damit leben. Ab und zu finden sich aber auch immer mal wieder alte Fans, denen die neuen Sachen auch gefallen – das freut uns dann natürlich ganz besonders.
In die neuen Songs, die musikalisch ansonsten recht zeitlos sind, sind so einige elektronische Effekte eingebaut. War das eine Experimentierphase?
Songwriting ist wohl immer eine Form des Experimentierens, sonst würde man sich als Band ja nur auf der Stelle bewegen. Bei „A Dark And Blackened Night“ wollten wir uns einfach nicht künstlich in unserer Kreativität einschränken lassen. Inwieweit man diese Effekte als eingebaut betrachten kann, sei mal dahingestellt. Für uns sind sie Mittel zum Zweck und tragen Ihren Teil zur Grundstimmung des gesamten Albums bei.
Mir persönlich gefällt der ausgewogene Charakter vom Album, es ist alles dabei, Hits, langsameres, persönliche Lyriks etc. Auch ist für eine Band das aktuelle Album meist das beste. Wie steht Ihr dazu?
Danke erstmal! Naja, das Beste klingt immer etwas engstirnig. Ein Album ist, auch wenn man noch so lange daran arbeitet und feilt, immer eine Momentaufnahme. Ist es fertig, fallen einem schon wieder 1000 Dinge ein, die man anders machen würde. Trotzdem sind wir natürlich saumäßig stolz darauf. Das waren wir aber auch bei „Terror Age“ und bei „Join the Backslide Youth“. Wenn man es natürlich unter produktionstechnischen Aspekten betrachtet, ist „A Dark And Blackened Night“ definitiv das aufwendigste, ausgefeilteste und sicher auch das persönlichste Album bisher.
Welchen Stellenwert hat Backslide für Euch als Musiker? Ist es ein Projekt, das immer mal wieder aufgenommen wird oder wird es jetzt wieder regelmäßig Neues und Touren geben?
Also ein „Projekt“ war Backslide nie und wird es auch niemals sein. Projekte sind zumeist etwas Vergängliches und bis zu einem gewissen Grad auch austauschbar. Backslide bedeutet uns allen sehr viel. Wir werden auf jeden Fall mit dem Album auf Tour gehen und haben nebenbei natürlich auch schon ein Auge auf das was kommt. Grobe Ideen und Songbausteine für das kommende Album stehen schon. Wir sind alle gespannt, in welche Richtung es diesmal gehen wird und sind natürlich guter Dinge, dass es nicht wieder zehn Jahre dauern wird!!