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Everlast 12.12.2012, Jazzhaus/Freiburg (Interview + Bericht)

Mittwoch, 12.12.2012 im Freiburger Jazzhaus – kurz vor 21 Uhr. Der Keller ist gut gefüllt, das Publikum ziemlich gemischt. Hier und da sieht man auch jemanden, der der Hip-Hop-Fraktion angehören dürfte – diese ist aber, zumindest optisch, doch sehr in der Minderheit.
Auf der Bühne nehmen gerade zwei Künstler ihre Akustikgitarren in die Hand. Den einen davon kennen die meisten wohl durch seinen Song “What It’s Like”, andere womöglich von Santana’s “Supernatural”-Album. Seine größten Erfolge feierte er, Eric Schrody a.k.a. Everlast, allerdings in den Neunzigern zusammen mit Danny Boy und DJ Lethal als “House of Pain”. Dazu ist er Teil der Hip-Hop-Supergroup “La Coka Nostra” – das aber eher nebenbei. Denn schon lange macht er sein eigenes Ding – irgend etwas zwischen Blues, Rock, Country und Hip-Hop.

Everlast Title - Tribe Online MagazinEine Stunde zuvor sagte mir der Tourmanager Joe jedenfalls leider, dass das Interview, das ich eigentlich mit Herrn Schrody machen sollte, nicht stattfinden würde. Mein geplanter Gesprächspartner sei gerade in Aufregung, weil seine schwangere Frau in der Heimat gerade (ungeplant) auf dem Weg ins Krankenhaus wäre. So begnügte ich mich also erst einmal damit, während des Auftritts Fotos von den Musikern zu machen.

Nachdem die Zugabe gespielt war, klärte Joe im Backstage-Bereich für mich ab, ob vielleicht doch noch ein Interview herausspringen könnte. Mit Erfolg. Joe sagte: “Mach dich fertig und wenn alles so weit ist, gehen wir rein. Du hast zehn Minuten.”. Und er gab mir den Rat, nicht zu überziehen – das könne die Stimmung kippen lassen… Trotz allem fand ich im Nebenraum einen dann doch recht entspannten und gesprächsbereiten Everlast vor.

Musikalisch gesehen war der „akustische Abend mit Everlast“, wie erwartet, Klasse. Die “What It’s Liiiiiiike”-Rufe vor jedem Stück wurden erst einmal mit dem Hinweis abgetan, dass sie bestimmt irgendwann einmal richtig liegen würden. Letztendlich, glaube ich, dürfte jedenfalls, was die Song-Auswahl anging, kein Wunsch offen geblieben sein. Hier die Setlist des Abends:

  • Long At All
  • Gone For Good
  • Little Miss America
  • Ends
  • The Crown
  • Long Time
  • White Trash Beautiful
  • Anyone
  • Lonely Road
  • Folsom Prison Blues
  • What It’s Like
  • Stone In My Hand
  • Broken
  • Sixty-Five Roses (Zugabe)
  • Put Your Lights On (Zugabe)
  • (und weitere Titel als Zugabe…)

Gerade als das zweite Stück angestimmt wurde, gab es allerdings eine verbale Auseinandersetzung zwischen dem Piloten und einem der Passagiere – was schlussendlich dazu führte, dass der Passagier vom Sicherheitspersonal ohne Fallschirm vor die Tür gesetzt wurde. Er hätte einfach nicht diskutieren sollen… Warum ich hier wie von Erlebnissen eines turbulenten Linienfluges schreibe? Das lasst euch mal gleich vom Pilot himself erklären…

Coole Show…

Danke, Mann, Danke.

Zuerst: ist alles O.K. mit deiner Familie?

Ich weiß nicht so recht. Meine Frau ist schwanger und ist gerade im Krankenhaus… aber es ist noch zu früh, um etwas sagen zu können. Also, ist weiß es nicht.

Es ist dein zweites Kind, richtig?

Ja und es gibt da Probleme. Das Baby sollte zwar gesund sein, aber es ist zu früh. Ich muss warten, bis ich etwas von ihr höre.

Das ist das erste Mal, dass du in Freiburg bist…

Ja, definitiv.

… und, hat es dir gefallen?

Bis auf den verdammten Idioten da vorne in der ersten Reihe… Das verdammte Problem ist doch, dass ich noch nicht einmal mit ihm geredet habe. Da waren ein paar Frauen hinter ihm, die sich richtig laut unterhalten haben. Und weißt du, wenn da eine Band spielt ist das eine Sache – dann kannst du das neben der Band, den Drums und dem Bass nicht wirklich hören. Da geht das unter. Aber so… wenn sogar ich die auf der Bühne reden höre, dann finde ich das respektlos. Ich meine, ich bin ein Künstler und möchte einfach meine Kunst machen – das ist meine Arbeit.

Ich habe den Mädels gesagt, dass sie ruhig sein sollen. Und dann hat der Typ… Ich meine, schau ihn dir an. Glatzkopf und so. Dann sagt der: “Mit dir rede ich doch gar nicht. Spiel du einfach deine Songs.”. Was dann bei mir ankommt wie “Halt’s Maul und spiel!”. Und da meinte ich dann eben, dass er gehen muss. Du kannst mit dem Piloten des Flugzeugs nicht so sprechen. Ich meine… ich bin der Pilot. Wenn du meinst, du musst mein Flugzeug kapern, dann bis du hier raus. Das ist mir dann egal. Dieser ganze Tough-Guy-Kram ist doch Scheiße. Wenn er einfach ruhig gewesen wäre, hätte er auch kein Problem bekommen. Ich hab ja noch nicht mal mit ihm geredet. Aber er sagt: “Spiel einfach deine Songs!”. Das war respektlos. Fuck you!

Zu deiner Musik. Deine Texte sind zum Teil recht politisch…

Es geht eher um Gesellschaftsthemen. Mehr um die Leute als um die Politik bzw. darum, wie sich die Politik auf die Menschen auswirkt…

… “Little Miss America” zum Beispiel. Oder “Kill The Emperor”…

Bei “Little Miss America” geht es tatsächlich um Amerikaner und ihren Hang zur Anmaßung. Die ganzen Paparazzi… Und jeder will einen Film machen, jeder will ein Star oder eine Kim Kardashian sein. Keiner will wirklich etwas tun. Als wollten sie für’s Shoppen berühmt sein oder dafür, dass sie einen Sch***z lutschen. Darum geht es bei “Little Miss America” irgendwie – aber aus der Perspektive von einem Soldaten, der nach Hause kommt und denkt “ich muss für euch ggfs. jemanden töten” und ihr macht so einen Dreck. Es ist irgendwie ein zweischneidiges Schwert, wie das meiste, was ich schreibe.
(nach einer kleinen Denkpause meinerseits)
Ich bin etwas betrunken, du wirst heute also keine besseren Antworten bekommen…

Gutes Stichwort… Du bist ja zum Islam konvertiert…

Über Religion spreche ich nicht, Mann.

Nein?

Nein. Religion ist etwas Persönliches… Ich glaube an absolut keine organisierte Religion oder was auch immer.

O.K., fangen wir anders an… Ich für mich brauche keine Religionen – ich habe sozusagen meine eigene. Ist es ungefähr das, was du meinst?

Ja ungefähr. Man könnte sagen, so geht es mir auch, aber meine basiert eben auf dem Islam. Deshalb bin ich aber kein Sklave von irgendwas… Es ist wie mit jeder anderen Religion auch: einige Dinge machen Sinn, andere nicht. Ich nehme die ganzen jüdisch-christlichen und muslimischen Erfahrungen… weißt du, ich wurde katholisch erzogen, aber als ich jung war, waren die meisten Leute um mich herum jüdisch. So wusste ich also einiges über die Bibel und die Tora.

Dann habe ich aber dieses Ding namens Koran gefunden. Und, um ehrlich zu sein, da gibt es eine Zeile auf meiner Platte, die sagt: “Was ist, wenn es Gott gibt, aber Religionen eine große, verdammte Lüge sind?”. Weißt du, was ich meine? So fühle ich mich da irgendwie. Gott interessiert sich nicht so wirklich dafür, ob du… ich esse Schweinefleisch und schlafe mit meiner Frau, wenn ich es will… oder rauche und trinke…

(Ich blicke zum Aschenbecher rüber…) Oder du rauchst Gras…

Ja, oder das. Hey, wenn Gott ein Problem mit mir hat, weil ich Gras rauche, dann komme ich halt in die Hölle. Wenn das wirklich so läuft – dann ist es halt so. Vielleicht will ich ja auch dann noch Gras rauchen. Und wenn es in der Hölle Gras gibt, und wenn es da Whiskey gibt, dann werde ich da sein. Und die ganzen Typen, die meinen, sie kämen in den Himmel werden auch dort sein. Da halte ich es irgendwie mit Curtis Mayfield. Wenn es eine Hölle gibt, dann werden wir da alle hinkommen. Es gibt keine Ausnahmen. Der Papst auch! Jeder.

Themenwechsel. Du hast ja La Coka Nostra vor dem zweiten Album verlassen…

Nein, habe ich nicht. Die Situation ist die: ich habe eine Tochter, ich habe eine Familie. Und zwar eine Tochter mit speziellen Bedürfnissen. Und ihre Zeit, die sie auf der Welt sein wird – ob es jetzt 100 oder eben nur 30 sind – ist mir mehr Wert als alles andere.

Man muss einfach sehen, dass La Coka Nostra nicht meine hauptsächliche Arbeit ist. Mein Haupt-Job meine eigene Musik. La Coka Nostra ist eine Gruppe, in der ich bin, bei der ich zugestimmt habe, ein Teil davon zu sein – wenn ich kann. Es waren jetzt drei oder vier Jahre vergangen seit dem letzten Album und die Jungs wollten wieder eine Platte machen. Da konnte ich einfach nichts versprechen. Denn es ist einfach mehr als nur eine Platte zu machen. Wenn ich zusage eine Platte mit ihnen zu machen, dann gehe ich ja auch mit ihnen auf Tour. Es ist also ein zweischneidiges Schwert. Sollen sie auf mich warten – keine Ahnung – vielleicht ein Jahr? Würde das dem Projekt schaden? Oder soll ich mit ihnen das Album machen, aber dann nicht mit auf Tour gehen? Würde ich damit die Promoter verärgern?

Also warum nicht einfach sagen, sie sollen die Platte ohne mich machen? Ich habe ja kein Problem damit – wir sind Freunde…

Dann ist es also nicht das Ende von dir und La Coka Nostra?

Ich hoffe nicht. Es kommt alles auf die Zeit an. Unsere erste Show…
(der Tourmanager deutet mir per Fingerzeig an, dass ich nur noch zwei Minuten hätte…)
…achte nicht auf ihn! Also, in Amsterdam war unsere erste Nacht der Tour – Ill Bill und Vinnie Paz dabei. Und als ich meine Show beendet hatte, habe ich dann noch zusammen mit ihnen ein paar La Coka Nostra Songs gespielt.

Was ich meine ist: ich bin ein Opfer der Umstände meines Lebens. Ich habe einfach meine Prioritäten und La Coka Nostra kommt da eben nach meiner Familie. Sie müssen einfach tun, was sie tun müssen. Ich kann sie ja nicht davon abhalten, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.

Sagen wir es einfach so: es ist nicht das Ende von irgend etwas. Ich habe La Coka Nostra nicht verlassen. Wer weiß, vielleicht – hoffentlich – bin ich bei der nächsten Platte wieder dabei. Und wenn nicht, dann halt bei der übernächsten. Weißt du, als wir das erste Album eingespielt haben, haben wir das sozusagen live gemacht. Wir waren alle im selben Raum. Das neue Album ist anders entstanden. Da fällt es mir auch schwerer, kreativ zu sein. Da wurde eher das Material hin- und hergeschickt, weil alle immer etwas zu tun haben. Slain mit Filmen, Ill Bill ist auf Tour oder macht Platten – der macht ja fast zwei Alben pro Jahr. Naja, nicht ganz, aber eine sicher… Heavy Metal Kings und so.

Wann können wir denn eigentlich neues Material von dir erwarten?

Momentan arbeite ich an einem Akustik-Album. Das ganze war und ist ja irgendwie eine große Überraschung für mich. Ich habe ein paar Songs im Podcast meines Kumpels Joe Rogan gesungen. Das habe ich zuvor auch schon in Radio-Sendungen gemacht. Aber das mit Joe Rogan und seinem Podcast läuft halt weltweit. Das nächste an das ich mich erinnere war, dass ich auf Tour gegangen bin, um einfach Akustik-Songs zu spielen.

Und außerdem wird es noch so etwas wie eine Hip-Hop-Platte geben, u.a. mit De La Soul, Atmosphere, Evidence – es haben viele zugesagt. Ich habe alle meine Lieblings-Rapper gefragt, ob sie dabei sein wollen. Von 20 werden vielleicht zehn ja sagen, dachte ich. Schließlich haben aber alle gesagt, sie wären dazu bereit. Ich sollte aber wohl noch nicht allzu viel darüber erzählen, bevor es nicht spruchreif ist. Es wird Hip-Hop – mein persönlicher Liebesbrief an den Hip-Hop.

Und wie sieht’s denn eigentlich mit House of Pain aus? Ihr habt ja 2011 die Anniversary Tour zusammen gemacht… War es das jetzt?

Es war 2010, oder?
(Joe bestätigt beides: es waren zwei Sommer)
Ich weiß nicht, welche Bedeutung der St. Patricks Day am 17. März hier hat. Es war jedenfalls St. Patricks Day und, weil es ja was irisches ist, haben wir eine Show gespielt. Mein Freund Dana White, Präsident der UFC, machte eine große Party und wollte, dass wir spielen und wir haben zugesagt und hatten Spaß. Und das live zu spielen war richtig Fun. Und 2010 und 2011 war dann unser 20-jähriges Jubiläum – das war dann eine gute Entschuldigung dafür, rauszugehen und Spaß zu haben.

Ob es nochmal ein Album von House of Pain geben wird? Ich hasse es zu sagen, aber ich bezweifle das. Ich denke auch nicht, das Lethal das im Sinn hat. Und ich habe einfach selbst zu viel zu tun. O.K., ich will ehrlich sein – weil ich etwas beschwipst bin und gut drauf bin. Nein.
Wenn ich etwas in meiner Zukunft sehe, dann ist es das, was du hier heute gesehen hast.

Klar. Ich frage einfach, weil du mit House of Pain den Soundtrack meiner Jugend gespielt hast…

Ja und das hat Spaß gemacht. Und wenn ich mit meiner Band spiele und das Publikum gut drauf ist, dann spiele ich auch ein paar House of Pain Songs… Für mich ist es, als ob man sich ein Fotoalbum ansieht. Oh schau, meine Zwanziger waren cool – ich war cool. Aber willst du wirklich noch einmal diese Person sein?

Ich glaube nicht. Du solltest einfach da sein, wo du bist. Ich bin jetzt 43 und ich rappe ab und zu noch. Aber wenn ich mich so selbst betrachte, stellt sich mir schon die Frage, ob ich das noch tun will, wenn ich mal die 50er-Marke überschritten habe. Klar, es wird 50-jährige Rapper geben… Aber das, was ich jetzt mache, könnte ich mir auch noch vorstellen, wenn ich mal 90 bin – wenn ich dann noch kann.

Für mich ist Rap ein schöner Sport. Rap ist Sport! Rap ist eher eine Sache für die Jungen. Es kommt einfach die Zeit, da sollte man die jungen das machen lassen. Manche machen es gut, manche schlecht – ich werde darüber nicht urteilen. Ich möchte nicht der alte Mann sein, der sagt: “die machen das aber schlecht”. Oft wollen die Leute, dass ich darüber urteile und irgend einen Scheiß dazu abgebe und zum Beispiel irgendwie auf Lil Wayne herumhacke. Aber warum? Weil er mega-erfolgreich ist? Sicher mag ich nicht jeden Song, den er macht. Aber es gibt zumindest ein paar, die ich gut finde. Und wahrscheinlich habe ich gerade sogar einen auf meinem Handy. Wenn jemand tut, was er mag und weil er es mag – das gefällt mir. Jay-Z zum Beispiel. Egal wieviel Hundert Millionen Dollar der macht, oder ob er ein eigenes Basketball-Team hat. Wenn ich ihn rappen höre, dann merke ich einfach, dass er es liebt, zu rappen. Und das respektiere ich.

Zum Schluss: welches Album hörst du gerade am liebsten?

Eigentlich höre ich eher einzelne Songs… Oh, warte – doch, das ist einfach – das ZZ-Top Album “La Futura”.

O.K., danke für deine Zeit und das tolle Konzert. Und noch einmal alles Gute für deine Familie.

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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