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Ferris MC – Wahrscheinlich nie wieder vielleicht

Wir haben Ferris und was habt ihr?”, das können Deichkind nach rund zehn Jahren nun nicht mehr fragen, mussten sie doch Ende letzten Jahres bekannt geben, dass Ferris MC die Band verlassen hat und sich mehr seiner Solokarriere widmen möchte. Stattdessen könnte nun das Baden-Württembergische Label Arising Empire damit “prahlen”, den mittlerweile auch schon Mittvierziger unter Vertrag zu haben, der — wir erinnern uns — in den Neunzigern Deutschlands Hip-Hop-Szene mit prägte und spätestens mit “Reimemonster”, einer Kollaboration mit Afrob, kurz vor der Jahrtausendwende so richtig durchstartete.
Aber Moment mal… Die beim zu Nuclear Blast gehörenden Arising Empire — machen die nicht eher in Rock, Punk und Metalcore? Doch, doch! Und genau in die Richtung geht Ferris mit seinem neuen Solo-Album “Wahrscheinlich nie wieder vielleicht” auch. Aber Ferris war Rock und Punk gegenüber früher schon aufgeschlossen und hatte ja auch immer wieder Titel auf seinen Alben, die die Genre-Grenzen des Hip-Hops in Richtung Rock/Crossover ausdehnten. Insofern ist “Wahrscheinlich nie wieder vielleicht” nun also kein allzu großer Bruch.

Rap-technisch bin ich mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem ich mich nur noch wiederholen kann, um den Erwartungen gerecht zu werden.

Mit dem Titeltrack wurde im Januar eine erste Single vorausgeschickt, die irgendwie nach Deutschrock und 90er-Alternative mit Mitgröl-Hymnen-Pop-Punk-Refrain klingt. Im Februar folgte “Für Deutschland reicht’s”, das mit stampfendem Beat, Autotune, Parodie und Pop-Strophen auch unter den Fans polarisierte. Dabei hätte der Song ziemlich genau so aber auch bei Deichkind durchgehen können — allzu schockierend kann das also nicht sein. Nicht, wenn man an den Album-Aussetzer “Asilant” (2017) zurückdenkt. Und auch nicht, wenn man “Ferris Hilton” in den letzten Jahren verfolgt hat, es geht schließlich als das “Arbeit nervt” von Ferris durch, irgendwie — Parallelen sind jedenfalls definitiv zu hören.

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Video zu “Für Deutschland reicht’s”

In den meist persönlichen Texten des Albums bringt sich Ferris gewohnt gerne in die Underdog-Rolle und spielt dabei auch mit seiner schwierigen Vergangenheit. Oft werden die Zeilen durchaus auch sozialkritisch oder ein bisschen politisch (z.B. das schon erwähnte “Für Deutschland reicht’s”, “Shitstorm” oder “Fake News”). Die thematische Mischung passt im Grunde genommen ähnlich gut wie die Stimme (von clean über rau bis zu ein paar aggressiven Shouts), allerdings bleibt es oft auch im seichten Bereich. Über den Refrain von “Mein Herz hat ‘ne Knarre” (“… und die macht bumm, bumm bumm. Wenn du mich verlässt, bringt es dich um, um, um.”) komme ich beispielsweise auch nach ein paar Durchläufen nur schwer hinweg — den bunten Pop-Charakter, den es durch die Wortwiederholungen bekommt, können schließlich auch die harten Gitarren nicht negieren.
Apropos Gitarren: Das Album wurde übrigens von Madsen (die ebenfalls bei Arising Empire sind) eingespielt und produziert. Musikalisch zeigt sich der Rock von seinen verschiedensten Seiten: Deutschrock, Indie-Rock (“Krank”, “Scherben bringen Glück”) und Rock-Ballade (“Der Teufel tanzt weiter”, “Amok Amok Amok”) — hier und da mit Punk und Alternative und mal mehr und mal weniger bissig. Spaß machen, wie ich finde, vor allem das düstere “Niemandsland” mit seinem brachialen Sound und den Tempo- und Rhythmuswechseln und das punkige “Shitstorm”.

Nach “Glück ohne Scherben” (Album, 2015) heißt hier nun ein Titel “Scherben bringen Glück” — Ferris MC hat das Bisherige über den Haufen geworfen und will die Teile nun anders neu zusammensetzen. Ob ihm diese Scherben Glück bringen werden oder nicht, wird man wohl erst später rückblickend sagen können. Wahrscheinlich? Vielleicht. Der große Wurf ist das Album sicher nicht, aber doch wesentlich besser, als ich mir das erwartet hätte. Für Deutschland reicht’s allemal.Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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