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Feuerschwanz – Das Elfte Gebot & Die Sieben Totsünden (LP)

Blödsinn, Satire, Gaukelei und Tanz – Das kann nur Musik von Feuerschwanz. Die sechs Barden & Bardinnen rund um Hauptmann Feuerschwanz gehören zu den umtriebigsten des Mittelalter-Rock. Wobei sie ihren Stil selber als Mittelalter-Folk-Comedy bezeichnen. Was auch immer es ist, was da den Klampfen und Pfeifen entspringt, es ist immer gut für ausgelassene Stimmung, Hörner voller Met und wenig bekleidete Menschen.

Die Miezen auf der Bühne gehören genauso zu Feuerschwanz wie zotige Texte, eingängige Melodien und im Auge des Klerus ketzerische Ansichten.

So passt es, dass der neueste Silberling „Das Elfte Gebot“ heißt. Damit dürfte der Zugang zum Vatikan Open Air wohl endgültig versperrt sein. Als hätte man es geahnt bei dem Titel, nehmen uns die Blödelbarden mit auf eine Reise durch elf Songs.

Wer dann noch nicht genug hat, bekommt mit „Die sieben Totsünden“ direkt noch – wer hätte es gedacht – sieben Coversongs serviert. Ein vollgepacktes Doppelalbum liegt uns also vor der Nase. Es gibt dementsprechend viel zu hören und zu schreiben.

Das Elfte Gebot

Photo Credit: by Nikolaj Georgiew

Im Mittelalter hätte man jetzt elegant das Leder zurückgeschlagen und den Anblick auf den Tonträger genossen, im Jahr 2020 muss man leider erstmal die Plastikfolie von der Scheibe abknibbeln. So bleibt uns aber noch genug Gelegenheit das fantastische Artwork zu bewundern, welches für Feuerschwanz ungewohnt martialisch herkommt. Der Krieger, der uns, von einem Drachen begleitet, entgegenstürmt, könnte auch aus einem Goerge R. Martin Roman stammen.

Wenn wir die Platte einlegen, begrüßen uns etwas orientalische Klänge begleitet von harten Riffs. „Meister der Minne“ heißt das erste Gebot. Startet flott durch und singt, wie so oft bei Feuerschwanz, von den Gelüsten des Mannes. Der Refrain hat einen herrlichen Discofox-Beat und dürfte damit auch die letzten von den Holzbänken des Atriums reißen. Eine deftige Hook entlässt uns erneut in den doppelt gesungenen Refrain, sodass wir hier definitiv einen klassischen Pop-Song-Aufbau haben. Was solls – macht Spaß und Lust auf mehr.

Mehr bekommen wir direkt auch mit „Metfest“. Na klar, Alkohol, Götter, Hörner. Damit sind alle Zutaten für einen Festival-Song zusammen. Das Gebräu geht gut in die Kehle und den Gehörgang. Der Refrain lässt sich astrein mitgröhlen. Die Gitarren klingen druckvoll nach, massieren unsere Met-geschwängerten Synapsen. Man muss den Song nur einmal hören um die letzten Zeilen mitsingen zu können. Eine echte Ohrwurmnummer – und der Autor hat Durst….bin mal kurz weg.

Düstere Riffs lassen mich zurück zur Tastatur eilen. Der Met schwappt aus dem Horn und besudelt die Tastatur. Naja, da muss ich jetzt durch. Die klebringen Finger blättern über die Songliste, als mir der erste Chorus den Titel vorgibt.

„Das Elfte Gebot“, damit der Titeltrack dieser Scheibe, ist ungewohnt düster. Hart aber melodisch tobt sich Gitarrist Prinz Hodenherz aus, doch auch Johanna von der Vögelweide zeigt was sie an der Geige kann. Im Song werden wir in erster Linie aufgefordert unser Leben zu genießen, denn schon morgen kann der Tot uns holen. Ein gutes Motto haben sich die sechs Erlanger da rausgesucht. Viel mehr gibt es über den Song leider auch nicht zu sagen.

Video zu „Das Elfte Gebot“
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Ganz anders da der „Kampfzwerg“ der uns jetzt über den Weg läuft. Es werden alle Klischees über die kleinwüchsigen Höhlenbewohner zum Besten gegeben, die sich in einschlägiger Fantasy-Literatur auftreiben ließen. Kurz und knackig ist das instrumentale Gerüst, welches die vielen Textzeilen stützt. Auch da hat man sich wohl ein Vorbild an den kleinen Goldsuchern genommen. Kurzum, ein gelungenes Werk aus Fingern und Kehlen, die ihr Handwerk verstehen.

In der Mitte des Albums angekommen, werden wir etwas melodischer und auch melancholischer. „Im Bauch des Wals“ ist eine düstere Ballade, welche sich in ihrer Architektur an klassischen Minnegesängen orientiert. Im Text wird ungewohnte Kritik an den Verhaltensweisen des Menschen vorgetragen. Auch die Rache der Natur wird mit verwoben. Eine neue Seite, die man so von Mittelalter-Satirikern von Feuerschwanz noch nicht gehört hat. Was darf Satire? Wenn sie so vorgetragen ist wie hier – definitiv alles.

Nach der schweren Kost muss das Tanzbein erstmal wieder aufgeweckt werden. „Mission Eskalation“ ist dazu der genau richtige Song. Im Stil einer „Toten Hosen“-Stadionhymne wandeln wir feiernd durch das alte Rom, zerstören Traditionen oder lassen den Klerus auflaufen. Die Geistlichen haben wirklich nicht viel zu lachen auf dem neuesten Werk von Feuerschwanz. Die Stimmung beim Pöbel ist auf jeden Fall wieder oben.

Wer feiert braucht früher oder später anscheinend auch weibliche Gesellschaft. Da passt doch die „Schildmaid“ ganz vorzüglich. Doch trotz der heroischen Männerchöre bleibt die gute Tochter Odins vollkommen unbeeindruckt. Man stellt sich zwangläufig eine grölende Horde Krieger vor, die in der örtlichen Kaschemme vom Met berauscht versuchen ihre Lust auszuleben. Am Ende des Abends bleibt aber anscheinend auch mangels Dirnen nur klassische Handarbeit. Früher war halt doch nicht alles besser.

„Malleus Maleficarum“ ist mindestens genauso schwierig zu schreiben wie auszusprechen. Mit einem stampfenden Powerwolf-Beat aus den Fingern von Trommelschläger Sir Lanzeflott treiben wir durch einen eher durchschnittlichen Song. Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, Hook, Refrain, Refrain. Man kennt das Muster. Das nicht aussprechen können des Titels hilft natürlich auch dabei, dass sich dieser wohl eher weniger gewünscht werden wird.

Ganz anders da, der erste englischsprachige Song der Band. Mit „Lords auf Powermet“ wagen die Barden sich auf neues Terrain. Wobei – nicht alles ist auf Englisch. Man darf sein Publikum ja nicht zu sehr verschrecken. Genauer gesagt, ist nur eine Zeile des Refrains in dieser fremden Sprache. Ein bisschen Latein noch reingemischt, und schon hat man ein Sprachen Potpourri, welches man in der Form sonst eher bei Gloryhammer zu hören bekommt. Auch der musikalische Aufbau orientiert sich an den Zeitreisenden rund um Angus McFife. Insgesamt ein guter Song, der dem Album Varianz verleiht.

Im „Totentanz“ gehen Feuerschwanz wieder zurück zu ihren Wurzeln. Mittelalterliche Tröten führen uns ein, bis sehr schnell saftige Riffs und treibende Drums die Führung übernehmen. Erneut wird viel Kritik geübt an der Lebensweise der Menschheit. Der Totentanz bezieht sich hier also auf unseren Heimatplaneten, welchen wir sehenden Auges zu Tode tanzen. Hans der Aufrechte feuert uns mit seinem kreischenden Gitarrensolo zu Höchstleistungen an. Wenig zotig wird hier offen angeprangert. Feuerschwanz schlägt also auch bei den Texten neue Wege ein.

Der letzte Song von „Das Elfte Gebot“ kommt überraschend. Kurzweilig waren die ersten zehn Songs. „Unter dem Drachenbanner“ passt zum Artwork der Platte und ist einer Kriegshymne nachempfunden. Der Duktus und das rollende R von Hauptmann Feuerschwanz erinnert dabei ein wenig an Rammsteins Till Lindemann, wobei die Chöre im Refrain dann doch wieder typisch Feuerschwanz sind. Es werden nochmal alle Instrumente des Mittelalter-Repertoires rausgekramt, damit man auch weiß, mit wem wir es hier zu tun haben.

Kurzweilig und mit netten Hymen zeigen uns Feuerschwanz auf diesem neunten Album wieder ihr können. Die Texte sind weniger von Zoten durchzogen wie bisher. Stattdessen wird offene Kritik am Lebenswandel und -stil der Menschheit geübt. Das ist wahr und treffend, wirkt allerdings zwischen den Sauf- und Partyliedern weniger Aufrecht, als man beim Schreiben wohl gehofft hat.

Den Wandel vom Saulus zum Paulus, ohne sich dabei selbst zu verraten, ist für Party- und Persiflage-Bands nicht einfach. Feuerschwanz ist mit „Das Elfte Gebot“ auf einem guten Weg, lässt aber noch Luft nach oben. Dass sie nicht nur blödeln können und wollen, sondern auch gute Musiker sind, die Ihre Instrumente beherrschen, zeigen sie uns auf der B-Seite dieses Tonträgers.

Die Sieben Totsünden

Auch beim Bonus-Teil des neuesten Werkes aus der Feder von Feuerschwanz, ist der Name mehr als Programm. Sieben Songs hat man sich ausgesucht, um sie im eigenen Stil zu Covern. Das Prozedere ist nichts neues, im Moment ja regelrecht weit verbreitet. Manche Bands nehmen ganze Cover-Alben auf, ohne sie mit eigenem Material zu ergänzen.

Es lässt sich vortrefflich streiten, ob Cover-Songs einfach nur Faulheit verkörpern, oder das wahre Können, denn schließlich will man den Interpreten des Originals nicht enttäuschen. Was auch immer die Motivation von Feuerschwanz war, jeder der Musiker durfte sich einen Song aussuchen, welchen er gerne neu interpretieren würde. Woher der Siebte allerdings kommt, bleibt auch mir verborgen. Des einen Freud ist des anderen Leid, und so werde ich mal versuchen, herauszufinden, wo die Totsünde bei den einzelnen Songs liegt.

„Seeed – Ding“

Gut gealterter Pop-Song, hatte im Original schon richtig Schub und funktioniert noch immer auf den Dancefloors der Nation. Die Umsetzung der Mittelalter-Barden bleibt erstaunlich nah an der Vorlage. Härtere Gitarren, die Bläser zeitgenössisch ersetzt, weibliche Stimme für den Hook. Am Ende bekommen wir sogar noch Versuche, den Metalcore zu imitieren. Das Cover wird besser, je öfter man es hört.

Die Totsünde: Das Musikvideo zu dem Song. Mehr als peinlich, aber Satire darf ja alles.

Video zu „Ding“
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„Die Toten Hosen – Hier kommt Alex“

Von Harfen eingestimmt könnte es fast eine Akustikversion von den Hosen sein. Ansonsten sind kaum Änderungen auszumachen. Ein bisschen Geige im Volumen des Refrains. Tempo, Betonung und Strophen sind so nah am Original, dass man schon sehr genau hinhören muss. Campino könnte auch einfach nur heiser sein.

Die Totsünde: Sich den Song der Toten Hosen vorzunehmen, den derzeit alle covern und dann auch noch so wenig zu verändern, dass er ohne Probleme auch nur eine Variante von den ursprünglichen Interpreten sein könnte.

„Powerwolf – Amen & Attack“

Die Bläser geben alles zum Einstand, der sonst tiefe Powerwolf-Gesang wird schonmal bis in Powermetal-Höhen gezogen. Aber sonst ist auch hier die Mittelalter-Version zu nah am Original. Selbst im normal gesungenen Teil ist kaum eine Differenz zu Attila Dorn festzustellen. Musikalisch sauber, aber nur minimal mittelalterlich angereichert, reicht es auch hier nicht zu Höhenflügen beim Zuhörer.

Die Totsünde: Spirituelle Metal-Musik in den Händen von Mittelalter Satirikern….mehr muss man dazu wohl nicht sagen.

„Ed Sheeran – I see fire“

Die Schluchz-Ballade des Iren wurde gekonnt aufgepeppt. Die Gitarren elektrisch verstärkt, der Gesang durch einen stimmgewaltigen Chor ergänzt. Der melodische Teil wird elegant von der Drehleier übernommen. So umgesetzt vermag der Song deutlich besser zu gefallen als das Original und Feuerschwanz zeigen, dass sie doch richtig covern können.

Die Totsünde: Das Cover ist so viel stimmiger als das Original, dass es eine Schande ist, dass die Feuerschwanz-Version für den Hobbit noch nicht zur Verfügung stand.

Video zu „I see fire“
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„Sabaton – Gott mit uns“

Dass man sich eine Band vorgenommen hat, deren Sänger mit der modernen Form des Kettenhemdes auf der Bühne steht, ist weniger verwunderlich, als die unpassend hohe Stimme des Feuerschwanz-Frontmannes. Zumindest hebt man sich hier aber deutlich vom Original ab. Ansonsten auch hier wieder dasselbe wie vorher, den Song einfach mit dem an Instrumenten nachgespielt, die man hat. Hier wäre durch eine Neu-Arrangierung mehr Potenzial drin gewesen.

Die Totsünde: Erst über den Klerus lästern und dann um Gottes Beistand bitten….

„Deichkind – Limit“

Schwere Kost schon in der Vorlage. In dem Fall aber gut getroffen. Erinnert ein wenig an die „Hartgeld im Club“-Versionen von Callejon. Natürlich passen die Instrumente zum Proberaum von Feuerschwanz. Gesanglich ist der Song auch gut getroffen und definitiv nicht leicht zu singen. Deswegen kann man vor dem Hauptmann nur den Stahlhelm ziehen.

Die Totsünde: Charthits der 90er wieder auszugraben. Man sollte sie einfach in den Kellern lassen, in denen sie Anfang der 2000er verschwunden sind.

„Rammstein – Engel“

Diesmal hat man sich Mühe gegeben. Der Song klingt wie der Aufmarsch von Kriegern vor dem Vatikan. Sowohl akustisch, als auch thematisch, wurde passend interpretiert und wirklich etwas Neues geschaffen.

Die Totsünde: Dass die Energie, die in diese Version gesetzt wurde, nicht auch bei den anderen sechs Songs vorhanden war.

 

Ingesamt ist „Die Sieben Totsünden“ ein nettes Gimmick, eine schöne Dreingabe und hat sicherlich auch Zugaben-Potential auf Live-Shows. Man hat ein wenig das Gefühl, dass die Songs noch schnell fertig werden mussten. Zu wenig Wert wurde hier auf Details gelegt, das haben viele andere Bands in ihren Interpretationen schon besser hinbekommen.

„Das Elfte Gebot“ zusammen mit „Die Sieben Totsünden“ erscheint am 26. Juni 2020 bei Napalm Records und ist natürlich auch beim Plattendealer eures Vertrauens zu erwerben. Ob er sich mit Met bezahlen lässt, müsst ihr allerdings selber aushandeln.Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Eightrocks

Hört am liebsten Symphonic- sowie Powermetal, kann sich aber auch für Pagan und Metalcore begeistern. Wenn er gerade einmal nicht mit Achterbahnen spielt, ist die Kamera im Anschlag.

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