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Garbage – No Gods No Masters

Zugegeben: Ich habe Garbage in den 2000er-Jahren sozusagen nur noch mit einem Auge bzw. Ohr verfolgt. Und das, obwohl ich ihr großartiges, selbstbetiteltes Debütalbum Mitte der Neunziger (mit “Only Happy When It Rains” und “Supervixen” beispielsweise) hoch und runter gehört habe. Es folgte ein kommerziell etwas erfolgreicheres Zweitwerk (“Garbage 2.0”, 1998; u.a. mit “Push It”) und in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen vier weitere Studioalben nach der Jahrtausendwende, die ich aber eben, wie auch die — wenn man das so sagen kann — Beinahe-Auflösung der Band oder den “Terminator”-Nebenjob von Sängerin Shirley Manson, nur beiläufig mitbekommen habe.

Warum? Wirklich keine Ahnung! Auch nicht, warum ich jetzt ausgerechnet “No Gods No Masters”, das neueste Album des Quartetts um Shirley Manson und Butch Vig wieder mit einiger Neugier im Player rotieren habe. Fünf Jahre nach „Strange Little Birds“ ist es das siebte Studioalbum. Wohl inspiriert durch die Zahl, beschäftigt es sich mit einigen Sünden und Abgründen — auf persönlicher Ebene, erstmalig in der Bandgeschichte aber auch auf der politischen (wie der Titel aus der anarchistischen aber auch aus der feministischen Bewegung schon vermuten lässt).

Als erster Vorbote wurde im März die Single “The Men Who Rule the World” ausgekoppelt. In ihrer “größtmöglichen Annäherung an einen Protestsong” klagt Shirley Manson die meist männlichen, missbräuchlichen Machthaber an, die wirtschaftliche Ausbeutung und auch die Umweltzerstörung. Das “Mutterschiff” (inspiriert durch das “Mothership” der Funk-Größe George Clinton, der in Mansons Podcast “The Jump” zu Gast war) soll alle rechtschaffenen Kreaturen der Erde aufnehmen, während die Übeltäter bluten sollen. Mit spärlich instrumentierter, stampfender Strophe und schließlich losbrechendem Refrain ist die Single ein starker, bissiger Opener für das Album.

Es folgt “The Creeps”, ein Stück, das nun (zumindest textlich) schon einige Jahre in der Schublade geschlummert hat und Mansons Karriere-Tiefpunkt in mitunter stressig schräg klingende (und für mich irgendwie seltsam abgemischte) Töne packt. “Uncomfortably Me” nimmt das Tempo dann raus, klingt zahmer, melancholisch poppig. Unsicherheit, das ständige Vergleichen mit anderen, sich unwürdig fühlen… die so tough wirkende Manson zeigt (nach ein paar “Mind Eraser”-Cocktails) noch einmal ihre verletzliche Seite.
Nach dem wiederum persönlichen “Wolves” (eine Art Entschuldigung an alle, die Manson früher mit ihrer zwischen zwei “Wölfen” hin und her schwankenden Art verletzt hat) greift “Waiting for God” dann ein aktuelles politisches Thema auf. Mit Kloß im Hals fragt “der mit Abstand wichtigste Song auf der ganzen Platte” (Manson), wann denn nun endlich dieser Gott auftauchen würde. Ein sehr ruhiges Stück, gleichzeitig aber auch sehr düster und ergreifend.

Das noch mehr als der Rest auf elektronischen Sounds aufbauende “Godhead” — eine Industrial-artige Nummer mit kalt stampfendem Rhythmus und geflüsterter Strophe — beklagt einmal mehr das “männliche Ego im Mittelpunkt der Gesellschaft”, bevor es im musikalisch sicher gewagtesten Stück der Platte, “Anonymous (XXX)”, zu wabbeligen Synths und Saxophon-Sounds etwas geheimnisvoll und verführerisch ganz einfach um anonymen Sex geht.
“A Woman Destroyed” ist eine giftige Warnung an den Ex: “better sleep with the lights on, lock your door, get a guard dog”, heißt es da, bei düsteren Strophen und musikalisch irgendwie so gar nicht dazu passen wollenden Refrains. Wieder mit Tempo und musikalisch vor allem in unverkennbarem Garbage-Stil dreht Manson, noch einmal inspiriert durch einen ihrer Podcast-Gäste, in “Flipping the Bird” den Stinkefinger hoch. Das Stück hätte nahtlos auch auf eines der ersten beiden Alben gepasst.
Nach der zweiten Single, dem gleichzeitigen Titelstück und tatsächlich auch einem der stärksten Tracks der Platte, übernimmt dann das langsame und ruhige “This City Will Kill You” mit Trip-Hop-artigen Sounds, Streichern, Bläsern, Piano, und ohne klassischen Songaufbau den Job des Album-Outros.

“No Gods No Masters” braucht vielleicht etwas länger, um sich ganz zu entfalten. Genug Eingängigkeit bietet das Album dennoch, um auch beim ersten Durchlauf schon punkten zu können. Mit dem für meinen Geschmack etwas zu seicht klingenden “Uncomfortably Me” und dem für mich schlicht nicht richtig funktionierenden “A Woman Destroyed” sind zwar auch zwei Songs dabei, die auch nach mehreren Wiederholungen nicht überzeugen wollen. Der zwischen “wie eh und je” und musikalisch frischen Ansätzen wechselnde Rest macht aber großen Spaß und die zum Teil ernsten Hintergründe stehen der Band auch sehr gut.

Die Deluxe Edition des Albums (die uns aber nicht vorlag) enthält außerdem noch etwas Zusatzmaterial: Passend zu der Tatsache, dass der Album-Release ausgerechnet für den Freitag vor dem diesjährigen Record Store Day terminiert wurde, handelt es sich dabei hauptsächlich um Titel, die von 2013 bis 2018 bei verschiedenen Record Store Days auf Vinyl erschienen und zum Teil nun erstmals digital erhältlich sind. In vier der acht Zusatztracks werden verschiedene Gäste (Brody Dalle, Screaming Females, Brian Aubert, John Doe, Exene Cervenka) gefeatured, und schließlich sind mit “Starman” (David Bowie) und “Because the Night” (Patti Smith) auch zwei Coversongs dabei.Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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