Gary Numan – Savage (Songs From a Broken World)
Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger war er ein Pionier der elektronischen Musik und beeinflusste und inspirierte so Künstler verschiedenster Genres (von Prince über Trent Reznor bis hin zu Dave Grohl). Nach einigen Erfolgen verkrampfte er aber irgendwie, konnte das Publikum lange nicht mehr überzeugen und verschwand, trotz zahlreicher zwischenzeitlicher Veröffentlichungen, von der Bildfläche.
Mit Anfang 50 steckte Gary Numan dann in einer Lebenskrise und schuf schließlich aus den üppig vorhandenen Themen dieser Zeit voller Sorgen und Antidepressiva ein persönliches wie düsteres Album namens “Splinter”, das außerdem den vielsagenden Untertitel “Songs From a Broken Mind” bekommen hatte. Die Kritiken waren endlich wieder erfreulich gut (hier übrigens unsere), es gab die höchste Chartplatzierung seit ziemlich genau 30 Jahren und der Umzug von England nach L.A. tat auch irgendwie gut.
Video zu “My Name Is Ruin”
Doch kaum ist die eine Sorge bewältigt, kommt die nächste auf. In dem Fall war es allerdings kein persönliches Ding, sondern, wie bei so manch anderem, die Tatsache, dass mit Donald Trump jemand ins Oval Office gewählt wurde, der mit Klimaschutz wenig bis gar nichts zu tun haben will.
Auf seinem neuen Album “Savage” — diesmal der nicht minder deutliche Untertitel: “Songs From a Broken World” — erzählt Numan daher nun also Geschichten der Post-Apokalypse: Die Erde eine einzige trockene Wüste, in der der kleine Rest der Menschheit um die knapp gewordenen, aber zum Überleben notwendigen Ressourcen kämpft und dadurch verroht. Wie Mad Max also, nur dass es nicht um Sprit geht, sondern um Trinkwasser und etwas, das den Bauch füllen kann.
Einige werden von dem, was sie getan haben, eingeholt. Sie sehnen sich nach Vergebung und entdecken ein altes, religiöses Buch. Mit dem Erstarken der Religion geht es dann jedoch erst recht bergab.Gary Numan
Und die Musik passt sehr gut zu diesem Thema — oder besser gesagt: Dieses Thema passt sehr gut zu der Musik. Denn Numan sagt zwar: “Ich möchte mich nicht wiederholen.”, doch der Sound und die musikalischen Ideen sind dem Vorgänger-Album schon sehr ähnlich.
Er ist wiederum beklemmend düster und wuchtig, hin und wieder auch atmosphärisch ruhig, vor allem aber wieder mit vielen Synthesizer-Details, die aus der Hochtöner-Kalotte kitzeln. Von “orientalisch anmutenden Kombinationen” hatte ich auch im Review zu “Splinter” schon geschrieben. Diese sind hier passenderweise (zur Wüsten-Szenerie) noch etwas stärker und vordergründiger vertreten — z.B. in “Bed Of Thorns” oder “My Name Is Ruin”. In letzterem Titel geht die oben erwähnte Ähnlichkeit übrigens sogar so weit, dass hier sogar ein Synth-Lead wiederverwendet wurde, wie er nahezu identisch schon in “Love Hurt Bleed”, dem clubtauglichen Stampfer aus “Splinter”, zu hören war. Und schließlich natürlich der unverwechselbare, stets labil wirkende Gesang.
Zehn Stücke aus einer dystopischen Zukunft, kaum eins davon unter fünf Minuten Länge — die Deluxe-CD enthält außerdem noch den Bonus-Track “If I Said”, die Vinyl-Scheibe “If I Said” und “Cold” (die Bonus-Tracks haben wir allerdings nicht zu Gehör bekommen). Bahnbrechend Neues solltet ihr darunter nicht erwarten. Insofern gilt für dieses 22. Studioalbum was auch schon für “Splinter” galt — also: “ein ganz groß arrangiertes Album, das einen vom ersten Augenblick gefangen nimmt und fasziniert” — mit dem Zusatz, dass “Savage” mit seinem zugrundeliegenden Konzept insgesamt noch etwas stimmiger und stimmungsvoller, fast cineastisch wirkt. Von meiner Seite aus gibt es dafür folglich wieder ein angetanes “Daumen hoch”.Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index…