Grossstadtgeflüster – Oh, ein Reh!
Wir sehen eine Stadt. Die Skyscraper lassen London oder New York vermuten. Aber es muss wohl doch Berlin sein – der Fernsehturm ist mit drauf. Jedenfalls scheint Godzillas Enkel gerade einen riesigen Zeppelin vom Himmel geholt zu haben, weshalb der so lila-giftig vor sich dahin qualmt – also – der Zeppelin. Als wäre das Chaos noch nicht perfekt, schwebt über der ganzen unheilvollen Szene auch noch ein Ufo. Und im Vordergrund… Oh, ein Reh!
Selten war ein Titel so nachvollziehbar wie der des neuen, insgesamt vierten Albums der Band Grossstadtgeflüster. Und selten fand man auf einem Album so genau das, was man durch Cover und Titel suggeriert bekommen hat: nämlich ziemlich abgedrehte, intelligent gemachte, bekloppte Musik.
Während man sich bei den Titeln mit Dance-Beat (“Ufos über’m Fernsehturm”, “Das System stürzt ab”) ein ordentliches Stück an Deichkind erinnert fühlt, findet man ansonsten einige Referenzen auf NDW-Zeiten (“Düsen”, wenn auch nicht im Sauseschritt) oder Bands wie MIA. (“1000 Tonnen Glück”, hier könnte glatt die Mietze am Mikro stehen). Daneben experimentieren die Grossstadtflüsterer locker flockig mit Punk-Attitüde (“Sprengstoff”) und dem darf-heute-auf-keinem-Album-fehlen-Genre Dubstep (“Meine Sonne”).
Zwar gibt es auch ruhigere Stücke, die im Grunde auch gelungen sind. Nur gehen diese neben den anderen doch eher unter bzw. sind in Form von “Wir haben uns gerade noch gefehlt” als Verschnaufpause und von “Sirenen” wohl als Album-Ausklang zu verstehen.
Besonders zeigt sich die Experimentierfreude und Originalität des Trios aber in ihren Texten.
Wir nehmen nen kleinen Schluck auf uns, ‘nen großen auf die Menschheit
dann schießen wir uns hinter den Mond
und wir komm’ erst wieder runter, wenn sich’s hier unten wieder lohnt“Konfetti und Yeah”
Diese bewegen sich zwischen Kritik (“Das System stürzt ab”, “So viele Talente”), Romantik (“Wir haben uns gerade noch gefehlt”, “1000 Tonnen Glück”, “Meine Sonne”) und purem Spaß (“Ufos über’m Fernsehturm”) und regen mal zum Nachdenken und oft zum herzlichen Lachen an.
Irgendwo und irgendwann
trifft man sowieso den Sensemann
Und dann denkt man bestimmt nicht: „oh!
ich war zu selten im Büro““Düsen”
Wer irren Synthie-Pop und Bands wie 2Raumwohnung oder die schon angesprochenen MIA. und Deichkind mag und Spaß an gut gemachten Texten hat, der muss hier also einfach reinhören.
Fazit: Alter Schwede, Herrlich! Weißt du, die so, die so! Von wegen geistig insolvent: die drei haben so viel Talente und jeder, der „Oh, ein Reh!“ hört erkennt’se. Versprochen! Anhören und erleuchtet werden!Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index…