Imminence – Turn The Light On
Sie gelten zwar immer noch als Newcomer, aber spätestens seit sie bei der Nuclear Blast-Tochter Arising Empire unterschrieben haben, sind sie ihrem eigenen Schatten entwachsen und konnten bereits ihre erste große Headliner-Tour hinter sich bringen. Die Rede ist natürlich von der schwedischen Metal-Core Band „Imminence“. Ihr drittes Album nennen sie „Turn The Light On“ und behandeln damit vor allem Selbstzweifel, innere Konflikte, Depressionen und Selbst-Zerstörung. Dass diese Themen im oftmals sinnfreien und partyhaften Metalcore funktionieren können haben vor allem Callejon mit dem „Fandigo“-Album eindrucksvoll bewiesen. Hören wir also mal rein wie die Vier Schweden das Thema umsetzen.
„Erase“ steigt langsam und ruhig ein, um in einen doomingen Rhythmus überzugehen. Sänger Eddie Berg, der sich auch für die meisten Texte verantwortlich zeigt, singt druckvoll und mit Schmerz in der Stimme. Die Clean-Parts überwiegen und werden von satten Riffs getragen. Im Breakdown wird er fasst sinnlich, um dann nochmal alle Angst mit „Erase“ herauszuschreien.
Nochmals mehr Druck bekommt „Paralyzed“ von Anfang an. Bassist Christian Höijer holt alles aus seinen Saiten heraus, ist damit die treibende Kraft, welche immer mal wieder vom Piano unterstützt wird. Auch die Geige des Frontmanns bekommt im letzten Drittel etwas Platz eingeräumt und schafft damit einen schönen Kontrast zu der düsteren Grundstimmung des Songs. Alles in allem aber doch eher Durchschnittsware.
Nach der Lähmung gibt es wieder etwas Luft. „Room To Breathe“ klingt leichter und baut endlich eine Melodie auf. Die „klassischen“ Metalcore-Tugenden wie satte Breakdowns und druckvolle Shouts werden verwurstet, wechseln sich mit Background-Chören ab und lassen uns ein wenig träumen. Autobiografisch sollen die Songs sein, und schon früh bekommt man den Eindruck, dass hier eine ganze Menge Wut raus muss und verarbeitet wird.
Etwas poppiger wird es mit „Saturated Soul“. Leider wirkt der Song dadurch auch etwas beliebig. Massentaugliche Pop-Core Bands gibt es mehr als genug, da muss etwas mehr her, um sich abzuheben. Den Song könnte man ohne Probleme auch auf Alben von „Alazka“ oder den mittlerweile aufgelösten „Dirty d’Sire“ verstecken, ohne dass er dort großartig auffallen würde. Das ist eigentlich schade, denn der Text vermittelt viel von dem was in den letzten Monaten im Frontmann vorgegangen sein muss.
„Infectious“ greift das Tempo des vorherigen Songs auf, darf allerdings mit mehr Melodien und Shouts aufwarten. So kennt und mag man Imminence. Das der Sänger auch noch die Geige einspielt ist definitiv ein Alleinstellungsmerkmal. Auch, dass an der Produktion zwei Schlagzeuge beteiligt waren, ist eher ungewöhnlich. Bandmitglied Peter Harnstöm zeichnete sich vor allem für die Arrangements und Zusatz-Drum aus, während der Hauptteil von Christina Svedin aufgenommen wurde. Die hierdurch entstandenen vertrackten Rhythmen geben vor allem „Infectious“ eine durchaus spezielle Note.
Klampfengott Harald Barrett darf sich auch endlich mal austoben und im Intro von „The Sickness“ zeigen was er kann. Immer wieder unterstützt von der harten Spielweise des Bassisten. Scream & Shout ist die Ansage für Sänger Eddie, der uns seine Vocals dreckig entgegen rotzt. Am Ende bleibt dennoch wenig von diesem Song in Erinnerung.
Wem in „Death Of You“ der Tot gewünscht wird, bleibt wohl Geheimnis der Band. Kein Geheimnis ist dagegen diese melodische Ballade, die mal wieder vor allem von der Geige lebt. Das einmal Live zu sehen steht auf jeden Fall auf der Wunschliste des Autors für 2019. Bleibt die Hoffnung, dass man es sich live nicht zu einfach macht und einfach einen Backtrack unterlegt.
Nachdem wir uns kurz ausgeruht haben knallt „Scars“ direkt wieder richtig rein. Gitarrengeschrabbel, eine knallende Snare und wechselnde Rhythmen. So geht anspruchsvolles Songwriting. Es macht Spaß, den Harmonien zuzuhören und die Stimmung des Songs zu genießen. Bleibt man beim Thema der Platte, hat man das Gefühl, dass es langsam aufwärts geht mit der Grundstimmung.
Den Eindruck verstärkt dann „Disconnected“ direkt. Die eingängige Melodie im Refrain wird auf kommenden Konzerten zum Mitgröhlen einladen. Der Titel spielt allerdings nicht darauf an, einfach mal sein Handy auszumachen (was im Übrigen meine Empfehlung für jedes Konzert ist), sondern eher auf die emotionale Unerreichbarkeit des Protagonisten und die damit verbundenen Schmerzen.
Der Wecker klingelt sanft mit „Wake Me Up“. Es wird wieder etwas ruhiger und poppiger bis wir im ersten Breakdown ankommen, indem uns Eddie die Titelzeile um die Ohren brüllt. Der Rest des Songs wird eher clean gesungen und vom Backing-Chor unterstützt. Der Druck kommt in der Bridge zum letzten Drittel zurück, um sich bis zum letzten Takt richtig zu steigern.
Melodie bekommen wir mit „Don’t Tell A Soul“, denn dieses Mal darf sich Gitarrist Harald wieder ein bisschen austoben. Seine Riffs knallen ordentlich und geben genau die Akzente, die der Song braucht, um nicht im Mainstream zu verschwinden. Denn sonst hat dieser nicht allzu viel Neues zu bieten.
Einen Lichtblick dagegen bildet „Lighthouse“. Nach besten Core-Tugenden wird aufgespielt und schnell zwischen brutalen Breakdowns und fetten Melodien gewechselt. Eddie schreit nochmal was die Lungen hergeben und wird mit Sicherheit den einen oder anderen Moshpit provozieren. Alle, die nicht in den Pit wollen, werden die eingängige Hook-Line mitgröhlen oder sich im Takt der Geige wiegen. Wenn ein Song auf dieser Platte schreit „Wir sind Imminence“, dann ist es „Lighthouse“.
Leider endet das Album nun mit „Love & Grace“ welches mit über fünf Minuten Spieldauer für Metalcore beachtliches Format besitzt. Wer jetzt allerdings auf eine brutale Schrabbelorgie hofft, wird enttäuscht. Sanft und zerbrechlich singt Eddie klar zur Piano Untermalung. So viele Zeilen Text wurde in diesem Genre wohl noch nie geschrieben. Der Song bildet einen unerwarteten Abschluss des Albums, weil er so atypisch und zerbrechlich klingt.
Ja, das aktuelle Imminence-Album ist durchaus ungewöhnlich für Metalcore. Es gibt ein paar Lichtblicke, die wirklich herausstechen, aber auch viel schon oft gehörte Sachen. Als wichtigstes Merkmal ist hier die Geige des Frontmanns zu nennen. Mit etwas mehr Präsenz jener kann es Imminence schaffen, sich einen Platz weit oben zu erspielen. Die teilweise aber doch sehr mainstreamigen Songaufbauten müssten hierfür weichen.
„Turn The Light On“ ist ein solides Album und auch für Einsteiger des Genres leicht verdaulich.Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index…
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