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Perturbator – New Model

Synthwave ist, der “neuen” Definition aus den 2000er-Jahren nach, ein relativ kleines Nischen-Genre — zumindest was die Verbreitung angeht: Musikalisch mit großen Einflüssen von Videospiel- und Film-Soundtracks der Achtziger, spielen die Künstler thematisch gerne mit Retro-SciFi-Ideen, also mit Science-Fiction aus dem Blick des Jahrzehnts, in dem die Heimcomputer massenhaft Einzug in die Haushalte hielten. Um ihre auf alt getrimmte Synthesizer-Musik herum bauen sie eigene (gerne dystopische) Universen und Stories auf und beschäftigen sich dabei zum Teil auch mit Cyberpunk-Elementen oder Okkultismus.

Einer der bekanntesten und erfolgreichsten Größen der Szene ist James Kennt, alias Perturbator, aus Paris, der mit seinen alten (Software-)Synthesizern schon auf dem diesjährigen “Rock am Ring” auf einer der Bühnen stand und dessen letztes Album “The Uncanny Valley” wir bei uns ebenfalls schon besprochen hatten (hier unser Review).
Darauf ging es inhaltlich um den “Night Driving Avenger”, der zusammen mit einer Androidin, einer Untergrund-Organisation den Kampf angesagt hat. Die Szenerie: Die nächtlichen Häuserschluchten von Tokyo, heiße Motorräder, intelligente Roboter und eine mystische Sekte. Und danach klang das Album auch.

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Die VÖ ist offiziell auf den 20.10.2017 datiert. Das bezieht sich aber nur auf die physische Ausgabe. Die Download-Version ist seit 05.09. bereits erhältlich. Hier das gesamte Album bei YouTube (direkt vom Label).

Dabei hatte es durchaus schon einen wesentlich dunkleren Anstrich als viele andere Synthwave-Produktionen. “New Model”, das neue Album von Perturbator, geht nun aber noch einen Schritt weiter. Zwar erinnern einige Sounds, vor allem Synth-Leads, immer wieder an vorige Alben, und der Opener “Birth of the New Model” fungiert irgendwie als Bindeglied oder als schonender Einstieg. Danach wird die Musik allerdings wesentlich düsterer, arbeitet auch mit unangenehmeren Sounds, Verzerrungen der analogen und digitalen Synths, heftigen Tempowechseln und harten, teils technoiden Beats. Das untere Ende der Klaviatur wird dabei besonders beansprucht und sägende Sounds so tief gespielt, dass sie böse brodeln. — “It doesn’t need to be beautiful, all that matters is that it exists.
Der vielsagende Titel “Vantablack” (das schwärzeste von der Menschheit hergestellte schwarze Material) ist diesmal der einzige mit Gesang. Der wird offenbar von einer Pariser Elektro-Pop-Band namens OddZoo beigesteuert und erinnert in der zweiten Hälfte an Front 242 oder ähnliches.

Die vom bisherigen Perturbator-Universum losgelöste Begleitstory soll den Hörer diesmal schließlich in die Position einer gottgleichen künstlichen Intelligenz versetzen, die von der Menschheit geschaffen wurde um sie vor Kriegen, Schmerz und Tod zu schützen (interessanterweise hatten wir erst vor kurzem den Comic “Symmetry” mit recht ähnlichen Ansätzen vorliegen). Dummerweise macht die K.I. jedenfalls den Mensch selbst als Grund allen Übels aus und gerät so in ein Paradoxon: Soll es die Menschheit auslöschen, um sie vor all dem Leid zu bewahren?

Mit “New Model” verlässt Perturbator, bildlich gesprochen, mit einem krassen Schnitt die bunt mit Leuchtstoffröhren erhellten Straßen der Stadt und steigt durch den Gullideckel hinab in die kalten, düsteren Katakomben. Er drückt dabei die abgesteckten Grenzen des nostalgischen Synthwave-Genres, wie sie bislang zumindest galten, weiter in Richtung Dark-Synth/-Electro, Techno, EBM und Industrial. Das Album ist definitiv als eine Bereicherung der Perturbator-Diskographie zu sehen und ist in jedem Fall spannend, verlangt dem bisherigen Zuhörer aber schon auch einiges ab.Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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