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Poliça & stargaze – Music For The Long Emergency

Das Line-Up der in Minneapolis beheimateten Band Poliça ist mit starken elektronischen Einflüssen einerseits und zwei akustischen Schlagzeugen und einem Bass andererseits sowieso schon ziemlich unkonventionell. Dass da aber noch mehr geht, zeigt ihr aktuelles Projekt, für das sie sich mit dem mit europäischen Musikern besetzten Berliner Kammerorchester stargaze (gerne stilisiert als “s t a r g a z e”) zusammengeschlossen haben, das trotz seiner klassischen Basis stets mit den Ansätzen zeitgenössischer Musik liebäugelt.
Zunächst kam es Ende 2016 zu einer Kooperation für einen Auftritt im Rahmen der vom Saint Paul Chamber Orchestra initiierten “Liquid Music”-Konzertreihe. Offenbar angetan voneinander (zumal auch medial gefeiert), knüpfte man bald schon mit gemeinsamem Jammen bei einem Besuch der US-Amerikaner in Berlin an, tauschte Gedanken aus und schickte Tracks über das Netz hin und her. Im Sommer 2017 erschien dann ein erster gemeinsamer Output in Form der Single: “Bruise Blood: Reimagining Steve Reich’s Music for Pieces of Wood”. Mit “Music for the Long Emergency” folgt nun schließlich das erste Werk des Projekts in Albumlänge.

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Video zu “Agree”

Schon Ende 2017 wurde daraus eine zehnminütige musikalische Reaktion auf die rund einjährige Präsidentschaft von Donald Trump ausgekoppelt. Passend zur Überlänge ist “How Is This Happening” ein ganz ruhiges, zum Teil fast meditativ klingendes Stück. Und auch die zweite Single “Agree” präsentiert das Album mit etwas folkiger Art leichter und lockerer als es letztendlich im Schnitt ist.
Als Gegengewicht dazu fungiert beispielsweise “Marrow”, mit ein paar elektronischen Einwürfen neben den Streichern und Bläsern, einem Beat, der etwas an “Lime Habit” erinnert, verzerrter Stimme und vor allem einer wesentlich kälteren Stimmung. Oder das gar experimentelle, gewollt anstrengende und immer wieder dissonante “Cursed”, mit verzerrtem Sprechgesang à la Prodigy.
Der Poliça-typische Autotune im Gesang ist auf diesem Album eher weniger vertreten. Möglicherweise als Konsequenz daraus, dass Sängerin Channy Leaneagh der Musik selbst noch mehr Raum lassen wollte. Auch ansonsten steht nichts besonders stark im Mittelpunkt. Mal sind die Streicher und Bläser stärker vertreten, mal baut ein Song vor allem auf einem verspielten Rhythmus der Drums und einer Basslinie auf, ein paar Sounds aus dem Synthie hier und da. Ein anderes Mal wirkt vor allem der heftig verzerrte Gesang besonders eindringlich.

Mit “Music For The Long Emergency” ist den beiden Kollektiven tatsächlich eine gut funktionierende Symbiose gelungen. Das Ziel ist eindeutig nicht, Poliça einfach mal im Klassik-Gewand zu bringen. Und es will sich dabei auch niemand angestrengt in den Vordergrund spielen. Es ging ganz offenbar darum, mit großer Neugier aufeinander vom jeweils anderen zu lernen und schließlich einen gemeinsamen Nenner zu finden. So dass sich das vielseitige Ergebnis am Schluss eigentlich nicht nach “Poliça & stargaze” anhört, sondern nach einem neu entstandenen Gesamtkollektiv mit neuen Möglichkeiten und Ideen. Ein toll gelungenes, wenn auch etwas knappes Album (zumal auch der abschließende Titelsong fast zehn Minuten lang ist) — und möglicherweise nicht das letzte seiner Art, wie André de Ridder, Komponist und Mitbegründer von stargaze, andeutet: „Diese Zusammenarbeit hat uns wirklich alle verändert. Und wir werden weiterhin zusammenkommen und daran anknüpfen”. Gerne doch, gerne doch…Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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