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Review – Never Back Down – Overdrive

Overdrive, das war früher der Schongang bei Automatikgetrieben, mit denen man lange Highway-Etappen überwunden hat. Ob diese gemächliche Gangart die Intention von „Never Back Down“ war, welche die neue Platte prägt? Die fünf Heinsberger haben sich auf jeden Fall mächtig Zeit gelassen, Corona hat auch hier den Release Termin gewaltig verschoben. Rauskommen sollte die Platte nämlich schon Ende 2019.

Am 10.09.2021 ist es jetzt endlich soweit, “Overdrive” wird endlich den Weg zu euren Boxen finden.  Das Erste was einem auffällt, wenn man das Booklet herauszieht, ist das Bandfoto. Dort stehen nicht mehr Vier Musiker, sondern Fünf. Caner, ehemaliges Gründungsmitglied, Gitarrist und Clean-Sänger hat die Band zum Ende 2020 verlassen. Ersetzt wird er von Daniel, ebenfalls an Gitarre und Clean-Gesang. Verstärkt wird die nun zum Quintett angewachsene Truppe durch eine zweite Gitarre, gezupft von Marvin.

12 Songs befinden sich auf der LP, mit einer Spieldauer von knapp 40 Minuten. Zieht man die Zwei Intros (auf das zweite gehe ich später noch ein) ab, ergibt sich also ein Schnitt von etwa 4 Minuten pro Song. Das ist für Hardcore schon ordentlich, und in Zeiten von Streaming optimierten Stücken, schon fast Überlange.

Never Back Down auf dem Pellmell 2021

„Still the same“ leitet die Platte ein. Ob die Jungs immer noch dieselben sind, wird sich in den nächsten Minuten zeigen. Das Intro steigert sich langsam, aber mit fetten synthetischen Sounds, bis zu einem brutalen Schrei von Frontmann Daryl.

Dieser bildet den Übergang in „We are the ones“, welches das Thema des Intros aufnimmt und ihm eine unfassbare Brutalität versetzt. Satte Breakdowns, ein treibender Beat, und immer wieder scheint der Synthesizer durch. Schmatzend suchen sich die Gitarrenriffs einen Platz in diesem fett abgemischten Song. Garniert wird dann noch mit äußerst gefühlvollem Cleangesang. Der Einstieg ist schonmal geglückt.

„Waves“ klingt direkt ganz anders, die Gitarren dominieren den Song. Melancholisch wirken die cleanen Teile des Gesangs und geben dem Song einen Drift in Richtung Metalcore. Daryl macht jedoch in seinen Anteilen klar, dass die Marschrichtung eine andere ist. Überraschend kommt der Breakdown, welcher mit Rap-Gesang garniert wird. Definitiv unerwartet, klingt dies fast ein bisschen nach frühen Linkin Park.

Huch – Geigen? Jetzt auch noch Symphonic-Metal? Keine Sorge, nach ein paar Sekunden von „Never Forget“ finden sich diese noch in der Untermelodie wieder und es geht weiter krachend zur Sache. Drummer Andy malträtiert das Drumkit und wird von Philipps Bass in den tiefen Lagen unterstützt. Der Song knallt in jeder Lage und lässt uns nur im letzten Breakdown nochmal kurz zur Ruhe kommen, bevor er in einem explosiven Finale endet.

Etwas melodischer wird es in „Lose myself“. Nicht nur, dass ungewöhnlich deutlich die melodischen Teile überwiegen, ist hier als Feature auch noch „Our Mirage“ Sänger Timo Bronner zu Gast. Dieser zeichnet sich übrigen auch für Mix und Mastering der komplette Platte aus. Er schafft es den Sound zu differenzieren und hebt die Handschrift von „Never Back Down“ gekonnt hervor. Das hier kein finanzstarkes Label hinter steckt, hört man dem Album nicht an. Ganz im Gegenteil, sauber und elegant klingen die Songs. „Lose myself“ ist hierbei sicherlich nochmal hervorzuheben.

Never Back Down auf dem Pellmell 2021

„Reflections“ ist das zweite Intro der Platte. Es beinhaltet die Tonspur eines Mobbing-Opfers, welches über seine Erlebnisse erzählt. Die von „Never Back Down“ darüber gewebte Melodie schnürt einem die Kehle zu.

Nahtlos startet „Incomplete“ und leitet die zweite Hälfte der Scheibe ein. Damit auch eine leichte Änderung der Grundtöne. Es wird melodischer, die Cleans bekommen mehr Raum, und dennoch sind wir von seichter Musik sehr weit entfernt. Die Metalcore-Elemente wurden gering genug dosiert, um die Platte nicht doch einem anderen Genre zuordnen zu müssen. Im Text singen die Musiker von ihren eigenen Erfahrungen mit Mobbing. Cleans und Shouts wirken wie ein inneres Streitgespräch. Zwischen Resignation und Aggression springt der Song umher, verdeutlicht die Gefühlswelt der Sänger.

„Mortal Frights“ stimmt in diesen Tenor mit ein. Nachdenklicher Clean-Gesang, etwas weniger aggressive Shouts und viel Melodie. „Never Back Down“ haben sich weiterentwickelt, ihren Sound neu erfunden, ohne dabei ihre Wurzeln zu verleugnen. Bisher ist die Platte die logische Konsequenz einer jungen Band, die ihren Stil verfestigt, immer professioneller wird und trotzdem keine Scheu hat neues zu probieren. Der Breakdown ist ein Beispiel hierfür. Nochmals unterbrochen von der gänzlich neu in den Song eingewebten Gitarrenmelodie bildet er den Auftakt für ein grandioses Finale.

Volle Breitseite gibt es nochmal mit „The Fraud“. Ein Weckruf an die Hörer, welche sich bisher in Sicherheit wiegten? Tief dröhnen die Riffs in den Boxen, Daryl schreit sich die Kehle aus dem Leib. Abgehackt und brutal kommt der Song aus dem Nichts und weckt einen aus seinen Gedanken. Dann, wie aus dem Nichts, ein ruhiger, melodischer Teil, wie Ihn „In Flames“ nicht besser hätte arrangieren können. Im Anschluss geht es aber genauso heftig wieder zu Werk wie zuvor. Ein wirklich sehr gelungener Song und einer meiner Favoriten dieses Albums.

„Moonlight“ übernimmt diesen Stil weitestgehend, wirkt aber etwas gediegener. Alles was in „The Fraud“ sehr expressiv war, ist hier ein wenig gedämpft. Mehr melancholischer Clean-Gesang, etwas mehr Führung durch die Melodie. Im letzten Drittel kommt dann nochmal Fahrt auf. Stampfend wird uns ein Breakdown um die Ohren gehauen der allen Trübsal verfliegen lässt.

Never Back Down auf dem Pellmell 2021

Der vorletzte Song auf der Platte ist „Tenebris“. Lässt man sich nur auf den Sound ein, ist dieser wohl die Essenz des Albums. Alle Elemente, welche wir bisher gehört haben, vereinen sich zu einem Meisterwerk, irgendwo zwischen „Limp Bizkit“, „Callejon“ und den jungen „Amorphis“, frisst sich der Song durch die Genres und verdeutlicht einmal mehr, dass dies nicht nur eine dezente Weiterentwicklung von „Never Back Down“ ist, sondern eine Evolution und Festigung eines ganz eigenen Stils.

Dieser findet sich dann auch in „Overdrive“ wieder. Der Titeltrack des Albums knallt einem die einzelnen Elemente mit einer Geschwindigkeit um die Ohren, dass einem fast schwindelig wird. Der Refrain hat Ohrwurm-Charakter, eine Verschnaufpause ist mit eingebaut, und dann gibt’s wieder die volle Dröhnung. Das Konzept funktioniert. Anstatt mit einem Knall zu enden, lässt man den Song seichte Auslaufen. So gelingt es endlich wieder einmal Luft zu holen.

Das Album „Overdrive“ ist alles andere als ein Schongang. „Never Back Down“ haben sich gefestigt, trotz Umbesetzung einen Stil verfeinert, welcher noch selten im Haifischbecken des Plattenmarktes zu finden ist. Ganz nebenbei wurden auch noch fantastische Songs zu eigenen Erlebnissen und Erfahrungen geschrieben. Der Tenor ist nicht immer positiv, negative Erfahrungen, wie Mobbing, Trennungen und Verluste werden aufgearbeitet. Es lohnt sich also nicht nur zu lauschen, sondern auch die Texte aufmerksam wirken zu lassen.

„Never Back Down“ ist noch ohne Label, daher erscheint das Album am 10.09. im Eigenverlag. Bestellbar über die Seite der Band, oder einfach bei der Streaming Plattform des Vertrauens abspiele.

Heute erschein auch noch ein neues Video zu „Lose Myself“.

Youtube-Video per Klick auf das Bild laden. Davor bitte die Datenschutz-Hinweise im Impressum beachten!

Konzerte sind in Planung aber auf Grund der aktuellen Situation noch nicht bestätigt. Sehen könnt ihr „Never Back Down“ aber auf jeden Fall auf der Riot-Night am 18.09. in der Matrix / Bochum.Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Eightrocks

Hört am liebsten Symphonic- sowie Powermetal, kann sich aber auch für Pagan und Metalcore begeistern. Wenn er gerade einmal nicht mit Achterbahnen spielt, ist die Kamera im Anschlag.

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