Royal Tusk – Tusk II
Aus dem hohen Norden, genauer gesagt aus Edmonton, der Öl-Hauptstadt Kanadas, meldet sich das Rock-Quartett Royal Tusk mit seinem zweiten Studio-Album “Tusk II” — die insgesamt dritte Veröffentlichung nach der Bandgründung 2013, einer ersten EP (“Mountain”, 2014) und dem erst letztes Jahr erschienenen Debütalbum “DealBreaker”.
Als musikalische Vorbilder zählt die vom Label herausgegebene Band-Bio zwar die Bands Soundgarden, Mudhoney und Pearl Jam auf, und ein gewisser Grunge-Einfluss lässt sich auch nicht leugnen. Bei einer solchen Häufung von Namen alter Grunge-Größen müsste man dann allerdings doch eine wesentlich stärkere Färbung durch das Genre annehmen als das tatsächlich der Fall ist.
Stattdessen mischen sich andere Stile mit hinein: Dicke Gitarren und schwere Riffs und Grooves aus dem Stoner Rock, schnelle, verspielte Läufe aus dem progressiven Lager, eine gewisse Bissigkeit und Energie von Punk in den Vocals sowie eingängige Hooks und vor allem Melodien des typisch nordamerikanischen Alternative-Rocks mit Radio-Kompatibilität. Ein kleines bisschen was von Bands wie Black Veil Brides, Rise Against, Pop Evil, Alice In Chains, Tremonti und Nickelback — und dabei klingt die resultierende Mischung tatsächlich ziemlich modern.
Besonders gut funktionieren der Opener “First Time”, mit einem heftig rockenden Monster-Riff als Basis und Chorus im Radio-Format und gleich das nächste Stück auf der Platte, die erste Single-Auskopplung “Aftermath” (siehe eingebettetes Video oben). Die startet zuerst mit einem kraftvollen, leicht unharmonischen Riff (à la Marmozets, in etwa) bevor es dann zur Strophe ordentlich groovt und zum Beispiel auch mit einem feinen Hardrock-Gitarren-Solo punktet. Auch der aggressive Schlusspunkt des Albums, “Long Shot”, der das schwere Thema von Schul-Massakern aus der Perspektive des Amokläufers angeht, kann überzeugen.
Übrigens haben sich die Songinhalte allgemein etwas geändert: Waren es zuvor “ein wenig freundlichere Sachen” und zwischenmenschliche Geschichten, ist diese Scheibe “böse, angepisst und verworren”, wie es Frontmann Daniel Carriere ausdrückt. In “Northern Town” beispielsweise geht es um die Lebenssituation in ihrer Heimatstadt, “Control” kritisiert Kriege und Religion und “Aftermath” beschreibt die Verrohung der Gesellschaft.
„Der ‘Rock’ heutzutage klingt in den meisten Fällen so, als hätten die Leute vergessen, dass er von lauten Gitarren gemacht wird. Genau das aber wollen wir zurückbringen.“, erklärt Sandy MacKinnon, der Bassist, die Mission der Truppe, die übrigens durch Quinn Cyrankiewicz an der Gitarre und Calen Stuckel an den Drums vervollständigt wird. Das gelingt zumindest zum Teil, schließlich ist “Tusk II” ein solides und durchaus hörenswertes Album ohne wirklichen Aussetzer. Allerdings wollen die Songs, bis auf die genannten Positivbeispiele, trotz der eigentlich catchy Refrains auf Dauer leider nicht so recht im Ohr bzw. im Gedächtnis hängen bleiben.Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index…