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Steve Vai – The Story of Light

Wer sich Steve Vais neues Album „The Story of Light“ anhört, beginnt eine Reise, die frühestens nach dem ersten Durchlauf der CD zu Ende. Oder erst sehr viel später, nach mehreren Durchgängen. Ich empfehle, den CD-Player auf Repeat zu stellen, die Play-Taste zu drücken und dann einen mindestens mehrtägigen Urlaub zu beginnen. Was Vai mit „The Story of Light“ beginnt, endet nach einer abenteuerlichen Berg- und Talfahrt der Emotionen im finalen Stück „Sunshine Electric Raindrops“, das wiederum nahtlos in „The Story of Light“ überleitet – und die Reise beginnt aufs neue, durch eigentlich bekannte Gebiete, die aber jedes Mal Neues offenbaren.

Während „The Story of Light“ noch aus Vais eher esoterischer, Weltmusik-angehauchter Ader entstammt, wird der Folge-Track „Velorum“ zusehends progressiver, mit einem steten Wechsel von ruhigen und temperamentvollen Passagen, von Steve Vais brillanter Gitarrenarbeit dominiert. Das ausschweifende Ende von „Velorum“ mündet im bluesigen „John the Revelator“, bei dem „The Voice“-Finalistin Beverly McClellan einen starken Auftritt liefert und Vais Gitarre sich vornehm zurück hält. Der Song ist erdig, schwer, kraftvoll – würde man das Album mit einem Park vergleichen, stünde man nun nach einer Wiese und einem Bachlauf in einem Blumenbeet mit frischer Pflanzerde. So genußvoll, wie Gärtner im weichen Erdreich wühlen, so genießerisch schaufeln sich Vai und McClellan durch „John the Revelator“, der auf einem alten Song von Blind Willie Johnson basiert.

Dass es plötzlich mit „Book of the Seven Seals“ weitergeht, merkt man kaum – nur, als die Stimmung noch heiterer wird, man förmlich einen tanzenden Gospel-Chor vor sich sieht, realisiert man die Fortsetzung der Reise, die dann ein jähes Ende nimmt und in „Creamsicle Sunset“ wieder ein neues Stimmungsbild erschafft. Man wähnt sich im Sonnenuntergang am Strand von Hawaii, inmitten einer kitschigen Postkartenidylle, der Vai mit seinem virtuosen, technisch anspruchsvollen Gitarrenspiel noch eine Extraportion Schmalz verpasst – doch bevor das alles zu viel des Guten wird, endet der kürzeste Song des Albums auch schon wieder. Steve Vai rüttelt den Zuhörer anschließend mit einem vergleichsweise fetten Gitarrenriff wach, das den Grundstein für „Gravity Storm“ legt. Es klingt wie frühere Vai-Songs, ergänzt um allerlei Soundeffekte aus der Konserve und den typischen Vai-Effekten, die er mit seinen Fingern erzeugen kann. Auch hier passt das Bild des Sturms, der Song wirkt mächtig und rastlos.

Doch die Reise geht weiter, es wird exotischer, denn in „Mullach a‘ t Sí“ intoniert Vai eine exotische Melodie, arbeitet viel mit dem Lautstärkeregler seiner Ibanez, und setzt auch in „The Moon and I“ auf asiatische Anleihen, die er mit jazzigen Elementen zu einer Liebeserklärung an den Mond vermischt. Nach diesem eher melancholischen Song versucht Vai, in „Weeping China Doll“ das Gefühl der Trauer musikalisch umzusetzen, ohne auf Gesang als Hilfsmittel zurück zu greifen, was ihm hervorragend gelingt. „Weeping China Doll“ ist einer der intensivsten Songs des Albums und enthält einige der schönsten Melodien Steve Vais. Als Kontrast folgt mit „Racing the World“ ein fetziger Rocksong, der kaum Überraschungen parat hält, aber Vais hervorragendes Gespür für Gitarrensoli in den Vordergrund stellt. Ein klein wenig erinnert der Song an „For the Love of God“, ohne aber dessen Genialität zu erreichen.

Auf „No more Amsterdam“ holt sich Vai wieder Verstärkung, diesmal in Form von Aimee Mann. Beide liefern eher leichte Unterhaltung ab, die aber nur auf den ersten Blick seicht wird. Wie in allen Songs des Albums hat Vai wieder Schicht für Schicht aufgetragen, um aus einem Lied ein kleines Kunstwerk zu machen. Erst nach mehrmaligen Hören erschließen sich die Zusammenhänge der einzelnen Schichten, ergibt sich am Ende das gesamte Bild, das sich deutlich von jenem ersten Blick unterscheidet. „No more Amsterdam“ bildet einen schönen Kontrast zu „Sunshine Electric Raindrops“, das als klassischer Rocksong mit dominanter Vai-Gitarre beginnt und zunehmend progressiver wird, um somit zur nächsten Runde wieder auf den Opener „The Story of Light“ überzuleiten. Das Album ist ein Fall für Genießer.

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