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Namika & Joris
04.08.2019 ZMF, Freiburg

Joris eröffnet den Abend des Doppelkonzertes im Zirkuszelt beim ZMF fünf Minuten früher als geplant. Die vielen Fans im fast ausverkauften Zelt wird dies wohl wenig gestört haben. Joris ist zum zweiten Mal beim ZMF (hier unser Bericht vom Doublefeature mit Boy 2016) und wird von Festival-Gründer Alexander Heisler vollmundig als „Badener“ von der Pop-Akademie Mannheim angekündigt.
Die ersten drei Songs knallen richtig und strotzen nur so vor Kraft — als Block ein genialer Warm-Up für dieses Konzert, wobei der Schlagzeuger sehr an das Tier von der Muppet-Show erinnert und der jung dynamisch wirkende Joris die ganze Bühnenbreite nutzt. Derart aufgepuscht hat Joris für den Rest des Konzertes mit seinen erstaunlichen Entertainment-Qualitäten leichtes Spiel mit dem Publikum. In der Ansage zum fünften Song des Abends „Glück Auf“, für den ein Klavier mit Grubenlampe hereingeschoben wird, kommt er aber nicht umhin, korrigierend darauf hinzuweisen, dass er Norddeutscher ist und es wohl kaum eine größere Distanz zu Freiburg gibt. Nur um natürlich im gleichen Augenblick zu betonen, dass sich dieses Konzert sehr nah und fast wie Zuhause anfühlt.
Es ist schon sehr überzeugend wie eingespielt das Programm musikalisch präsentiert wird: Ein genialer Spannungsbogen, der zu jedem Zeitpunkt des 80-minütigen Konzertes die richtigen Songs bringt. Auch der Song mit einem selbstgebastelten Orchestertisch bestehend aus Gläsern mit unterschiedlichem Füllstand, einer Schreibmaschine, leeren Flaschen u.a., um das sich die Band formiert und damit einen Song performt, fügt sich wunderbar in diese perfekt durchchoreografierte Show.
In einer Ansage spricht er den Punkt an, als Deutsch-Pop-Musiker vermeintlich keine Haltung zu haben und kommt beispielhaft auf das Massaker in Christchurch zu sprechen und beschwört die Gleichheit der Menschen – der einzige, nicht überzeugende Moment des Abends, denn seine Texte sind natürlich allesamt sehr gut und poetisch geschrieben, aber eben nie politisch. An andere Stelle fordert er das Publikum auf, den Nebenmann/-frau in den Arm zu nehmen und so entsteht dann doch noch ein unerwartet politischer Moment, da ich mich plötzlich schunkelnd Arm in Arm mit Freiburgs erstem Bürgermeister wiederfinde.
Das Publikum feiert mit Joris und der feiert das Leben, springt mit Gitarre vom Klavier, lässt die Konfetti-Kanonen knallen und die Handys das Zirkuszelt in ein großes Lichtermeer verwandeln während Songs wie „Herz über Kopf“ das altersdurchmischte Publikum an den Rand der Ekstase bringen. Dabei bleibt Joris absolut sympathisch und nahbar, wenn er etwa mit seinem Funkmikro eine große Runde durchs Publikum dreht. Auch nach dem Konzert springt er mit Band aus dem Zelt, klettert auf einen Container und singt nochmal einen Song für das begeisterte Publikum außerhalb des Zeltes, begleitet von etwas überrumpelt und nervös wirkenden Security-Kräften…

Galerie: Joris #1

Galerie: Joris #2 (Outdoor-Zugabe)

Das zweite Konzert des Abends bestreitet Namika, die einen sicht- und hörbar schweren Stand nach diesem fulminanten Konzert von Joris hat. Eine umgedrehte Reihenfolge wäre sicherlich die Bessere gewesen. Das soll nicht heißen, dass Namika nicht gut gewesen wäre, aber insgesamt wirkt der Auftritt einfach viel weniger energiegeladen und weniger mitreißend. Den Opener des Abends „Que Walou“ singt sie entsprechend dem Original mit Autotune, was live aber doch irritiert. So braucht Namika dann doch bis zum fünften Song „Liebe Liebe“, bis auch hier das Publikum das erste Mal so richtig mitgeht.
Natürlich sind einige Songs von Namika dann tatsächlich auch etwas persönlich berührender und nachdenklicher, wenn sie etwa den Song „Ahmed“ ansagt und das Aufwachsen ohne Vater und den Konflikt der Kulturen in Bezug auf Freiheit und Emanzipation anspricht. Musikalisch kann die gebürtige Frankfurterin ihre marokkanischen Wurzeln nicht hinter sich lassen und immer wieder kommt diese rhythmische Leichtigkeit in ihren Songs durch, die Namika in ihren Highheels über die Bühne tanzen lässt.
Mit den letzten beiden Songs des Sets — und gleichzeitig ihre größten Hits — „Lieblingsmensch“ und „Je ne parle pas francais“ hat aber auch Namika dann endlich das Publikum lautstark mitsingend hinter sich gebracht.
Drei Zugaben später ist nicht nur das Konzert vorbei, sondern das ZMF 2019 beendet. Zumindest dieser Abschlusstag sorgte noch einmal für musikalische Highlights und eine tolle Stimmung auf dem übervollen Festivalgelände beim Mundenhof in Freiburg.

Galerie: Namika

(Fotos: Gerald Backmeister)

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Über den Autor des Beitrags

Tilo Fierravanti

Schlagzeuger mit zwei eigenen Bands, ist in vielen Musikrichtungen zuhause, vor allem aber in Sachen musikalischer Nachwuchsförderung im Raum Freiburg unterwegs und immer wieder auch in Jurys tätig (u.a. Play Live / Rampe).

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