Konzertbericht | Kamelot (Support: League of Distortion, Eleine, Myrath) | Z7 Pratteln – 13.03.2023

Konzertabende die sich zu kleinen Festivals wandeln sind mittlerweile mehr die Regel als die Ausnahme. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich der Hauptakt eine kleinere Band als Einheizer besorgt hat. Auch eine dritte, vielleicht lokale Band, welche erste Bühnenerfahrung sammeln darf, ist eher selten zu sehen. Immer öfter sieht man auf den Tour-Plakaten einen Headliner, zwei etwas kleinere Bands und zu guter Letzt noch einen von Labels oder Plattenfirmen platzierten Newcomer.
Somit sind vier Bands derzeit scheinbar der Goldstandard für Touren. Dies alles in einen Abend zu quetschen erfordert gute Planung, viel Stehvermögen der Zuschauer und natürlich Zeit. Dass in der derzeit schwierigen Lage für die Live-Musik solche Konzepte vor allem zur Risikoverteilung genutzt werden, ist das Eine. Zum anderen werden aber auch teilweise knappe Locations für mehr auftrittswillige Bands frei. Ob dieses geballte Programm dem eigentlichen Konzerterlebnis guttut oder Abstriche in Kauf genommen werden müssen, ist herauszufinden.
Die amerikanisch-schwedische Combo “Kamelot” hatte zum Auftakt ihrer “Awaken The World Tour”, passend zum zwischenzeitlich erschienen Album “The Awakening”, geladen. Mitgebracht hatten sie, wie oben erwähnt, ganze drei Support Acts.
League of Distortion
Die junge deutsche Band startet den heutigen Abend. Nachdem um 18 Uhr die Türen zu den heiligen Hallen des Z7 in Pratteln geöffnet wurden, hatte das Publikum eine knappe dreiviertel Stunde Zeit sich zu akklimatisieren, bevor Frontfrau Anna Brunner die Bühne stürmte. Energiegeladen und hochmotiviert heizt das Quartett der schon gut gefüllten Halle ein. Im November erst erschien ihr Debütalbum bei Napalm Records (beim selben Label ist auch Kamelot unter Vertrag). Abwechslungsreich und modern kommt der kräftige, teils dreckige Metal daher. Sowohl untereinander, als auch mit dem Publikum agieren und harmonieren die Vier vom ersten Ton an.
Vor allem Frontfrau Anna nutzt die gesamte Breite der Bühne, rennt umher, springt, motiviert das Publikum zum Mitmachen. Dieses folgt gehorsam, was auch an dem martialischen Auftreten der Sängerin liegen könnte.
Ein wichtiger Bestandteil der Newcomer fehlt im Übrigen. An der Gitarre zupft normalerweise “Kissin Dynamite”-Mitglied Jim Müller. Da dieser aber derzeit mit Letzteren ebenfalls auf Tour ist, musste ein Ersatz für “League of Distortion” her. Den meisten Gästen wird dieser Wechsel wohl kaum aufgefallen sein, auch da der Vertretungsgitarrist bis zum Ende des 30-minütigen Sets namenlos bleibt. Allgemein verzichtet Anna auf viele Ansagen und stopft eher die kurze Zeit auf der Bühne, bis zum Rand mit Songs voll.
Die Zuschauer nehmen diese frische Energie dankbar auf und verabschieden die junge Band unter großem Applaus von der Bühne. Diese wird ohne Umschweife ins halbdunkel versetzt, denn der Zeitplan ist straff und die Bühnentechniker müssen den Weg bereiten für den nächsten Act.
Eleine
Nach nur 15 Minuten Umbaupause betreten die Schweden von “Eleine” die Bühne. Einige Gäste stehen noch an den Theken, dennoch sind wohl mittlerweile alle Inhaber eines Tickets in der Halle. Zu etwa 2/3 ist das Z7 heute belegt, die Abendkasse bot noch reichlich Möglichkeiten Karten zu erwerben.
Wieder steht eine Frau an der Spitze der Combo, welche nun die Bühne mit Leben füllt. Madeleine Liljestam sponsert mit ihrem Spitznamen auch gleich den Namen der 2014 gegründeten Symphonic Metal Band. Statt der unbändigen Power ihrer Vorgänger sehen wir harmonisches simultan Gebange, die Harre fliegen im Gleichtakt. Gitarrist Rikard Ekberg füllt den Raum um Madeleines Gesang mit tiefen Growls und versucht den Songs so etwas Härte mitzugeben.
Insgesamt tut sich “Eleine” aber etwas schwer, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Das könnte auch an den unnötig langen Ansagen liegen, welche das Set zu sehr unterbrechen. Als vorletzten Song gibt es noch einen Vorgeschmack auf ihr neues, im April erscheinendes, Album. “We are Legion” ist allerdings recht eintönig geraten und sorgt somit nicht dafür, dass Stimmung aufkommt. Bis auf ein paar wenige Fans der Band, die im passenden Shirt gekleidet sind, verhält sich das Publikum eher ruhig.
So kann auch der Versuch eines Links-Rechts-Battles zum letzten Song “Death Incarnate” nicht so richtig klappen. Nach zwei missratenen Versuchen möchte Rikard den Refrain in ein gemeinsames Gebrüll umwandeln, zumindest dabei zeigt sich eine gewisse Reaktion. Diese Spielchen und die langen Ansagen sorgen dafür, dass Eleine ihr Set um 5 Minuten überziehen und das obwohl sie es nur geschafft haben sechs Songs in diesen 35 Minuten zu spielen. Insgesamt hinterlassen die Schweden einen gemischten Eindruck bei Gästen und Autor. Da wäre auf jeden Fall mehr gegangen.
Myrath
Wieder einmal haben die Techniker nur 15 Minuten Zeit die Bühne vorzubereiten, was sich auch noch rächen wird. Der Verzug ist nicht zu ändern, trotzdem entern “Myrath” aus Tunesien hoch motiviert die Bühne. Leider gibt es gleich zum Anfang technische Schwierigkeiten bei Gitarrist Malek Ben Arbia. Frontmann und Sänger Zaher Zorgati lässt sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen. Stattdessen lächelt er die Probleme achselzuckend weg und entschuldigt sich beim Publikum mit dem Ausspruch “Covid – you know?” Die Gute Laune steckt an, genauso wie die treibenden Rhythmen in dem orientalisch angehauchten Powermetal.
Wenig verwunderlich ist es daher, dass es das Publikum nach vorne zur Bühne zieht. Drummer Morgan Berthet treibt die Songs gnadenlos voran, während von Gitarren und Keyboard Melodien eingewoben werden. Teilweise ist der Sound etwas matschiger als er sein könnte, das tut der Stimmung keinen Abbruch. Die Pommesgabeln im Publikum fliegen im Takt, die Menge ist erstaunlich textsicher.
Es mag an der Resonanz des Publikums oder der allgemein fröhlichen Natur des Frontmanns liegen. Jedenfalls bedauert er in einer kurzen Ansage keine Bauchtänzerinnen dabei zu haben, nur um sich sofort im einsetzenden Takt kunstvoll zu bewegen. Die Zuschauer danken es ihm mit Gejohle und Applaus.
Obwohl die Tunesier wie alle anderen Vorgruppen nur 30 Minuten Auftrittszeit zugestanden bekommen haben, schaffen sie es noch vor dem letzten Song ein kleines Drumsolo einzubauen. Leider kämpft Malek zum Schluss nochmal mit Technikproblemen an seinem Gitarren-Rack, sodass ein bisschen von der Tonspur fehlt. Dies schadet der immer noch aufgeheizten Stimmung nicht, sodass das Quintett unter langanhaltendem Applaus von der Bühne des Z7 verabschiedet wird.
Kamelot
Auf der Bühne muss erstmal auf- und umgeräumt werden. Die ersten drei Bands teilten sich Technik und die vordere Hälfte der Bühne. “Kamelot” als Headliner des Abends bespielt jedoch die ganze Fläche und diese muss erst einmal vorbereitet werden. Ganz rund sind die Abläufe bei diesem Tourauftakt noch nicht. Denn der Zeitplan, welcher schon durch “Eleine” ins Wackeln geriet, bekommt immer mehr Verzug. Erst um 20 vor 10 fällt im wahrsten Sinne des Wortes der Vorhang für die amerikanisch-schwedische Band.
Von der ersten Note an hängen die Zuschauer an den Lippen von Sänger Tommy Karevik, welcher auch den einzigen schwedischen Teil der seit 1991 bestehenden Band bildet. Mit “Veil of Elysium” aus dem legendären Album “Haven” hat die Truppe einen bombastischen Einstieg in den Abend gewählt, nur um mit “One more Flag in the Ground” direkt den nächsten Knaller zu liefern. Letzterer ist auch die erste Single aus dem frischen Album “The Awakening”. Passend zum Titel schwenkt Tommy eine Schweizer Fahne, was besonders von den anwesenden Einheimischen mit großem Jubel gedankt wird.
Tommy ist an diesem Abend übrigens nicht der einzige auf der Bühne mit einem Mikrofon. Nachdem das 2020 im “Popodium 013” Tilburg aufgenommene Livealbum “I am the Empire” zu einem Megaerfolg wurde, hat “Kamelot” sich auch für diese Tour weibliche Verstärkung auf die Bühne geholt. In Tilburg waren es noch Ex-Delain Frontfrau Charlotte Wessels, sowie Alissa White Gluz von Arch Enemy. Nun soll die Schweizerin Melissa Bonny auf der Bühne unterstützen und Tommy als Duett-Partnerin dienen.
Den extrem stimmstarken Karevik Paroli zu bieten ist keine leichte Aufgabe, doch Melissa meistert diese mit Leichtigkeit. Ihre extreme Varianz in der Stimme bereichert die Songs ungemein und mit ihrer großartigen Bühnenpräsenz schafft sie es auch immer wieder in den Vordergrund. Die Wechsel zwischen Mezzosopran und deftigen Growls meistert sie dabei so spielerisch, dass man “Kamelot” nur zu dieser grandiosen Wahl beglückwünschen kann.
Doch nicht nur die Stimmen überzeugen an diesem Abend. Bandgründer und Gitarrengott Thomas Youngblood zupft sich unermüdlich durch die komplexen Strukturen von Songs wie “Vespertine (My Crimson Bride)” oder “March of Mephisto”. Dabei agiert er so unauffällig, dass man sich ohne Ablenkung nur auf die kreierten Melodien konzentrieren kann. Am Bass zeigt Sean Tibbets, welcher nach einer etwas längeren Pause seit 2009 wieder an Board ist, dass aus seinem Instrument nicht nur dumpfer Rhythmus kommen kann. Immer wieder schafft er es variable Sub-Melodien einzuweben, welche “Kamelot”-Songs die bekannte Tiefe geben.
Bei all den komplexen Tönen, kommen die Techniker am Mischpult leider nicht ganz mit. Die eigentlich fantastische Anlage im Z7 wird nicht komplett ausgereizt und könnte noch etwas mehr Klarheit bieten. Diese stellt sich hoffentlich noch auf den kommenden Konzerten der Tour ein. Zu wünschen wäre es allen Beteiligten auf jeden Fall.
Noch immer hat Tommy das Publikum in seiner Gewalt. Folgsam sprechen sie auf jede seiner Aufforderungen zum Mitmachen an. Egal ob Gesang, Klatschen oder Handylichter für die Power-Ballade “Song for Jolee”, niemand verweigert sich dem charismatischen Schweden.
Eine Weltpremiere darf das Z7 an diesem Abend auch noch erleben. Zum ersten Mal führen “Kamelot” den Song “New Babylon” auf, welcher auf dem bis dato noch nicht veröffentlichten Album enthalten ist. Der Song strotzt nur so vor Bombast, wird wieder von Melissa begleitet und hat großes Ohrwurm-Potential.
Wir nähern uns dem Ende der Show. Tommy übernimmt kurz das Piano und stimmt das Intro zu “Phantom Devine (Shadow Empire)” an. Zum Ende des Titels nutzt er die Gelegenheit die Band vorzustellen. Jedes Mitglied erhält ausreichend Zeit den Ihm gebührenden Jubel zu genießen. Am längsten ist dieser bei Gründer Thomas Youngblood, aus dessen Feder auch die meisten Songs stammen. Doch auch Schlagzeuger Alex Landenburg, welcher das neuste Mitglied der Fünf ist, freut sich über seinen Anteil am Applaus. Gleich darauf darf er sich nochmal richtig abreagieren. Ein dreiminütiges Drum-Solo hämmert er im vollen Scheinwerferlicht in sein Schlagwerk, nur um direkt in das Intro von “Forever” zu enden.
Dieses Lied wird auch schon sehnlich von den Zuschauern erwartet. Bildet doch das “Wohoho”-Singalong im letzten Refrain schon seit Jahren einen Höhenpunkt im Set. Tommy fordert das Publikum mit immer komplexer werdenden Tonfolgen heraus, nur um im letzten Durchlauf seine Überlegenheit zu beweisen. Seinen Sprüngen zwischen den Tönen kann das Z7 nicht mehr folgen und muss so lachend aufgeben. “Forever” markiert auch das Ende des regulären Sets welches nach kurzer Pause in die Zugaben über geht.
“Opus of the Night (Ghost Requiem)” ist der dritte Song aus “The Awakening” welcher heute zum Besten gegeben wird. Als letzter Song wird “Liar Liar” angestimmt, zu welchem Melissa nochmals ihre Stimmgewalt unter Beweis stellen darf. Unter dem nicht enden wollenden Jubel der dicht vor die Bühne gedrängten Massen, verlassen die Musiker die Bühne.
Die 90 Minuten, die “Kamelot” an diesem Abend gestaltet und zusammengestellt hat, sind ein Potpourri aus der gesamten Bandgeschichte. Eine Geschichte die sich eigentlich nur schwer in die Showtime quetschen lässt. Hier kommen wir auch zum einzigen Kritikpunkt. Gute eineinhalb Stunden sind für einen Hauptact einfach zu kurz. Es bleibt kein Raum selten gespielte oder unbekanntere Songs in ein Set einzubauen. Zudem kosten drei verschiedene Vorgruppen mit unterschiedlichen Stilen beim Publikum Kraft, sich komplett fallen zu lassen. Ein Best-Of der Bandgeschichte kann man sich auch bei allen beliebigen Streaming-Anbietern zusammenstellen lassen. Außerdem könnte eine Tour zum Release eines neuen Albums, meiner Meinung nach ein paar mehr Songs aus Selbigem vertragen.
Ich hoffe, dass dieser Trend, zu so breit aufgestellten Touren, von kurzer Dauer ist. 90-Minuten-Best-Of-Sets sollten in Zukunft wieder zurück auf die Festivalbühnen. Gerade so variantenreiche Bands wie “Kamelot” können sich problemlos auf 2 Stunden oder mehr präsentieren. Ihnen diesen Zeitraum auf eigenen Headliner Touren zur gewähren, wäre ein Gewinn für solch einen Konzertabend.