Metalacker Tennenbronn – 26. & 27.08.2022

Ab auf den Acker!
Nach viel zu langer Pause, konnte der Metalacker in Tennenbronn endlich wieder stattfinden. In mitten des Nirgendwo, irgendwo im Schwarzwald zwischen Schramberg und Triberg, versammelt sich eine eingeschworene Gemeinschaft um den Acker zu stürmen. Dieses Stückchen Feld ist vielleicht nicht so berühmt wie der Holy Ground von Wacken, zieht dafür aber auch weniger Touristen an. Mit viel Liebe und Herzblut, baut ein Haufen Freiwilliger rund um lokale Vereine, aus dem Nichts ein kleines aber feines Festival auf.
Während Corona bedingten Durststrecke haben sich die Macher richtig ins Zeug gelegt und ein spannendes Line-Up aus lokalen, nationalen und internationalen Bands zusammengestellt. Die Ausgabe von 2022 überzeugt zusätzlich mit einer angenehmen Mischung verschiedener Stilrichtungen, sodass für jeden etwas dabei war. Das Publikum jedenfalls, lies sich auch durch kleinere Schauer nicht aus der Ruhe bringen und belegte den Amphitheater ähnlichen Acker von der ersten Band an.
Freitag 26.08.
Eröffnen durften am Freitag die Lokalmatadore von „BLVCKWOOD“ mit saftigem Metalcore. Der Böllerschuss zur Öffnung des Geländes hatte zwar die Wolken so sehr erschüttert, dass es einen kurzen Schauer gab, doch dies scheute die Junge Band nicht. Die Zuschauer bestanden zu dem Zeitpunkt noch überwiegend aus bestehenden Fans der Schwarzwälder, später gesellten sich aber noch mehr dazu, sodass es zu einem ordentlichen Circle Pit reichte. Nach kurzweiligen 40 Minuten verabschiedeten sich die Newcomer bereits unter lautem Jubel.
Fährt man von Tennenbronn ein wenig nach Nordost, kommt man in Aalen an. Dort haben die Veranstalter einen weiteren Newcomer mitgenommen. „Defocus“ besticht mit melodischen Metalcore und einem Hang zur Melancholie. Der Himmel klart auf, während das Quartett begleitet von satten Backtracks, dem ständig anschwellenden Publikum seine Songs entgegen schmettert. Für ihr Debütalbum bekamen die Schwaben Unterstützung von „ANNISOKAY“ Sänger Christoph Wieczorek, welcher das Mastering übernahm. Sein melodischer Einfluss ist hörbar, ohne „Defocus“ dabei die Eigenständigkeit zu nehmen. Eine Performance, welche auch vom oberen Teil des Ackers gut angenommen wird.
Weiter gings mit echten Urgesteinen. Die Tiroler von „Serenity“ spiel seit mittlerweile über 20 Jahren ihren Melodic Metal auf den Bühnen der Welt. Sänger Georg Neuhauser scheint die Bühne des Ackers etwas zu klein zu sein, denn er steht fast die komplette Show auf den Subwoofern um noch näher bei den Zuschauern zu sein. Er sucht den Kontakt und die Band bekommt für ihre Songs überragende Rückmeldungen. Er lässt es sich auch nicht nehmen, selbst einmal Crowdsurfen zu gehen. Das Infield ist zu diesem Zeitpunkt auch schon sehr voll, sodass er ohne Probleme einmal bis zum Mixer und wieder zurück getragen wird. Als sie dann noch ihren Hit „Set the world on fire“ anstimmen, gibt es auch am letzten Bierstand kein halten mehr. Der Refrain dröhnt auch hunderten Kehlen Richtung Bühne zurück. Viele wünschen sich noch Zugaben, doch die sympathischen Österreicher müssen leider Platz machen für den Headliner des Abends.
„Lord of the Lost“ lassen nicht lange auf sich warten. Die Hamburger legen die Bühne und sich selber in Tiefe Schatten und schaffen so eine düstere, mystische Athmosphäre. Aufsteigender Nebel aus den um den Acker liegenden Bäumen tut sein bestes um diese Stimmung zu verstärken. Der Dark Rock der Hamburger, eine etwas weichgespülte Mischung aus Rammstein und Marilyn Manson, kommt gut an bei den Tennenbronnern und ihren Gästen. Der Acker ist jetzt zum Bersten gefüllt, die Stimmung auf dem Siedepunkt. Etwas ausartende Mosh-Pits fängt Sänger Chris Harms direkt mit einer Ansage ein, welche zur Rücksicht auf Familien mit Kindern aufruft. Denn auch die befinden sich, mit guten Gehörschutz ausgerüstet, in den ersten Reihen.
Beim Cover von Iron Maiden’s „Children of the Damned“ wird noch kurz die Anwesenheit der True-Metal-Polizei abgefragt. Da sich diese nicht zu Wort meldet, versucht sich das Quintett an diesem Klassiker der Metalgeschichte, schafft es aber nicht ganz dem Song einen eigenen Stempel aufzudrücken. So bleibt die Resonanz für diesen Song dann doch unter dem Durchschnitt des Abends. Passend zu den oftmals glitzernden Outfits der dunklen Gestalten, kommt dann noch eine mit LED’s bestückte Gitarre zum Vorschein, welche die ersten Reihen blendet.
Die 90 Minuten Show ist kurzweilig, für Zugaben ist allerdings kein Platz. „Lord of the Lost“ verabschieden sich unter frenetischem Jubel vom Metalacker, nicht ohne das Versprechen abzugeben, wieder kommen zu wollen.
Eine deutlich härtere Gangart legen die Finnen von „Bloodred Hourglass“ an den Tag. Der Groove-Metal erinnert teilweise an „Lamb of God“ ist aber leider nicht so sauber abgemischt. Aufziehende Kälte durch den jüngsten Regen und der etwas gewöhnungsbedürftige Sound, schicken einige Zuschauer den Hügel hinauf Richtung Bierstände oder teilweise schon ins Zelt. Eine knappe Stunde lang dürfen die fünf aus dem hohen norden den Schwarzwald beschallen, dann müssen sie die Bühne schon wieder räumen.
Es übernehmen zur Nachtschicht die Wölfe. „Wolfchant“ aus Bayern bringt deftigen Pagan-Metal mit, dessen Texte vorallem nordische Mytholgie behandeln. Spät wird es über dem Acker, während die Gitarren versuchen die Nacht zu vertreiben. Um kurz vor zwei ist dann aber endgültig Schluss und die letzten noch verbliebenen steigen den den Metalacker hinauf um sich wohlverdient zur Ruhe zu legen.
Samstag 27.08.
Der Samstag morgen startet wie immer in Tennenbronn familiär. Während die meisten noch die Schnarchfestigkeit der Zeltwände testen, ist das Frühstücksteam der freiwilligen Helfer bereits wieder auf den Beinen. Rührei, Speck, Fleischkäsesemmel, vegane Sandwichs und Hektoliter an Kaffee werden vorbereitet. Das gemütliche Beisammensein am Morgen gehört genauso zum Metalacker wie die Tannen, die die Lichtung umgeben. Und noch ein unverzichtbares Element gibt es an diesem Morgen. Das Edelweiß Echo, eine Familienband aus Tennenbronn, darf auf einer extra Bühne am Campingplatz, die Gäste wecken und spielt den gesamten Morgen unermüdlich das Beste aus Rock, Pop, Schlager und volkstümlicher Stimmungsmusik. Ähnlich kultig wie die Feuerwehrkapelle in Wacken, gehört das Quartett einfach zum Metalacker.
Die Hauptbühne wird auch an diesem Tag wieder von einer lokalen Band eröffnet. „MadEra“ aus Freiburg knallen ihren fetten Nu-Metal Sound aus den Boxen den Acker hinauf. Leider meldet sich mit dem ersten Ton der jungen Newcomer auch der Himmel zu Wort und lässt einen starken Regenschauer über den Zuschauern runter. Dadurch ist es auf dem Acker deutlich leerer als es eigentlich sein sollte. Das Quintett lässt sich davon aber nicht beeindrucken und spielt im Stil von ikonischen Bands wie „Papa Roach“ oder „Limp Bizkit“ ein schnelles, dichtgepacktes Set. Letzte dürfen dann zum Abschluss auch nochmal herhalten. Mit „Break Stuff“ covern „MadEra“ einer der ikonischten Songs des Genres und verlassen zu zu kurzen 40 Minuten schon wieder Bühne.
Dichter schwarz-roter Nebel aus verschiedenen Rauchgranaten füllt die Bühne. In Mitten des wabernden Dickichts steht Virgil von der Regensburger Band „Scherbentanz“ und haut ein Synthesizer Intro auf die Keytar. Stampfend und rau klingt das Quintett. Ein Sound der stark an Rammstein erinnert, wobei die Texte düsterer sind. Ein bisschen magisch, ein bisschen Gothik, dazu teilweise begleitet durch eine weibliche Sängerin, welche extra für diesen Auftritt mitgebracht wurde. Insgesamt vielleicht etwas wenig originell, ist es dennoch ein solider Auftritt. Dass es Aufhört zu regnen hilft natürlich auch, dass sie Stimmung auf dem Acker wieder steigt.
Obwohl alle Mitglieder noch recht jung sind, treten „Shark Tank“ bereits seit 2013 zusammen auf. Die Nürnberger präsentieren fetten Hardcore und damit ein deutliches Kontrastprogramm zur vorherigen Bühnenbelegung. In ihren Songs positionieren sie sich deutlich gegen Rassismus, Faschismus uns Antisemitismus. Damit lösen sie Begeisterung beim immer zahlreicher werdenden Publikum aus. Sänger Axel genießt das Bad im Publikum vergisst dabei nicht zu singen, und hat trotzdem noch Zeit für Selfies mit Zuschauern. Mal wieder sind es fünf Musiker, welche die Bühne des Metalacker zum Beben bringen. Noch ein bisschen Feintuning im Sound und man wird die Bayern in Zukunft noch öfter sehen.
Mit einem Mann weniger kommt die internationale Truppe „Tri State Corner“ aus. Die Truppe besteht hat Mitglieder aus Deutschland, Griechenland und Polen. Aus Griechenland kommt hierbei das auffälligste Merkmal, welches gleichzeitig auch das namensgebende Element des Genres ist. Der Bouzouki Rock des Quartett stützt sich auf das gleichnamige Gitarrenderivat. Vehement treiben die Jungs ihren Sound den Acker hinauf. Ihre Gute Laune und die eingängigen Rhythmen übertragen sich auf die Zuschauer und verleiten nicht wenige zum tanzen. Mit ganz eigenem Stil und viel Power treibt Sänger Vassilos Maniatopoulos die Metaxa-Rocker zu Höchstleistungen an. Auch wenn die meisten Songs vielleicht noch nicht so bekannt sind, geben die Besucher ihr Bestes in den Mitsingteilen. Für einige zu schnell ist die Stunde Spielzeit um, trotz vielstimmiger Zugaben-Rufe, wird man nur den Frontmann nochmal sehen.
Der nimmt nämlich nach einer kurzen Umbaupause hinter dem Drumkit von „Rage“ Platz. Nach der Trennung von Victor Smolski, musste Peavy sich neu aufstellen. Erstes Mitglied der neuen Formation unter alten Namen, war eben jener Vassilos. Komplettiert wird das legendäre Quartett seit 2020 durch Stefan Weber und Jean Bormann an den Gitarren. Die diesjährige Festivalsaison ist die erste Bewährungsprobe für die neue Zusammenstellung. Von Scheu oder Findungsschwierigkeiten merkt man allerdings nichts. Während die Gitarristen wie wild geworden von Links nach Rechts und wieder zurück über die Subwoofer springen, schmettert Peavy’s immer noch kräftige Stimme über den Metalacker. In fast 40 Jahren Bandgeschichte haben sich mehr als genug Hits angesammelt, die in knapp 80 Minuten zum Besten gegeben werden.
Seit dem „Schuh des Manitu“ kennt wohl jeder den Song „Straight to Hell“, so verwundert es sich nicht wirklich, dass der Refrain vielstimmig Richtung Bühne zurückschallt. Der Metalacker Tennenbronn ist zu diesem Zeitpunkt ausverkauft und das Gelände bis hinten gefüllt. Rage hat nichts von der Kraft verloren, welche die Band immer ausgezeichnet hat. Ein wenig fehlt die Virtuosität mit der Smolski die Gitarre spielte, doch seine Nachfolger machen einen soliden Job. Unter frenetischen Jubel verlassen die Vier die Bühne des Ackers, das Grinsen auf ihren Gesichtern findet sich auch im Publikum wieder.
Zweiter Headlinder und Topact des Samstags kommt aus Finnland. Die Melodic Rocker von „Sonata Arctica“ feiern ihren Open-Air Abschluss in Tennenbronn, bevor sie im Herbst mit ihrer „Acoustic Adventures Tour“ in die Hallen zurückkehren. Leider scheint der eigens mit einflogene Mixer die lange Anreise nicht so gut überstanden zu haben. Undifferenziert und matschig klingt es aus den Boxen, als die Bühne erobert wird. Viele der grandiosen Melodien verlieren sich in einem merkwürdigen Brei der aus den Boxen tönt. Auch seine Stimme, welche Sänger Tony Kakko normalerweise fein modellieren kann, kommt nicht rüber. Dadurch bleibt viel Potenzial und liegen, welches auch das Publikum schnell merkt.
Die gute Stimmung, welche noch von „Rage“ übrig war, verfliegt recht schnell. Das merken auch die Finnen. Anfangs noch hoch motiviert erkennt man auch auf der Bühne schnell, dass der Funken nicht überfliegt. Da der Sound sich auch nicht merklich bessert, bei „I have a right“ versteht man Tony kaum, leert sich der Acker etwas verfrüht an diesem Abend. Auch eine Ansage, in der sich die Band dafür bedankt, dass es Gäste wie die des Metalackers sind, welche Live-Musik am Leben halten, findet zwar Gehör und Resonanz im Publikum, die getrübte Stimmung kann sie aber leider nicht mehr aufhellen.
Sehr schade, denn das mit Hits vollgepackte Set hätte das Potential zu einem fantastischen Konzert gehabt. So bleibt es bei alle Beteiligten bei einer durchwachsenen Leistung.
Zur Nachtschicht wird es wieder düster. Die Organisatoren des Metalacker haben erneut in Bayern zugeriffen, und die Würzburger von „Der Weg einer Freiheit“ über die Landesgrenze gelockt. Mit ihrem melodiösen Black Metal bilden sie den Abschluss des diesjährigen Metalacker.
Fazit
Erneut gab es ein tolles abwechslungsreiches Line-up. Die Mischung aus Szenegrößen und Newcomern, sowie etablierten Locals kam gut an. Die freundliche, herzliche Atmosphäre lockte auch in diesem Jahr wieder knapp 3.000 Gäste in das beschauliche Tennenbronn um ein Wochenende den Acker zum Beben zu bringen. Ähnlich wie den Bands geht es auch den meisten Gästen. Wenn man den Gesprächen lauschte, konnte man einige schon beim Schmieden der Pläne für 2023 zuhören. Die Macher jedenfalls beteuern nicht wachsen zu wollen. Mit der jetzigen Größe kann man sehr gut leben, mehr Menschen und mehr Fläche würden die eh schon komplexe Logistik unnötig erschweren. Zusätzlich würde dann auch die Einzigartige Stimmung verloren gehen, die irgendwo zwischen Dorffest und Konzerthalle liegt.
Wir danken dem Metalacker für das uns entgegengebrachte Vertrauen und freuen uns schon 2023 wieder von vor, neben und auf der Bühne zu berichten!
Text: Eightrocks
Bilder: Adrian Sailer | Eightrocks