Drunken Swallows – Zwischen Chaos und Poesie
Die Schwalben landeten für ein Konzert in der MS Connection in Mannheim und gaben mir die Möglichkeit, vor dem Konzert (hier Bericht und Fotos) ein paar Fragen loszuwerden. Bei einem, oder auch zwei Astra im Backstage-Bereich haben wir über Chaos und Poesie geredet.
Tag 6 auf Tour… Wie ist das Fazit?
Chaotisch… Der Name des Albums ist Programm. Das Chaos ist allgegenwärtig.
Gibt es für euch ein Highlight auf dieser Tour?
München kriegt uns immer wieder. Der Laden, auch das Drumherum passt immer… An Köln haben wir gute Erinnerungen, da kommen auch einige, die wir kennen. Unser Heimspiel ist ja Lübeck. Da wissen wir jetzt schon, dass es geil wird.
Wie ist das Feedback bzw. Fazit der Fans zur Tour bis jetzt?
Bis jetzt positiv. Ich habe noch nicht gehört, dass wir zu betrunken waren zum Spielen. Es könnte teilweise besser besucht sein. Da ist noch Luft nach oben. Es ist nicht nur für uns schwer, da was zu reißen, aber nichts desto trotz ist das Feedback von den Leuten, die am Start sind immer gut. Es kam bisher noch keiner und hat gemeint „Ihr spielt scheiße“.
Steckt denn mehr Chaos oder Poesie in euch?
Vielmehr Chaos… Die Poesie kann man dann tatsächlich auf die Songs an sich reflektieren, oder auf einige Thematiken, die wir ansprechen. Ansonsten fällt mir nicht viel Poesie ein bei uns.
„Ich tu´s für dich“ war die erste Single-Auskopplung. Warum dieser Song?
Die erste Single-Auskopplung — da haben wir uns dafür entschieden, weil er schon, als wir ihn im Proberaum geschrieben haben, sofort „da“ war. Er hat von vornherein gut gepasst. Aber davon abgesehen ist es für mich nicht der stärkste Song auf dem Album, aber er hat zu der Zeit gut gepasst. Es ist ja auch immer leicht, wenn man sich dafür entscheidet, eine Single zu machen, was ja heutzutage nicht mehr so häufig vorkommt… Dann muss es ja auch ein Song sein, der uns vier so bewegt, dass vier Leute mit unterschiedlicher Meinung und Charakteren sagen „okay, lass uns den nehmen“. Bei dem passte es tatsächlich, ohne groß in die Diskussion gehen zu müssen. Es war jetzt nicht der bequemste Weg, sondern es war einfach der idealste Weg. Heutzutage hätte man auch einen Song rausschmeißen können, wie „Wo stehst Du?“ Der wäre natürlich noch besser gewesen, aber ich glaube der war zu dem Zeitpunkt noch nicht richtig fertig.
Gibt es für euch einen Lieblingssong auf dem neuen Album?
Pit: „Wo stehst du?“ Der Track hat für mich die klare Kante, darauf steh ich und darauf stehen wir alle halt gleich.
Frank: Ich muss gestehen — das klingt vielleicht kacke — aber ich mag ganz, ganz viele, und bei mir wechselt das auch. Man verbaut das halt auch mit selbst Erlebtem, wenn du zum Beispiel ein Konzert spielst, zum Beispiel München oder Leipzig den Tourstart und bei „Über den Dächern“ — den Song find ich nach wie vor cool — aber wenn dann plötzlich von 20 Leuten die Bühne geentert wird und alle diesen Song mitsingen, da ist ein Feeling da, dann ist plötzlich die nächsten Tage dieser Song der Favorit.
Entscheidet ihr von Konzert zu Konzert welcher Song gespielt wird auf einer Tour?
Das Grundgerüst steht… Vor der Tour schreiben wir unser Set. Es gibt Songs die Pflicht sind, und es gibt Songs die kannste machen, musst du aber auch nicht jedes Mal. Natürlich kommt ein Song wie „Love St. Pauli“, der nicht rein fußballerisch bezogen ist, mal gut und mal nicht. Und wenn man dann halt weiß, okay du spielst in einer Region, wo es nichts bringen würde (Rostock oder Dresden), dann lässt man den auch mal weg. Witzig wäre es für den Moment schon, aber kann dir halt dann auch komplett die Stimmung zersägen.
Wie läuft bei euch der kreative Prozess zu einem neuen Album ab?
Oft ist es so, dass jemand ankommt, mit einer halbfertigen Sache oder mit einer Idee, die er den anderen vorgestellt. Dann wird vielleicht etwas daran umgeändert, rumprobiert, lässt es auch wieder liegen für ein paar Wochen. Jeder bringt immer irgendwas mit, und das geht gut zu viert. Es gibt auch Songs die nur Frank alleine geschrieben hat, zum Beispiel, und auch einen Gitarrenriff dazu hat. Dann baut man sich das darum herum auf. Wie auf einer Baustelle.
Seid ihr alle gleicht „stimmberechtigt“ oder gibt es jemanden, der, wenn es zu viele Diskussionen gibt, sagt: „Wir machen das jetzt wie ich das sage“?
Frank: Das letzte Wort hab immer ich, weil ich am meisten Rede, aber ich habe nicht die Entscheidungsmacht. Das ist tatsächlich bei uns so, auch über all die Jahre, dass da noch nie ein Problem war. Darüber müssen wir uns eigentlich auch überhaupt nicht unterhalten. Wenn irgendeinem was gar nicht passt, dann wird das auch nicht gemacht. Dann finden wir immer eine Lösung, die alle zufrieden stellt. Ob die dann alle genauso glücklich macht wie den einen, sei mal dahingestellt. Aber zumindest so, dass es jeder unterschreiben würde.
Jeder versucht auch zurückzustecken, wenn er nicht so einen richtigen Draht hat zu einem Song, dann sagt man halt: „okay pass mal auf, der sagt mir jetzt nicht ganz so zu, aber ist okay, wenn er auf die Platte mit draufkommt oder wir ihn Live spielen„.
Ihr nehmt Urlaub für die Tour. Wie schafft man da die Umstellung zwischen dem Tourleben und dem geregelten Leben zuhause?
Man hat Entzug… Wenn man von der Tour zurück ist, heißt es meist halt gleich wieder Arbeit, und da zerbricht erstmal komplett dein Leben. Du hast einmal den Tour-Alltag, beschäftigst dich von morgens bis abends nur mit Mucke und bist halt mit den Vollidioten zusammen, und wenn du wieder zur Arbeit gehst, geht der Alltag wieder los. Dann muss man auch wieder nachdenken was man sagt. Das ist tatsächlich ein ziemlicher Spagat, und alle nehmen Urlaub. Da muss man sich schon mit vielen Sachen arrangieren, ob das zuhause die Ehefrau ist oder mit den Verpflichtungen, die man neben der Arbeit auch hat. Es wäre natürlich wesentlich einfacher, wenn es nur das, also die Musik, geben würde.
Gibt es in der Band Zuständigkeitsbereiche? Ich weiß zum Beispiel, dass Phil hauptsächlich die Grafiken macht…
Frank kämmt sich die Haare, ich trink Bier und Phil und Dennis machen den Rest. Die Stärken jedes einzelnen Bandmitgliedes werden da irgendwo hervorgehoben. Phil kennt sich am meisten mit Photoshop aus, Dennis ist das Organisationstalent, durch seine „School of Rock“. Das nutzen wir schamlos aus. Wenn es heißt, einer muss mal da anrufen, übernimmt Frank das. Wenn ’ne Kiste Bier übrig ist, die Weg muss, kümmert sich Pit darum.
Wenn ihr Euch Ziele steckt, backt Ihr da kleine Brötchen oder kommt der Größenwahn durch?
Das ist eine Mischung aus beidem. Du musst schon ein bisschen behindert sein, sonst kommst du nicht weiter. Wir stecken uns unsere Ziele manchmal super hoch. Wenn wir uns zum Beispiel in der Bandrunde darüber unterhalten, dass wir jetzt unbedingt ein Unplugged-Album aufnehmen müssen. Keiner hat sich aber darüber Gedanken gemacht, wie das überhaupt funktioniert. Dann heißt es halt wieder „okay, wir spielen einen Akustik-Song, das reicht auch wieder“. Aber um diese Größenwahn-Frage auch wieder zu dementieren: Es gab bzw. gibt bei uns keinen Größenwahn, dass wir zum Beispiel sagen, wir spielen jetzt ein Konzert in Düsseldorf und machen mal locker die Halle mit 1000 Besuchern voll. Da sind wir oft recht realistisch, und das ist ganz gut. Wenn du tief stapelst wirst du oft auch eines Besseren belehrt. Es ist natürlich geil, wenn du denkst 50 wären cool und dann kommen 100. Natürlich tut es weh, wenn man nur 20 Leute hat. Aber wir haben trotzdem unseren Spaß. Klar wäre es wünschenswerter wenn es mehr Leute sind. Aber da wir das nicht so in uns tragen, wir haben eine coole Platte gemacht, wir sind eine lustige Truppe und wir wissen auch, dass uns Leute cool finden. Aber das ist halt nie ein Garant dafür — bei dem Musikmarkt den es einfach gibt, und bei den ganzen Angeboten, die es gibt –, dass die Leute pauschal nur, weil du ein Konzert gibst, kommen. Es gibt da gute Abende und schlechte Abende, und damit sind wir auch quasi so gewachsen. Manchmal ist es auch hart. Du spielst drei fette Festivals im Sommer und spielst dann plötzlich eine kleine Show, die schlecht besucht ist… der Ton ist vielleicht noch doof. Dieser Moment kann sich dann schon einmal deprimiert anfühlen. Gerade war alles so geil und dann läuft es wieder nicht. Aber dann muss man wieder realistisch sein und sagen: „warum läuft es nicht?!“ Man muss immer ehrlich zu sich sein — wo man steht, was man dafür getan hat und was man dafür tut… Das ist dann halt das, was man dafür erntet.
Meine Schlussfrage und eure Chance… Warum sollte man eurer Meinung nach ein Konzert der Drunken Swallows besuchen?
Uns wurde mal gesagt, bei einem Drunken Swallows-Konzert ist immer eine gute Energie auf der Bühne. Musikgeschmack ist Musikgeschmack. Aber wir haben alle Bock, wir passen gut zusammen, wir machen gut zusammen Musik — wobei gut sei mal dahingestellt, das beurteilt ja der Hörer… Das ist einfach eine unfassbare gute Energie, die wir zusammen auf die Bühne bringen. Und es schwappt eigentlich immer über, egal ob 14 Besucher oder 5000. Passiert was Witziges, dann lachen wir und alle lachen mit. Wir hatten es auch schon, dass die Leute meinten: „Die Musik, die ihr macht gefällt mir überhaupt nicht. Aber ihr seid lustige Typen. Man merkt, dass ihr Bock darauf habt.„