Browse By

Hip Hop Family Tree: Die frühen Jahre des Hip Hop (1970s-1981)

Hip Hop Family Tree - Die frühen Jahre des Hip Hop - Tribe Online MagazinVor Kurzem haben wir euch hier Ed Piskors Hacker-Biographie “Wizzywig” vorgestellt. Diese zählte etliche Fakten über das Hackertum auf, allerdings an Hand einer erfundenen Person. Im Gegensatz dazu beschreibt seine Reihe “Hip Hop Family Tree” die Wurzeln und die reale Chronologie der Entstehung des Hip-Hop (ebenfalls ein Steckenpferd Piskors) – akribisch und in vielen Details.
Der erste Band mit dem Untertitel “Die frühen Jahre des Hip Hop (1970s-1981)” widmet sich dabei dem ursprünglichsten Beginn des damals neuen Musikgenres in der South Bronx.

Ganz oben im Stammbaum des Hip-Hop steht DJ Kool Herc. Er reicherte seine beliebten Disco-Parties dadurch an, dass er besonders gut ankommende Breaks von den Platten immer wieder wiederholte. Das inspirierte nicht nur Grandmaster Flash dazu, die DJing-Techniken zu perfektionieren und ließ auch nicht nur den damals noch recht jungen Grandwizard Theodore das Scratchen entdecken. Es startete womöglich auch die B-Boy-Kultur…
Damals herrschte Gewalt und eine Gangkultur auf den Straßen. Traf man aufeinander, kloppte man sich – war man gut drauf, blieb es dabei. Ein gewisser Afrika Bambaataa, früher gefürchteter Anführer einer Gang (der lustigerweise teils fast doppelt so groß als die anderen dargestellt wird), hatte allerdings die Idee einer friedfertigen “Zulu Nation” (zu der übrigens hierzulande auch Jan Delay und Westbam gehören oder zumindest gehörten).
Eine Grundidee der Zulu Nation war also der Gewaltverzicht, so dass sich die MC-Kontrahenten künftig mit ihren Routinen am Mikrofon oder die B-Boys beim Tanz battlen sollten. Man traf sich auf Blockparties mit teils improvisiertem DIY-Equipment, für die der Strom zur Not aus Straßenlaternen abgezapft wurde. In diesem Ambiente – und wenig später auch in angesagten Clubs – entwickelte sich die Musik schließlich immer weiter – und auch die anderen Sparten der Hip-Hop-Kultur.

Hip Hop Family Tree 1 - Vorschau Seite 11 - Tribe Online Magazin

Deutsche Ausgabe: © Walde+Graf bei Metrolit

Die Liste der Personen, die an der Entwicklung eine Rolle spielten, scheint endlos. Seien es Kurtis Blow mit seinen wichtigen Veröffentlichungen “The Breaks” und “Christmas Rappin’”, Lovebug Starski und DJ Hollywood, die beide Anspruch darauf erheben, den Namen “Hip-Hop” geprägt zu haben oder eine der Crews, die sich zuhauf bildeten (wie z.B. die “Threacherous Three” oder die “Funky Four Plus One”). Auch der spätere “Yo! MTV Raps”-Moderator Fab Five Freddy wird ausführlich gezeigt – wie er U-Bahnen mit Werbung besprüht, so die Graffiti-Streetart in Gang bringt und u.a. Keith Haring damit beeinflusst.
Sehr interessant, und mir völlig unbekannt, war, dass auch die mit Fab Five Freddy befreundete Debbie Harry von “Blondie” (damals mit ihrer Single “Rapture”) ihren Anteil am Siegeszug der Bewegung hatte…

Ebenfalls erwähnt werden die späteren “Erben”, die damals schon in jungen Jahren durch diese Bewegung beeinflusst wurden. Zum Beispiel der Junge André Young, zu dem die Welle von der Ostküste bis nach Compton schwappte. Er sollte später einer der ganz Großen im Business werden: Dr. Dre. Oder auch die kleinen Joseph Simmons und Jazon Mizell, die als DJ Run und “Jam Master Jay” schon bald (aber doch außerhalb der Reichweite dieses ersten Bandes) die prägende Combo “Run DMC” gründen sollten. Oder… oder… oder…

Auf der anderen Seite gibt es dann auch die “dunkle Seite der Macht”, beispielsweise in Person von Sylvia Robinson (Gründerin von Sugarhill Records), Russell “Rush” Simmons und Rick Rubin (die Gründer von Def Jam), die alle samt schon früh die Kasse klingeln hörten. So erzählt Ed Piskors Family Tree mit einem weinenden Auge auch davon, wie der Hip-Hop immer weiter kommerzialisiert wurde und sich letztlich selbst verkaufte. Nicht zuletzt, weil auch das Cover auf diese Entwicklung anspielt, ist das eines der Hauptthemen des Buches. Es zeigt ein Vorher/Nachher-Bild mit Grandmasterflash: links in Trainingsklamotten bei einer Blockparty auf einem heruntergekommenen Basketballplatz, die rechte Hälfte kommerziell gestylt im Club-Ambiente.

Hip Hop Family Tree 1 - Vorschau Panel Seite 59 - Tribe Online Magazin

Deutsche Ausgabe: © Walde+Graf bei Metrolit

Ed Piskor erzählt das Ganze, wie erwähnt, extrem detailreich. So kommt es, dass manche Dinge in einem einzigen Panel geschildert werden und teilweise sehr schnelle Szenen- und Themenwechsel erfolgen. Das kann schon etwas verwirrend sein und rasant erscheinen – etwas “Vorbildung” ist daher sicher von Vorteil, zumal eben unzählige Namen abgehandelt werden.
Die vierfarbigen Zeichnungen zeigen wieder den unverkennbaren Stil von Ed Piskor. Auf der einen Seite, wie schon bei “Wizzywig” erwähnt, machen die Bilder oft einen ziemlich statischen Eindruck. Andererseits wirkt die Erzählweise, auch grafisch, so einfach stimmig und perfekt.
An manchen Stellen meint man zunächst, dass die Farben beim Druck nicht genau übereinander platziert wurden. Betroffen sind aber nur bestimmte Panels. Nämlich die, bei denen gerade eine Party am Laufen ist. Sprich: der Bass lässt das gesamte Panel vibrieren. Ein gelungener Effekt.

Neben ein paar “Pin-Ups” (ganzseitige Illustrationen, u.a. von den “Beastie Boys” oder auch “Salt N Pepa”) finden sich im hinteren Teil des Buches noch eine Bibliographie (ein paar Buchquellen), eine Discographie bedeutender Releases [1] und der “Funky Index”, eine ellenlange Liste, über die man schnell alle Personen im Buch finden kann.

Kurz: wer etwas für den Hip-Hop übrig hat oder sich für die Geschichte des Genres und der dahinter stehenden Kultur interessiert, der wird „Hip Hop Family Tree: Die frühen Jahre des Hip Hop (1970s-1981)“ einfach lieben!
In der nächsten Runde dürften dann noch mehr Künstler auftauchen, die ich persönlich eher direkt mitbekommen habe. Ich freu mich schon darauf und sag “bau-witta-bau-dang-di-dang-diggy-diggy” und “one for the treble, two for the bass”… ähm… “Eds Serie ist der Hit und sie macht voll Spaß!”… ;)


[1] Einige der in der Discographie aufgeführten, wichtigen Veröffentlichungen haben wir hier in einer Spotify-Playlist für euch gesammelt. Eine weitere Aufzählung nennt einige Songs, aus denen früher Beats und Breaks verwendet wurden – dazu findet ihr wiederum ein paar Stücke in einer zweiten Spotify-Playlist.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

Abo und News an Deine E-Mail







Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

Weitere Beiträge des Autors - Website

Follow Me:
Flickr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert