Paper Girls 02
“Kinder, die einfach versuchen ihr Leben zu leben, sind immer die Guten.”, philosophierte einer der jugendlichen Zeitreisenden im Auftaktband (hier unser Review) von Brian K. Vaughans großartiger Serie “Paper Girls”. Aber schon der zweite Band zeigt, dass es selbst mit dieser Faustformel nicht unbedingt immer leicht ist, Gut von Böse oder Hilfe von möglichen Fallen zu unterscheiden.
Zur Erinnerung kurz zusammengefasst: Tiffany, Mac, KJ und Erin, vier Zeitungsausträgerinnen, alle um die zwölf Jahre jung, finden sich während ihrer Arbeit am Morgen nach Halloween 1988 mit einem Mal in einem sehr seltsamen Film mit Zeitreisenden, Flugsauriern, einer menschenleeren Kleinstadt und futuristischen Apparaten und Waffen wieder. Mehr noch! Von einem Augenblick auf den nächsten sind sie offenbar zwischen die Fronten eines Konfliktes geraten, der über den kompletten Zeitstrahl hinweg ausgefochten wird. Während ihnen auf der einen Seite einige Erwachsene mit einem Hippie-Typ als Oberhaupt eher feindlich gesonnen zu sein scheinen, sind da auch zwei Jugendliche aus der Zukunft, deren merkwürdige Maschine ihnen schließlich zur Flucht aus dem ganzen Wirrwarr verhilft.
Und zwar zur Flucht in die Zukunft, wie sich kurz darauf eindeutig herausstellen soll. Die Mädchen landen nämlich quasi direkt vor Erins Füßen — also… denen der 40-jährigen Erin… der aus dem Jahr 2016, in das sie katapultiert worden sind. Alle außer KJ, die auf dem Weg irgendwie verloren gegangen ist. Und, als wäre das Chaos noch nicht perfekt und es nicht schon verwirrend genug, sich als 80er-Teenie in den 2010er-Jahren zurechtzufinden, taucht auch noch eine dritte Erin auf: Eine aus der Zukunft, die auch von 2016 aus gesehen nach Science-Fiction klingt. Diese Erin wiederum schleust bei ihrem Zeitsprung aus Versehen ein paar monströse Maden ein, die anschließend Cleveland in bester Godzilla-Manier unsicher machen.
Während die Maden den Mädels aber weniger Kopfzerbrechen bereiten, sind andere Fragen viel interessanter: Wie wird unsere Zukunft aussehen? Gibt es auch ein 2016er-Ich von Tiffany und Mac? Wo ist KJ? Was hat es mit dem mysteriösen Apple-Gadget auf sich? Was zur Hölle ist ein “Falz”? Werden die “Oldtimer” sie im Jahr 2016 finden? Vor allem aber: Welcher Erin soll die 80er-Erin vertrauen, wenn wichtige Entscheidungen zu treffen sind? Ihrem 40-jährigen, erwachsenen Ich oder der Erin aus einer fernen Zukunft, die sich mit dem ganzen Zeitreise-Kram bestens auszukennen scheint?
Natürlich klingt das Ganze irrsinnig, möglicherweise sogar nach purem Chaos. Irgendwie schafft es Vaughan aber wieder (wie auch schon bei “Saga”), dass das nicht mit einer einzigen Reizüberflutung darin endet, dass das Aufmerksamkeits-Level des Lesers schnell absinkt. Im Gegenteil: Man fühlt sich sofort mittendrin. Von Anfang wird man als Leser, zusammen mit den sympathischen Figuren, in die Handlung hineingezogen, Fragen aber nur behutsam aufgeklärt, ursprüngliche Grenzen aufbrechende Türen aufgestoßen und wieder neue Fragen aufgeworfen.
Man versucht natürlich, den Sinn des Ganzen und die Gründe für diesen Generationenkonflikt zu verstehen — beziehungsweise: Was die “Oldtimer” eigentlich wollen und warum sie es ausgerechnet auf die Teens abgesehen haben. Ob es irgendwann am Ende eine schlüssige Erklärung geben wird, bleibt bis dahin natürlich zu hoffen. Meine Theorie geht momentan ja ein bisschen in Richtung “Lost”, etwas irgendwie Philosophisches über die Pubertät. Die steht Vaughans Ideen ja schließlich an Wahnwitz oft kaum nach.
Ein paar Seiten als Leseprobe findet ihr wie immer auf der Verlagsseite zum Buch bei Cross Cult.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index…